Brandstiftung, Kindstod und Tyrannenmord, Gotteslästerung, Schiffskatastrophen und Geistererscheinungen: Balladen sind nichts für zarte Gemüter. In oft nur wenigen Strophen erzählen sie Geschichten voller Spannung und Dramatik; Rhythmus und Reim verlocken zum lauten Vortrag - so werden aus stillen Lesern extrovertierte Vorleser. Und sie auswendig hersagen zu können, gehörte in früheren Tagen zum Pflichtenkanon des Schülers.
Die vorliegende Auswahl enthält die berühmtesten Klassiker des Genres, vom Erlkönig bis zum Knaben im Moor, von der Bürgschaft bis zu Fontanes Denkmal für den sprichwörtlich gewordenen brandenburgischen Birnen- und Menschenfreund: »So spendet Segen noch immer die Hand / Des von Ribbeck zu Ribbeck im Havelland.«
Burkhard Neie hat die Dramatik und die großen Gefühle der schönsten deutschen Balladen in kongeniale Bilder übersetzt: ein Buch zum Lesen und Vorlesen.
Die vorliegende Auswahl enthält die berühmtesten Klassiker des Genres, vom Erlkönig bis zum Knaben im Moor, von der Bürgschaft bis zu Fontanes Denkmal für den sprichwörtlich gewordenen brandenburgischen Birnen- und Menschenfreund: »So spendet Segen noch immer die Hand / Des von Ribbeck zu Ribbeck im Havelland.«
Burkhard Neie hat die Dramatik und die großen Gefühle der schönsten deutschen Balladen in kongeniale Bilder übersetzt: ein Buch zum Lesen und Vorlesen.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Sah ein Knab ein Röslein stehn - Andreas Platthaus kann das mitsingen, wir auch. Allerdings langweilt sich Platthaus überhaupt nicht beim (Wieder-)Lesen all der von Matthias Reiner versammelten Balladen von Eichendorff über Heine bis Goethe. Im Gegenteil. Erkenntnisse, wie die vom Schauerpotenzial der Gattung, begleiten den Rezensenten. Und vor allem die Illustrationen von Burkhard Neie, farbsatt und intensiv, findet Platthaus. Die Bilder, mal allegorisch, mal buchstäblich, erschließen dem Rezensenten sogar ein neues Verständnis der Texte, das kein gefälliges ist.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.12.2013Du sollst dir ein Bild machen: Ein Balladenwunder
Natürlich geht's mit Goethe los, wie sollte es auch anders sein, wenn die schönsten Beispiele deutscher Dichtkunst gesammelt werden? Wobei erstaunlich ist, dass auf dem Buchumschlag nicht wie im Inneren (und auch im Verlagsprogramm) von "Deutschen Balladen" die Rede ist, sondern allgemein von "Die schönsten Balladen". Dann hätten fremde Zungen auch einiges zu bieten gehabt, schließlich stammt der Begriff aus dem Französischen und bezeichnete Minnedichtung. Allerdings ist das heute bei uns gängige Gattungsverständnis als mehrstrophige Gedichterzählung in der Tat auf den deutschen Sprachraum beschränkt - dank der üblichen Verdächtigen: Eichendorff, Heine, Meyer, Mörike, Schiller, Uhland. Und eben dank Goethes, der sich bei vier in die Auswahl aufgenommenen Balladen jedoch den Spitzenplatz mit Fontane teilen muss.
