Ein Mann, der sicher ist, einen Herzinfarkt zu bekommen und fast stündlich seinen Blutdruck misst. Eine Frau, die bereits als Kind Angst vor dem Sterben hatte, oder eine junge Mutter, die befürchtet, dass ihr Kind an einer schweren Krankheit leiden könnte. Wenn sich Ängste vor Krankheiten und die Furcht vor Ansteckung zum Selbstläufer entwickeln, wird das nicht nur für die Betroffenen problematisch. Krankheitsängste sind vielseitig und weit mehr als Hypochondrie oder krampfhaftes Googeln nach Diagnosen, denn oft verdecken sie ungelöste Konflikte wie unverarbeitete Trauer oder ein schlechtes Selbstwertgefühl.
Die erfahrene Psychotherapeutin Barbara Günther-Haug erklärt auf der Basis ihrer Erfahrungen aus Therapiesitzungen mit Betroffenen, wie Krankheitsängste entstehen. Anhand leicht verständlicher Anleitungen zeigt sie, wie es gelingt, belastende Denk- und Verhaltensweisen zu überwinden, um das Leben wieder genießen zu können.
Die erfahrene Psychotherapeutin Barbara Günther-Haug erklärt auf der Basis ihrer Erfahrungen aus Therapiesitzungen mit Betroffenen, wie Krankheitsängste entstehen. Anhand leicht verständlicher Anleitungen zeigt sie, wie es gelingt, belastende Denk- und Verhaltensweisen zu überwinden, um das Leben wieder genießen zu können.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.06.2021Wenn der Kopf den Körper krank macht
SCHMITTEN Weil Ängste die Lebensfreude verdrängen können, sollte man dringend gegensteuern. Wie das gehen kann, erklärt die Psychotherapeutin Barbara Günther-Haug in einem Buch.
Von Anina Herterich
Seit Beginn der Corona-Pandemie wird man täglich mit Meldungen über Krankheit und Tod konfrontiert. Dazu kommen Nachrichten von Unfällen und Schicksalsschlägen. Eigentlich nicht verwunderlich, dass Menschen Angst vor den allgemeinen Risiken des Lebens haben, potentielle Gefahren gibt es überall. Grundsätzlich ist Angst jedoch etwas Gutes, denn sie bringt Menschen dazu, vorsichtig zu sein, und schützt sie so vor Gefahr. Wenn Ängste aber dazu führen, dass man nicht mehr in den Supermarkt und zur Arbeit gehen kann oder man sich nicht mehr traut, Straßenbahn zu fahren, dann kann die Angst selbst zur Gefahr werden.
Die Ärztin und Psychotherapeutin Barbara Günther-Haug behandelt in ihrer Praxis in Schmitten viele Patienten mit Angststörungen und weiß, dass übermäßige Angst keine Seltenheit ist. Wenn Menschen in ihre Praxis kommen, klagen diese allerdings oft nicht über Ängste, sondern über körperliche Beschwerden wie Tinnitus, Bauchschmerzen oder Zungenbrennen: "Menschen, die zu mir kommen, sagen selten: ,Ich habe eine Angststörung.' Eher heißt es: ,Ich habe ein Eheproblem, bin unglücklich, kann nicht schlafen, habe Rückenschmerzen, Schwindel und Übelkeit. Aber niemand von den Ärzten hat was gefunden, und jetzt heißt es, das kommt vom Gehirn.'"
Bei einer Angststörung sei genau das der Fall, denn solche Symptome können körperliche Auswirkungen der mentalen Spannung sein, erklärt Günther-Haug: "Das Gehirn beeinträchtigt dann den ganzen Körper. Der Kopf kann eine ungeheure Spannung erzeugen, vom Scheitel bis zur Sohle. Und das belastet das System." Das sei vielen jedoch nicht bewusst, im Gegenteil: Manche Betroffene seien wegen der Symptome davon überzeugt, schwer erkrankt zu sein, beispielsweise an Krebs oder einem Schlaganfall: "Der Patient kommt auf die Idee, der Grund für die Symptome sei eine Krankheit. Und er hat ja auch eine Krankheit, aber im Gehirn und nicht woanders."
Bei diesen Fällen handelt es sich um sogenannte hypochondrische Patienten. Deren Zahl sei allerdings, anders als es die zahlreichen Witze vermuten lassen, sehr gering. Viel häufiger litten Patienten an einer sogenannten generalisierten Angststörung, das heißt, sie hätten Angst davor, dass sie selbst oder Angehörige durch die allgemeinen Risiken des Lebens in Gefahr kommen könnten.
