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»Und vor mir ein ganzes Leben« erzählt die furchtbare und zu Herzen gehende, bei aller Drastik auch komische Lebensgeschichte eines Mädchens aus gutem und einflussreichem Hause, das nach dem Einmarsch der Russen in Prag beschließt, ihrem Heimatland Tschechoslowakei den Rücken zu kehren.Mithilfe einer Anzeige - »Schöne Tschechin sucht Mann zum Heiraten« - zettelt sie die Flucht außer Landes an und begibt sich damit auf eine Odyssee durch verschiedene mehr oder weniger aufreibende, immer leidenschaftliche Liebes- und Ehesituationen in Deutschland und der Schweiz, bis sie schließlich als Mensch…mehr

Produktbeschreibung
»Und vor mir ein ganzes Leben« erzählt die furchtbare und zu Herzen gehende, bei aller Drastik auch komische Lebensgeschichte eines Mädchens aus gutem und einflussreichem Hause, das nach dem Einmarsch der Russen in Prag beschließt, ihrem Heimatland Tschechoslowakei den Rücken zu kehren.Mithilfe einer Anzeige - »Schöne Tschechin sucht Mann zum Heiraten« - zettelt sie die Flucht außer Landes an und begibt sich damit auf eine Odyssee durch verschiedene mehr oder weniger aufreibende, immer leidenschaftliche Liebes- und Ehesituationen in Deutschland und der Schweiz, bis sie schließlich als Mensch und Künstlerin ankommt, bei sich, im ganzen Leben.»Eine gänzlich unangepasste Stimme. Ein neuer Ton, rau und verwegen, aber auch zart und voller abgründigem osteuropäischem Humor. Ein Buch, das zur Drastik neigt und rückhaltlos Grenzen auslotet. Und eine Frau, die diese Grenzen überschreitet.« (Daniel Kehlmann)
Autorenporträt
Elika Bartek, Malerin, Fotografin und Autorin, geboren 1950 in Nový Ji¿ín, wuchs in Prag auf und hat als junge Frau den Einmarsch der sowjetischen Truppen in ihre Heimatstadt miterlebt. Nach ihrer unter dramatischen Umständen geglückten Flucht in den Westen im Jahr 1972 erwarb sie 1975 die Schweizer Staatsbürgerschaft. Von 1979 bis 1983 besuchte sie die Züricher Hochschule der Künste 1996 wurde sie als Stipendiatin des österreichischen Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur Mitglied im Künstlerhaus Wien und erhielt das Diplom der Masaryk Academy of Art, Prag. Für ihre künstlerische Arbeiten erfährt sie internationale Anerkennung. Seit 1997 lebt und arbeitet Elika Bartek im Tessin und in Berlin.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensent Michael Krüger staunt, dass das hier Eliska Barteks erster Roman sein soll: So vollkommen schreibt die siebzigjährige Tschechin ihr Leben auf. Es beginnt mit der Niederschlagung des Prager Frühlings 1968, nach der sich Bartek dazu entscheidet, in die Bundesrepublik zu fliehen, resümiert Krüger. Dies gelingt ihr auch - sobald sie in Deutschland ankommt, so der Kritiker, tritt bei ihr aber ein Gefühl der Leere auf, das die vielen wechselnden Liebschaften nicht ausfüllen können. Die Beschreibung dieses Gefühls ist "ein intensives Stück Prosa" und das Leben Barteks "eine Odyssee von Aufbrüchen und Abstürzen", lobt der Kritiker. Der hohe Detailgrad ihrer Schilderungen lässt außerdem, so Krüger, daran zweifeln, dass hier irgendwas erfunden sein soll. Am Ende scheut der Kritiker auch nicht den Vergleich mit Milan Kunderas Werk "Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins" - mit dem Unterschied, dass Kunderas Figuren am Ende sterben und wir von Bartek hoffentlich noch einiges erwarten können, schließt ein glücklicher Rezensent.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.05.2024

In die Freiheit,
und dann?
Die Malerin Eliška Bartek erzählt in ihrem
ersten Roman eine einzigartige
Lebensgeschichte. Von Michael Krüger
Wie muss, wie soll der erste Satz im ersten Buch einer über siebzigjährigen Autorin lauten? Soll sie alles verraten oder nur den Ton angeben, oder soll sie eine falsche Fährte legen? Er lautet: „Ich war achtzehn Jahre alt und schon so gut wie tot.“ Nein, es handelt sich nicht um eine lebensgefährliche Krankheit, die hier autobiografisch aufgerollt wird – es sei denn, man wolle das ganze Leben als Krankheit zum Tode begreifen. Es sind die Sechzigerjahre in der Tschechoslowakei. Im Westen hat sich das Wirtschaftswunder (mit allen wunderbaren Begleiterscheinungen) durchgesetzt, in den Staaten des Warschauer Pakts ist man auf der Suche nach dem kleinen Glück. Wer mehr will, zum Beispiel ins Ausland reisen, wird bestraft.