Den Auftakt können wir alle mitsprechen: "Sah ein Knab ein Röslein stehn, / Röslein auf der Heiden ...", und auch mittendrin werden Erinnerungen wach: "So ging es viele Jahr, bis lobesam / Der von Ribbeck auf Ribbeck zu sterben kam" oder "John Maynard war unser Steuermann. / Aus hielt er, bis er das Ufer gewann" oder "Beltsatzar ward aber in selbiger Nacht / Von seinen Knechten umgebracht". Diese kleine Auswahl markanter Passagen zeigt jedoch auch das Schauerpotential, das der Ballade innewohnt, und "Die Füße im Feuer" oder den "Erlkönig" haben wir ja noch gar nicht erwähnt. Selten genug, dass ein solches Gedicht optimistisch daherkommt, wie das letzte der Sammlung: Brechts "Legende von der Entstehung des Buches Taoteking auf dem Weg des Laotse in die Emigration". Es braucht schon das zwanzigste Jahrhundert dazu, und selbst da schlägt Erich Kästner ungeachtet des Titels seiner "Sachlichen Romanze" noch ein höchst dramatisches Finale an: "Sie gingen ins kleinste Café am Ort / Und rührten in ihren Tassen. / Am Abend saßen sie immer noch dort. / Sie saßen allein, und sie sprachen kein Wort / Und konnten es einfach nicht fassen."
Wir können erfreulicherweise etwas anderes nicht fassen: wie herrlich all diese Balladen, dreiundzwanzig sind es insgesamt, im Buch illustriert sind. Der Herausgeber Matthias Reiner hat damit den Berliner Zeichner Burkhard Neie beauftragt. Lesern dieser Zeitung ist er schon seit Jahren bekannt; aktuell sorgt er für die Bebilderung unserer Gerichtskolumne. Neies farbsatte Nocturnes verschaffen den Gedichten keine neue, aber eine intensivierte Stimmung (wozu nicht zuletzt beiträgt, dass der Illustrator bei seinen jeweils ganzseitigen Zeichnungen Farbverläufe in die Falz des Buchs hinein zulässt, so dass jedes Gedicht auch auf Seiten, die nicht unmittelbar neben einer Illustration stehen, durch diesen Effekt in der Lektüre mitbestimmt werden).
Die Bilder selbst sind dann derart intensiv in ihrer bisweilen allegorischen, bisweilen buchstäblichen Motivfindung, dass sie ein neues Verständnis der Lyrik ermöglichen. Das ist entgegen dem Außenuntertitel nicht notwendig ein "schönes" im Sinne von "gefälliges" Verständnis, sondern im Geiste des Binnenuntertitels ein "deutsches" Stimmungsphänomen, weil es dem ernsten Prinzip der Balladendichtung adäquat ist. Es stellt sich immer wieder die Frage, woher diese literarische und lesende Lust am Untergang stammt.
Und weil die düsteren Farben so kräftig gewählt sind, dass sie uns aus der sie grundierenden Dämmerung oder Nacht geradezu anzuspringen scheinen, hatte der Verlag das Geschick, die Illustrationen jeweils auf die Vorder- und Rückseite eines Einzelblatts zu drucken, damit es keinen Durchschlag gibt. So wird drucktechnisch und buchbinderisch ein Kontrast von Illustration und Text geschaffen, den es inhaltlich gar nicht gibt. Weil Neie kongenial bebildert. (apl)
"Und noch fünfzehn Minuten bis Buffalo". Die schönsten Balladen.
Hrsg. von Matthias Reiner, illustriert von Burkhard Neie. Insel Verlag, Berlin 2013. 111 S., 40 Abb., geb., 16,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Natürlich geht's mit Goethe los, wie sollte es auch anders sein, wenn die schönsten Beispiele deutscher Dichtkunst gesammelt werden? Wobei erstaunlich ist, dass auf dem Buchumschlag nicht wie im Inneren (und auch im Verlagsprogramm) von "Deutschen Balladen" die Rede ist, sondern allgemein von "Die schönsten Balladen". Dann hätten fremde Zungen auch einiges zu bieten gehabt, schließlich stammt der Begriff aus dem Französischen und bezeichnete Minnedichtung. Allerdings ist das heute bei uns gängige Gattungsverständnis als mehrstrophige Gedichterzählung in der Tat auf den deutschen Sprachraum beschränkt - dank der üblichen Verdächtigen: Eichendorff, Heine, Meyer, Mörike, Schiller, Uhland. Und eben dank Goethes, der sich bei vier in die Auswahl aufgenommenen Balladen jedoch den Spitzenplatz mit Fontane teilen muss.