Der Alltag der Betroffenen ist stark beeinträchtigt. Neben den genannten körperlichen Symptomen könnten auch Schlaf- und Appetitstörungen, Libidoverlust und Suchtverhalten Hinweise dafür sein, dass eine hohe psychische Spannung herrsche. Dies führe dann auch oft zu sozialen Konflikten, was wiederum Nahrung für die Ängste sei und die Spannung noch größer werden lasse: "So kommt man schnell in einen Teufelskreis", sagt Günther-Haug.
Auch kognitiv seien die Patienten stark durch die Angst beeinträchtigt und kämen immer nur auf negative Gedanken: "Wenn ein gutes Essen auf dem Tisch steht und es die einen genießen, denkt der Betroffene dann vielleicht: ,Ich messe lieber gleich, nicht dass ich nachher von dem Cholesterin Bluthochdruck kriege und das nicht merke, dann bin ich heute Abend vielleicht schon tot.'" Durch dieses Verhalten könne es passieren, dass die schönen Momente im Leben für die Betroffenen immer mehr untergingen, wodurch die Spannung wieder weiter wachse.
Mit ihrem Buch "Und wenn es doch etwas Schlimmes ist?" möchte Barbara Günther-Haug Betroffenen helfen, ihre Angst zu verstehen und zu überwinden. Der Ratgeber sei dabei vor allem für Personen mit kleinen Ängsten geschrieben: "Es ist für Menschen, die sich davor sorgen, was ihnen oder ihren Angehörigen passieren könnte." Das falle nicht gleich in den psychiatrischen Diagnosekatalog, aber "eine latente Krankheitsangst kann einem schon den Tag vermiesen". Obwohl sich das Buch hauptsächlich mit Krankheitsangst beschäftigt, können die enthaltenen Ratschläge auch bei anderen Ängsten helfen.
Laut Günther-Haug können sich Krankheitsängste grundsätzlich bei jedem entwickeln: "Unsere Veranlagung muss man sich vorstellen wie einen Wiesenboden, in dem viele Keime schlummern, darunter auch Angstkeime. Etwas Angst ist immer vorhanden. Aber wenn genau dort der Dünger draufkommt, dann sprießt das." Ein solcher Dünger wäre beispielsweise ein traumatisches Erlebnis wie ein lebensveränderndes Ereignis oder ein schwerer Krankheitsfall in der Familie: "Ein Gehirn kann nicht nur Schaden nehmen, indem man mit dem Hammer draufhaut, sondern schwere Erschütterungen seelischer Art zerschießen unsere Hirnchemie in einer Weise, dass es unter Umständen Wochen oder länger dauern kann, bis es sich wieder beruhigt. Und dabei kann es auch leicht zu Komplikationen kommen." Aber auch ohne ein Trauma könne eine Angststörung entstehen.
Die Neigung zu erhöhter Angst sei häufig erblich bedingt: "Sehr oft findet man bei den Betroffenen mindestens einen Elternteil der auch eine krankheitswertige Angststörung hatte." In so einem Fall spiele dann die Vorbildfunktion eine große Rolle. Entscheidend sei, wie die Eltern mit den Herausforderungen der Kinder umgingen: "Die ersten Herausforderungen kommen vielleicht im Kindergarten: Man kriegt eins mit der Schaufel über den Kopf und bekommt Angst. Dann ist die Frage, wie die Eltern damit umgehen." Wichtig sei es, das Problem zwar ernst zu nehmen, aber auch keinen Weltuntergang darin zu sehen, denn diese Einstellung gebe man weiter an das Kind: "Kinder von ängstlichen Eltern brechen sich seltener die Beine, weil sie nicht auf Bäume klettern dürfen. Sie sehen die Welt aber auch nicht von oben und können ihr Selbstbewusstsein nicht trainieren."
Aber auch Erwachsene, die bei sich selbst überdurchschnittliche Ängste feststellen, können noch etwas dagegen tun, weiß Günther-Haug. Wichtig sei allerdings, so früh wie möglich zu reagieren, ähnlich wie bei einer Verletzung: "Also angenommen, man hat sich eine Wunde am Bein zugezogen. Dann würde man diese erstmal sauber machen, Jod verwenden und dann ein Pflaster darauf machen. Und wenn man das gut macht, dann wird es nicht eitern, und ich muss nicht zum Chirurgen." Da bei Ängsten allerdings anders als bei einer Wunde nicht klar ersichtlich sei, was helfe, wolle sie mit ihrem Buch Tipps zur Selbsthilfe geben.