Wir kennen diese triste Atmosphäre aus den frühen Filmen von Miloš Forman, wie zum Beispiel „Der schwarze Peter“, und den ersten Romanen von Milan Kundera: „Das Leben ist anderswo“, nur nicht in der nun von einer sozialistisch-spießigen Bürokratie beherrschten Heimat, in der Eliška Bartek aufwächst. Der Suizidversuch schlägt fehl (sonst würden wir naturgemäß das Buch nicht lesen können), aber die noch diffuse, allerdings immer mehr Raum einnehmende Sehnsucht nach einem selbstbestimmten Leben wächst.
Als schließlich 1968 russische Panzer in Prag einfahren, gefolgt von einer halben Million Soldaten aus den sozialistischen „Bruderländern“, die mit der größten Militäraktion nach dem Weltkrieg den zarten Beginn des Prager Frühlings brutal zertrampelten, steht der Entschluss fest, das Land zu verlassen. Ältere Leser wie ich haben die Bilder von den Panzern auf dem Wenzelsplatz noch im Kopf, die jetzt täglich wieder aufblitzen, wenn wir im Fernsehen erleben, wie russisches Militär ukrainische Menschen und Städte ausradieren will.
Also Flucht, Republikflucht. Über Zeitungsannoncen, die ein Bekannter in einer deutschen Zeitung aufgegeben hat: „Schöne Tschechin sucht einen Mann zum Heiraten“, lernt sie in Karlsbad Rainer kennen, einen schon etwas älteren Herrn aus Donauwörth mit einem Mercedes. Er verliebt sich sofort. Und sie? „Heute weiß ich nicht mehr, ob ich mich in ihn verliebt hatte oder in die Idee, aus der Republik rauszukommen. Man kann seine Gefühle und sein Denken belügen. Man kann sich so belügen, dass man an die Lüge selber glaubt, ohne zu wissen, dass es eine Lüge ist.“ Es ist der 1. Mai 1972. Sie lässt die Familie – der Vater ist ein Direktor der Tatra-Auto-Werke –, die Arbeit als Verwalterin des Waffenlagers beim vormilitärischen Ausbildungsdienst, die Freunde zurück und steigt buchstäblich nackt in Rainers für die Flucht umgebautes Auto. Alles geht gut, die Grenzschützer finden das Versteck zwischen Rückbank und Kofferraum nicht, am Abend sind sie in der Bundesrepublik.
„Ich spürte, dass ich zu zittern anfing. Das hieß – ich lebte. Meine Muskeln, die gespannt waren wie ein Bogen, fielen in sich zusammen. Eine Leere, ein schwarzes Loch, ein Gefühl von dunklem, freiem Raum überkam mich. Ein Raum, in dem ich nichts spürte, nichts sah, nichts fühlte, nichts wollte. Ich hatte die Flucht geschafft. Und jetzt? Ich wollte nicht heraus, denn hier im Kofferraum konnte mir nichts passieren. … Ich fühlte mich nicht stolz oder stark, ich fühlte mich als nichts. Als niemand. Als wertlos. Als ein Stück Dreck. Ohne Stolz, ohne Geld, ohne Schutz. … Meine Energie war wie Rauch verschwunden. Ich fühlte mich hässlich, arm, ausgeliefert, heimatlos, willenlos.“
Die Beschreibung des Gefühls der Leere ist ein intensives Stück Prosa, und man ist gespannt, wie und mit was und ob überhaupt sie sich füllen wird. Rainer – noch verheiratet – „bietet“ ihr das Paradies: ein Haus mit Garten und Gärtner, eine Zugehfrau, Kleider, ein warmes Bett. „Ich war dreiundzwanzig Jahre alt und hatte mein Leben für die Freiheit riskiert. Und jetzt?“ Was Bartek auf den nächsten 200 Seiten schildert, ist eine Odyssee von Aufbrüchen und Abstürzen, die oftmals die Schmerzgrenze überschreiten. Als der liebe, aber tumbe Rainer sie einmal im Suff schlägt, verlässt sie ihn, was er natürlich nicht versteht und ihr nachstellt; als er einsehen muss, dass der Bruch endgültig ist, bringt er sich in seinem geliebten Mercedes um. Sie lernt Arzthelferin und wohnt bei einer Kollegin, deren Vater, der „liebe“ Herr Hässler, sie immer Montag und Donnerstag vergewaltigt. Sie hält still, um das Zimmer nicht zu verlieren, macht ihre Prüfung als Laborantin und verliebt sich in Ralf, Bauunternehmer und Rennfahrer. Aber auch das geht schief, weil Ralfs Mutter sie nicht akzeptieren kann: Sie war ein Flüchtling, „dazu noch aus dem Sozialismus, den sich viele Menschen im Westen als eine schlimme Geschlechtskrankheit vorstellten“. Eliška ist nun bald acht Jahre im Westen, weiß „aber immer noch nicht, wohin ich gehöre und wer ich war… Ich war achtundzwanzig Jahre alt und alleine auf der Welt. Der Mensch ist allein geboren und stirbt allein.“