Den Auftakt können wir alle mitsprechen: "Sah ein Knab ein Röslein stehn, / Röslein auf der Heiden ...", und auch mittendrin werden Erinnerungen wach: "So ging es viele Jahr, bis lobesam / Der von Ribbeck auf Ribbeck zu sterben kam" oder "John Maynard war unser Steuermann. / Aus hielt er, bis er das Ufer gewann" oder "Beltsatzar ward aber in selbiger Nacht / Von seinen Knechten umgebracht". Diese kleine Auswahl markanter Passagen zeigt jedoch auch das Schauerpotential, das der Ballade innewohnt, und "Die Füße im Feuer" oder den "Erlkönig" haben wir ja noch gar nicht erwähnt. Selten genug, dass ein solches Gedicht optimistisch daherkommt, wie das letzte der Sammlung: Brechts "Legende von der Entstehung des Buches Taoteking auf dem Weg des Laotse in die Emigration". Es braucht schon das zwanzigste Jahrhundert dazu, und selbst da schlägt Erich Kästner ungeachtet des Titels seiner "Sachlichen Romanze" noch ein höchst dramatisches Finale an: "Sie gingen ins kleinste Café am Ort / Und rührten in ihren Tassen. / Am Abend saßen sie immer noch dort. / Sie saßen allein, und sie sprachen kein Wort / Und konnten es einfach nicht fassen."
Wir können erfreulicherweise etwas anderes nicht fassen: wie herrlich all diese Balladen, dreiundzwanzig sind es insgesamt, im Buch illustriert sind. Der Herausgeber Matthias Reiner hat damit den Berliner Zeichner Burkhard Neie beauftragt. Lesern dieser Zeitung ist er schon seit Jahren bekannt; aktuell sorgt er für die Bebilderung unserer Gerichtskolumne. Neies farbsatte Nocturnes verschaffen den Gedichten keine neue, aber eine intensivierte Stimmung (wozu nicht zuletzt beiträgt, dass der Illustrator bei seinen jeweils ganzseitigen Zeichnungen Farbverläufe in die Falz des Buchs hinein zulässt, so dass jedes Gedicht auch auf Seiten, die nicht unmittelbar neben einer Illustration stehen, durch diesen Effekt in der Lektüre mitbestimmt werden).
Die Bilder selbst sind dann derart intensiv in ihrer bisweilen allegorischen, bisweilen buchstäblichen Motivfindung, dass sie ein neues Verständnis der Lyrik ermöglichen. Das ist entgegen dem Außenuntertitel nicht notwendig ein "schönes" im Sinne von "gefälliges" Verständnis, sondern im Geiste des Binnenuntertitels ein "deutsches" Stimmungsphänomen, weil es dem ernsten Prinzip der Balladendichtung adäquat ist. Es stellt sich immer wieder die Frage, woher diese literarische und lesende Lust am Untergang stammt.
Und weil die düsteren Farben so kräftig gewählt sind, dass sie uns aus der sie grundierenden Dämmerung oder Nacht geradezu anzuspringen scheinen, hatte der Verlag das Geschick, die Illustrationen jeweils auf die Vorder- und Rückseite eines Einzelblatts zu drucken, damit es keinen Durchschlag gibt. So wird drucktechnisch und buchbinderisch ein Kontrast von Illustration und Text geschaffen, den es inhaltlich gar nicht gibt. Weil Neie kongenial bebildert. (apl)
"Und noch fünfzehn Minuten bis Buffalo". Die schönsten Balladen.
Hrsg. von Matthias Reiner, illustriert von Burkhard Neie. Insel Verlag, Berlin 2013. 111 S., 40 Abb., geb., 16,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
»Ein Balladenwunder.« Frankfurter Allgemeine Zeitung