Ein erster wichtiger Schritt gegen die Angst sei es, sich in ungefährlichen Situationen immer mal wieder zu überwinden und kleine Wagnisse einzugehen: "Wenn man vermeidet, dann verlernt man oder lernt zumindest nicht dazu." Außerdem sei übermäßige Angst letztlich hinderlich: "Wir müssen lernen, mit gewissen Risiken umzugehen, denn das Leben hat seine kritischen Seiten. Aber ein klarer Kopf wird immer besser durchs Leben kommen als einer, der ständig von Ängsten besessen ist."
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SCHMITTEN Weil Ängste die Lebensfreude verdrängen können, sollte man dringend gegensteuern. Wie das gehen kann, erklärt die Psychotherapeutin Barbara Günther-Haug in einem Buch.
Von Anina Herterich
Seit Beginn der Corona-Pandemie wird man täglich mit Meldungen über Krankheit und Tod konfrontiert. Dazu kommen Nachrichten von Unfällen und Schicksalsschlägen. Eigentlich nicht verwunderlich, dass Menschen Angst vor den allgemeinen Risiken des Lebens haben, potentielle Gefahren gibt es überall. Grundsätzlich ist Angst jedoch etwas Gutes, denn sie bringt Menschen dazu, vorsichtig zu sein, und schützt sie so vor Gefahr. Wenn Ängste aber dazu führen, dass man nicht mehr in den Supermarkt und zur Arbeit gehen kann oder man sich nicht mehr traut, Straßenbahn zu fahren, dann kann die Angst selbst zur Gefahr werden.
Die Ärztin und Psychotherapeutin Barbara Günther-Haug behandelt in ihrer Praxis in Schmitten viele Patienten mit Angststörungen und weiß, dass übermäßige Angst keine Seltenheit ist. Wenn Menschen in ihre Praxis kommen, klagen diese allerdings oft nicht über Ängste, sondern über körperliche Beschwerden wie Tinnitus, Bauchschmerzen oder Zungenbrennen: "Menschen, die zu mir kommen, sagen selten: ,Ich habe eine Angststörung.' Eher heißt es: ,Ich habe ein Eheproblem, bin unglücklich, kann nicht schlafen, habe Rückenschmerzen, Schwindel und Übelkeit. Aber niemand von den Ärzten hat was gefunden, und jetzt heißt es, das kommt vom Gehirn.'"
Bei einer Angststörung sei genau das der Fall, denn solche Symptome können körperliche Auswirkungen der mentalen Spannung sein, erklärt Günther-Haug: "Das Gehirn beeinträchtigt dann den ganzen Körper. Der Kopf kann eine ungeheure Spannung erzeugen, vom Scheitel bis zur Sohle. Und das belastet das System." Das sei vielen jedoch nicht bewusst, im Gegenteil: Manche Betroffene seien wegen der Symptome davon überzeugt, schwer erkrankt zu sein, beispielsweise an Krebs oder einem Schlaganfall: "Der Patient kommt auf die Idee, der Grund für die Symptome sei eine Krankheit. Und er hat ja auch eine Krankheit, aber im Gehirn und nicht woanders."
Bei diesen Fällen handelt es sich um sogenannte hypochondrische Patienten. Deren Zahl sei allerdings, anders als es die zahlreichen Witze vermuten lassen, sehr gering. Viel häufiger litten Patienten an einer sogenannten generalisierten Angststörung, das heißt, sie hätten Angst davor, dass sie selbst oder Angehörige durch die allgemeinen Risiken des Lebens in Gefahr kommen könnten.
Der Alltag der Betroffenen ist stark beeinträchtigt. Neben den genannten körperlichen Symptomen könnten auch Schlaf- und Appetitstörungen, Libidoverlust und Suchtverhalten Hinweise dafür sein, dass eine hohe psychische Spannung herrsche. Dies führe dann auch oft zu sozialen Konflikten, was wiederum Nahrung für die Ängste sei und die Spannung noch größer werden lasse: "So kommt man schnell in einen Teufelskreis", sagt Günther-Haug.
Auch kognitiv seien die Patienten stark durch die Angst beeinträchtigt und kämen immer nur auf negative Gedanken: "Wenn ein gutes Essen auf dem Tisch steht und es die einen genießen, denkt der Betroffene dann vielleicht: ,Ich messe lieber gleich, nicht dass ich nachher von dem Cholesterin Bluthochdruck kriege und das nicht merke, dann bin ich heute Abend vielleicht schon tot.'" Durch dieses Verhalten könne es passieren, dass die schönen Momente im Leben für die Betroffenen immer mehr untergingen, wodurch die Spannung wieder weiter wachse.