Ralf wird von Christoph abgelöst, einem Schweizer IT-Fachmann und Porsche-Fahrer, zu dem sie nach Zürich zieht und ihn heiratet. Sie nimmt Privatunterricht bei einem Maler und wird Künstlerin – endlich ist sie bei sich angekommen, denkt man. Aber Eliška fängt ein Verhältnis mit einem Architekten an, Thomas, und wird schwanger. Von wem ist das Kind? Es kommt zu einer Abtreibung, sie lässt sich scheiden, von Thomas will sie nichts mehr wissen.
Es folgen Bruno (der an Krebs stirbt) und Dieter (Saab-Fahrer und Bergsteiger), den sie heiratet, ohne mit ihm glücklich zu werden. Inzwischen lebt Eliška in Luzern, betreibt eine Off-off-Galerie, malt, macht Schmuck und lässt sich von Dieter scheiden. Und nun tritt der letzte Unglücksrabe in diesem Buch auf, Goran, ein ehemaliger Torwart der montenegrinischen Fußballnationalelf, der inzwischen sein Geld als Ladenräuber verdient. Wieder die große, unsterbliche Liebe. Sie fährt, mitten im Bürgerkrieg, nach Podgorica, wohnt mit Goran und dessen Mutter in einem Plattenbau, zur Hochzeit gibt es zwei Pelze, die er bei einem Diebstahl in Sarajewo erbeutet hat. Natürlich geht auch diese Beziehung in die Brüche. Als Goran ihr telefonisch droht, sie umzubringen, bricht sie wieder einmal ihre Zelte ab und zieht nach Wien, heute lebt sie als Malerin in Berlin.
Natürlich fragt man sich, ob das alles „wahr“ ist, was man da liest, obwohl die Autorin oft penibel (und immer mit einem wunderbar trockenen Humor) ihr Unglück beschreibt: Namen, Eigenschaften, Orte; überdies staunt man über die Gabe, mit wenigen Sätzen Personen bis ins physiognomische Detail zu erfassen. Sie selber gibt keine Genrebezeichnung an, der Klappentext spricht von ihrem ersten „Roman“, was man nicht glauben möchte.
Manchmal hatte ich den Eindruck, ein weibliches, emotional aufgeladenes Gegenstück zu dem Roman „Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins“ ihres tschechischen Landsmanns Milan Kundera zu lesen. Nicht nur die Orte – Prag und Zürich – erinnern an Kundera, sondern auch die vielen vergeblichen Versuche, der Liebe aus dem Weg zu gehen. Kunderas essayistische, philosophische Überlegungen zum „haltlosen“ Leben seiner Hauptfiguren Tomas und Tereza werden bei Eliška Bartek ins Leben zurückgeholt. Trotz aller Niederlagen, Enttäuschungen, Demütigungen und Unerträglichkeiten bleibt es ein kämpferisches Leben. Und der auffälligste Unterschied zu Kundera ist natürlich der Schluss: Während Kundera seine beiden Hauptfiguren bei einem Unfall sterben lässt, überlebt Eliška alle Unfälle. Und wir dürfen gespannt sein, wen sie in Wien getroffen – und ob sie ihn überlebt hat.
Michael Krüger leitete über viele Jahre den Münchner Hanser-Verlag. 2023 erschien sein Band „Verabredung mit Dichtern. Erinnerungen und Begegnungen“ bei Suhrkamp.
„Der Mensch ist
allein geboren
und stirbt allein.“
Schildert eine Odyssee von Aufbrüchen und Abstürzen, die oftmals die Schmerzgrenze überschreiten: Eliška Bartek.
Foto: Gemeinfrei
Eliška Bartek: Und vor mir ein ganzes Leben. Roman. Weissbooks, Berlin 2024. 240 Seiten, 24 Euro.
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