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REVIEW:
"... Boyer filettiert mit kognitionswisschenschaftlichen Mitteln die gängigen aufgeklärten Ansichten über Ursprung und Zweck von Religion. ..."
Stefan Schmitt (Zeit Wissen, 1/2005)
"... In dieser Perspektive kann er alle klassischen Religionstheorien - Religion als Sinnstiftung und Trost, Glaube als vorwissenschaftliche Weltdeutung, Gottesverehrung als Integrationskraft der Gesellschaft - erfolgreich dekonstruieren. ..."
Friedrich Wilhelm Graf (Neue Zürcher Zeitung, 5.10.2004)
"... Religion erscheint bei Boyer als ein Netz oder ein Knoten. Sie ist weder das Andere der
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Produktbeschreibung
REVIEW:
"... Boyer filettiert mit kognitionswisschenschaftlichen Mitteln die gängigen aufgeklärten Ansichten über Ursprung und Zweck von Religion. ..."
Stefan Schmitt (Zeit Wissen, 1/2005)

"... In dieser Perspektive kann er alle klassischen Religionstheorien - Religion als Sinnstiftung und Trost, Glaube als vorwissenschaftliche Weltdeutung, Gottesverehrung als Integrationskraft der Gesellschaft - erfolgreich dekonstruieren. ..."
Friedrich Wilhelm Graf (Neue Zürcher Zeitung, 5.10.2004)

"... Religion erscheint bei Boyer als ein Netz oder ein Knoten. Sie ist weder das Andere der Vernunft noch auch nur ein besonderes Gebiet der Wahrnehmung und des Wissens. Ihren Erfolg verdankt die Religion nicht ihrer Entgegensetzung zur Vernunft, sondern umgekehrt der Tatsache, dass sie der Funktion des Gehirns entspricht. ..."
Armin Adam (Süddeutsche Zeitung, 5.10.2004)

Danksagung
1 Was ist der Ursprung?
2 Wie sind die Vorstellungen vom Übernatürlichen beschaffen?
3 Wie komplex muss unser Gehirn sein?
4 Wozu Götter und Geister?
5 Warum kommt Göttern und Geistern Bedeutung zu?
6 Warum geht es in der Religion um den Tod?
7 Warum Rituale?
8 Warum Lehre, Ausgrenzung und Gewalt?
9 Warum glauben wir?
Lektüreempfehlungen
Anmerkungen
Literaturverzeichnis
Register

Leseprobe:
1. Was ist der Ursprung?
Ein Dorfnachbar sagt mir, ich solle mich vor Hexen schützen. Sie könnten mich sonst mit unsichtbaren Pfeilen beschießen, die in meine Adern eindringen und mein Blut vergiften.
Ein Schamane verbrennt Tabakblätter vor einer Reihe kleiner Figuren und spricht mit ihnen. Er sagt ihnen, er müsse sie auf eine Reise in abgelegene Dörfer im Himmel schicken. Das Ganze diene dem Zweck, jemanden zu heilen, dessen Seele von unsichtbaren Geistern gefangen gehalten werde.
Eine Gruppe von Gläubigen zieht über Land und warnt jeden vor dem bevorstehenden Ende. Als Tag des Jüngsten Gerichts sei der 2. Oktober bestimmt. Der Tag kommt, und nichts passiert. Trotzdem reden sie weiter davon, das Ende sei nahe (nur das Datum habe sich geändert).
Dorfbewohner veranstalten eine Zeremonie, um einer Göttin kundzutun, sie sei im Dorf nicht länger erwünscht. Sie habe sie nicht vor Epidemien bewahren können, und daher hätten sie beschlossen, sie zu "verstoßen" und sich nach einem tüchtigeren Ersatz umzusehen.

Eine Versammlung von Priestern findet es beleidigend, was manche Menschen über ein Ereignis sagen, das sich Jahrhunderte zuvor an einem weit entfernten Ort zugetragen hat, wo eine Jungfrau angeblich ein Kind gebar. Deshalb haben diese Menschen den Tod verdient.
Die Anhänger eines Inselkults beschließen, ihren gesamten Viehbestand zu töten und ihre Erntevorräte zu verbrennen. Sie brauchen diese Dinge nicht mehr, sagen sie, weil bald, als Belohnung für ihre guten Taten, ein Schiff beladen mit Gütern und Geld an ihrer Küste landen werde.

Meine Freunde werden angehalten, in die Kirche oder an irgendeinen anderen ruhigen Platz zu gehen, um mit einem Unsichtbaren zu sprechen, der überall in der Welt zugegen sei. Dieser unsichtbare Zuhörer wisse schon, was sie sagen würden, weil ER nämlich alles wisse.
Man klärt mich auf, ich müsse, wenn ich mächtigen Toten - die mir in Notzeiten würden helfen können - huldigen wolle, das Blut einer weißen Ziege über der rechten Seite eines bestimmten Felsens hingießen. Mit einer Ziege anderer Farbe oder an einem anderen Felsen werde es allerdings nicht funktionieren.