Mit ihrem Buch "Und wenn es doch etwas Schlimmes ist?" möchte Barbara Günther-Haug Betroffenen helfen, ihre Angst zu verstehen und zu überwinden. Der Ratgeber sei dabei vor allem für Personen mit kleinen Ängsten geschrieben: "Es ist für Menschen, die sich davor sorgen, was ihnen oder ihren Angehörigen passieren könnte." Das falle nicht gleich in den psychiatrischen Diagnosekatalog, aber "eine latente Krankheitsangst kann einem schon den Tag vermiesen". Obwohl sich das Buch hauptsächlich mit Krankheitsangst beschäftigt, können die enthaltenen Ratschläge auch bei anderen Ängsten helfen.
Laut Günther-Haug können sich Krankheitsängste grundsätzlich bei jedem entwickeln: "Unsere Veranlagung muss man sich vorstellen wie einen Wiesenboden, in dem viele Keime schlummern, darunter auch Angstkeime. Etwas Angst ist immer vorhanden. Aber wenn genau dort der Dünger draufkommt, dann sprießt das." Ein solcher Dünger wäre beispielsweise ein traumatisches Erlebnis wie ein lebensveränderndes Ereignis oder ein schwerer Krankheitsfall in der Familie: "Ein Gehirn kann nicht nur Schaden nehmen, indem man mit dem Hammer draufhaut, sondern schwere Erschütterungen seelischer Art zerschießen unsere Hirnchemie in einer Weise, dass es unter Umständen Wochen oder länger dauern kann, bis es sich wieder beruhigt. Und dabei kann es auch leicht zu Komplikationen kommen." Aber auch ohne ein Trauma könne eine Angststörung entstehen.
Die Neigung zu erhöhter Angst sei häufig erblich bedingt: "Sehr oft findet man bei den Betroffenen mindestens einen Elternteil der auch eine krankheitswertige Angststörung hatte." In so einem Fall spiele dann die Vorbildfunktion eine große Rolle. Entscheidend sei, wie die Eltern mit den Herausforderungen der Kinder umgingen: "Die ersten Herausforderungen kommen vielleicht im Kindergarten: Man kriegt eins mit der Schaufel über den Kopf und bekommt Angst. Dann ist die Frage, wie die Eltern damit umgehen." Wichtig sei es, das Problem zwar ernst zu nehmen, aber auch keinen Weltuntergang darin zu sehen, denn diese Einstellung gebe man weiter an das Kind: "Kinder von ängstlichen Eltern brechen sich seltener die Beine, weil sie nicht auf Bäume klettern dürfen. Sie sehen die Welt aber auch nicht von oben und können ihr Selbstbewusstsein nicht trainieren."
Aber auch Erwachsene, die bei sich selbst überdurchschnittliche Ängste feststellen, können noch etwas dagegen tun, weiß Günther-Haug. Wichtig sei allerdings, so früh wie möglich zu reagieren, ähnlich wie bei einer Verletzung: "Also angenommen, man hat sich eine Wunde am Bein zugezogen. Dann würde man diese erstmal sauber machen, Jod verwenden und dann ein Pflaster darauf machen. Und wenn man das gut macht, dann wird es nicht eitern, und ich muss nicht zum Chirurgen." Da bei Ängsten allerdings anders als bei einer Wunde nicht klar ersichtlich sei, was helfe, wolle sie mit ihrem Buch Tipps zur Selbsthilfe geben.
Ein erster wichtiger Schritt gegen die Angst sei es, sich in ungefährlichen Situationen immer mal wieder zu überwinden und kleine Wagnisse einzugehen: "Wenn man vermeidet, dann verlernt man oder lernt zumindest nicht dazu." Außerdem sei übermäßige Angst letztlich hinderlich: "Wir müssen lernen, mit gewissen Risiken umzugehen, denn das Leben hat seine kritischen Seiten. Aber ein klarer Kopf wird immer besser durchs Leben kommen als einer, der ständig von Ängsten besessen ist."
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[...] "Erst durch die Lektüre ihres Ratgebers habe ich gemerkt, dass meine Ängste nicht nur eine alberne Marotte sind. Ein kluger Ratgeber über Krankheitsängste, woher sie kommen, was sie auslöst und wie man sie mit einfachen Mittel in den Griff bekommen kann." Freundin, 05/2022