Der Leser mag versucht sein, diese kurzen Skizzen als eine Hand voll Beispiele aus der endlosen Galerie menschlicher Torheiten abzutun, und es dabei belassen. Womöglich sieht er aber auch in diesen knappen, wenngleich unendlich erweiterbaren Beschreibungen Zeugnisse einer faszinierenden Fähigkeit des Menschen, die Welt und das Leben zu begreifen. Ob er so oder so reagiert, in jedem Fall bleiben einige Fragen offen. Warum haben die Menschen solche Gedanken? Was bringt sie dazu, so etwas zu tun? Warum hängen sie so unterschiedlichen Glaubensvorstellungen an? Warum ist die Bindung an ihren jeweiligen Glauben so stark? Fragen wie diese wurden, um hier eine Unterscheidung Noam Chomskys aufzugreifen, bislang als Mysterium eingestuft (wir wussten nicht einmal, wie wir damit umgehen sollten), mittlerweile sind sie zu Forschungsaufgabe geworden (immerhin haben wir eine Ahnung, wie eine Lösung aussehen könnte). Wir verfügen sogar schon über erste Ansätze einer solchen Lösung. Sollte das dünkelhaft oder überheblich klingen, so will ich rasch hinzufügen, dass sich dieses "wir" tatsächlich auf einen Kreis von Menschen bezieht - und nicht etwa ich eine neue Theorie habe und diese gar für allgemein verbindlich halte. Ich werde im Verlauf dieses Buches auf diverse Forschungsergebnisse und Denkmodelle aus der Kognitionspsychologie, der Ethnologie, der Linguistik und der Evolutionsbiologie zu sprechen kommen, die allesamt von anderen Autoren stammen. Die meisten von ihnen haben gar nicht auf dem Gebiet der Religion gearbeitet, und sie ahnten auch nicht, dass ihre Befunde der Aufklärung über das Phänomen der Religion dienlich sein könnten. Und obwohl die Bücherregale von Abhandlungen zur Religion und Religionsgeschichte, zu den Glaubensvorstellungen religiöser Menschen und ähnlichen Themen überquellen, halte ich es für sinnvoll, all dem etwas hinzuzufügen. Ich werde in diesem Buch zeigen, dass das ehemals undurchdringliche Mysterium Religion mittlerweile nichts weiter ist als eine erhebliche Anzahl schwieriger, aber lösbarer Probleme.
Autorenporträt
Pascal Boyer, französischer Abstammung, ist Religionsphilosoph.

Boyer unterrichtete an englischen Colleges und hat Lehraufträge in den USA und einen Forschungsauftrag am Institut für Kognitive Wissenschaft in Lyon, Frankreich.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Pascal Boyers Versuch, die Weitergabe und Entwicklung religiösen Wissens aus den im Laufe der Evolution geprägten Mechanismen des menschlichen Erkenntnisapparats herzuleiten, betrachtet Rezensent Friedrich Wilhelm Graf mit gehöriger Skepsis. Boyer argumentiert zunächst pluralistisch, erklärt Graf, indem er die Fülle an Glaubenswelten aus einer potenziell quasi unendlichen Vielfalt an Bewusstseinszuständen erklärt. Das "zentrale Argument" laute dabei: Wenn alle übernatürlichen Wesen Verstand besitzen, müssen sie sich demzufolge auch aus der Beschaffenheit des menschlichen Geistes ableiten und erklären lassen. Glaube ist ein Nutzbündnis mit einem übernatürlichen Wesen, und Religion ein "Nebenprodukt" der Entwicklung menschlichen Erkennens überhaupt. Als "entscheidende Schwäche" identifiziert Graf aber die Schwierigkeiten Boyers, religiöse Bilder von Tod und Leben mit den ihnen zugeschriebenen rituellen Praktiken zu deuten. Das vernachlässige sowohl die "prägnanten Gehalte" religiösen Bewusstseins als auch die starken Gefühle, die in diesen Riten geäußert würden. Zum Schluss lässt der Rezensent Boyer stellvertretend für alle Neurowissenschaftler eine Warnung zukommen, vor den "dunklen Wassern", auf denen sie mit ihren "windschnittigen Wissenschaftsjachten" herumschippern.

© Perlentaucher Medien GmbH
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»... Boyer filettiert mit kognitionswisschenschaftlichen Mitteln die gängigen aufgeklärten Ansichten über Ursprung und Zweck von Religion. ...« Stefan Schmitt (Zeit Wissen, 1/2005) »... Psychologische Religionstheorien wurden zumeist als Analysen besonders frommer Menschen, ihrer mystischen Gottesschau und virtuosen Erleuchtung entworfen. Boyer leitet die Funktionsweisen religiösen Vorstellens hingegen aus allgemeinen Erkenntnisstrukturen ab, sieht in Religion also ein Nebenprodukt der Evolution menschlichen Erkennens überhaupt. In dieser Perspektive kann er alle klassischen Religionstheorien - Religion als Sinnstiftung und Trost, Glaube als vorwissenschaftliche Weltdeutung, Gottesverehrung als Integrationskraft der Gesellschaft - erfolgreich dekonstruieren. In faszinierenden Analysen der unvorstellbaren Komplexität unserer Hirnaktivitäten beschreibt er die widersprüchliche Koexistenz von «eingebauten» Erwartungen und neuronal erzeugter Neigung, Intuitionen zu trauen, die diesen Erwartungen elementar widersprechen. ...« Friedrich Wilhelm Graf (Neue Zürcher Zeitung, 5.10.2004) »... Religion erscheint bei Boyer als ein Netz oder ein Knoten. Sie ist weder das Andere der Vernunft noch auch nur ein besonderes Gebiet der Wahrnehmung und des Wissens. Ihren Erfolg verdankt die Religion nicht ihrer Entgegensetzung zur Vernunft, sondern umgekehrt der Tatsache, dass sie der Funktion des Gehirns entspricht. Das ist Boyers große These: Religion ist ein Phänomen, das verschiedene Bedürfnisse des menschlichen Geistes befriedigt. Der Grund ihres Erfolges liegt in ihrer Vielfalt, in der Mannigfaltigkeit der Anknüpfungspunkte für verschiedene Bedürfnisse: sie aktivieren eine Vielzahl von Systemen so, dass ihre Tradition gesichert ist. ...« Armin Adam (Süddeutsche Zeitung, 5.10.2004)…mehr