Wer sind Hacker? Wie arbeiten sie? Was treibt sie an? Spätestens seit den spektakulären Enthüllungen von WikiLeaks rückt eine Gruppe von Menschen in das weltweite Interesse, die ansonsten nur im Verborgenen agiert: Der Computer-Untergrund.
Underground ist eine Geschichte von Illegalität und Besessenheit, von Triumphen und Niederlagen und gibt erstaunliche Einblicke in die Geheimnisse und das politische Selbstverständnis der frühen Hacker-Szene, aus der Wikileaks hervorging. Julian Assange, der die Recherche und die technischen Details beitrug, und Suelette Dreyfus arbeiteten drei Jahre an diesem 600 Seiten umfassenden Buch, das zuerst 1997 in Australien erschien. Sie flogen um die ganze Welt, um die Hacker zu treffen, die ihnen bereitwillig, aber teilweise unter den eigentümlichsten Umständen Auskunft erteilten und schrieben die ineinander verwobenen Geschichten auf wie einen Roman.
Underground ist eine Geschichte von Illegalität und Besessenheit, von Triumphen und Niederlagen und gibt erstaunliche Einblicke in die Geheimnisse und das politische Selbstverständnis der frühen Hacker-Szene, aus der Wikileaks hervorging. Julian Assange, der die Recherche und die technischen Details beitrug, und Suelette Dreyfus arbeiteten drei Jahre an diesem 600 Seiten umfassenden Buch, das zuerst 1997 in Australien erschien. Sie flogen um die ganze Welt, um die Hacker zu treffen, die ihnen bereitwillig, aber teilweise unter den eigentümlichsten Umständen Auskunft erteilten und schrieben die ineinander verwobenen Geschichten auf wie einen Roman.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.03.2011Auf Verherrlichung programmiert
Wie funktioniert der Mastermind des Datenklaus, Julian Assange? Kurz bevor seine autorisierte Biographie erscheint, soll ein Roman die historische Bedeutung des Wikileaks-Gründers erweisen. Ein Projekt mit Tücken.
Der Hacker ist als Held von Sachbüchern und Fiction eine schillernde Figur. Zuerst wurden die digitalen Eindringlinge heroisiert, wie 1981 in dem Hacker-Buch von Werner Heine mit dem vollmundigen Untertitel: "Von der Lust, in fremden Netzen zu wildern". Dann wurden sie zum kriminalistischen Gegenstand, etwa im 1989 erschienenen Buch "Kuckucksei" des amerikanischen Systemadministrators Clifford Stoll, der deutsche Hacker jagte, die ihr Material an den KGB verkauften. Darauf folgten von 1991 an Bücher über Hacker als staatsbedrohende "Cyberpunks". Als 1997 das Hacker-Buch "Underground" erschien, hieß es allerdings nur lapidar in einer deutschen Computerzeitung: "Down under: von Australien ist selten die Rede, wenn es darum geht, wie Hacker sich Zugang zu verbotenen Rechnersystemen verschaffen. Suelette Dreyfus hat hier Abhilfe geschaffen."
Nun erscheint "Underground" in deutscher Übersetzung, komplett mit neuem Vor- und Nachwort. Hinter dem Hackernamen Mendax verbirgt sich die Geschichte vom jungen Julian Assange, der als Kopf der Enthüllungsplattform Wikileaks das internationale Interesse auf sich zog. "Underground" ist nicht nur eine Geschichte über Assange, sondern eine von Assange: Als Rechercheur trug der Datensammler in den Jahren 1993 bis 1996 das Material zusammen, aus dem Suelette Dreyfus ihre Romanhandlung entwickelte. Ein Kapitel über die Probleme der Recherche im Hacker-Untergrund schrieb Assange sogar höchstselbst.
Die Versuchung ist groß, in diesem Frühwerk des Zuträgers Assange die Motive zu suchen, die zehn Jahre später zum Start des Wikileaks-Projektes führten. Und genau dieser Versuchung ist Dreyfus erlegen. Vor- und Nachwort überhöhen die Bedeutung von Assange und verklären den Australier zur Lichtgestalt, zum Rebellen, der früh gegen das System und seine Rechner opponierte. So wird der australische Polizeiermittler Ken Day, der Assange und seine Hackertruppe verfolgte, unversehens zum Fürsprecher von Wikileaks umgemodelt. Day, der mittlerweile als IT-Sicherheitsberater arbeitet, hatte dem Fernsehsender Al Dschazira im Juni 2010 lediglich ein Interview gegeben, in dem er die Veröffentlichung von Dokumenten durch Whistleblower als Methode begrüßte, Regierungen zu politischer Transparenz zu zwingen. Die Verklärung Assanges wird besonders deutlich, wenn Dreyfus die Einbrüche in fremde Rechnersysteme als Form ungewöhnlicher Kreativität darstellt, die sich mit der Gründung von Wikileaks fortsetze: "Das von Wikileaks veröffentlichte Material hat gezeigt, dass viele Unternehmen und Regierungen haargenau so verstohlen und selbstsüchtig agieren wie die Hacker, über die sie in den neunziger Jahren in den Gerichtssälen von London bis New York so herzogen." Das Kernstück des Buchs, der Hacker-Roman von Dreyfus aus dem Jahre 1997, wurde unverändert übernommen und ist spannend zu lesen. Die Übersetzung kommt aber ausgerechnet beim Höhepunkt der Erzählung ins Straucheln. Da wird der Hacker Mendax alias Assange von einem Systemadministrator entdeckt und gibt sich, einen klassischen Science-Fiction-Topos zitierend, als Computer mit Bewusstsein aus. "Ich bin mir meiner bewusst geworden!", heißt es im Original. Die Übertragung menschelt falsch mit "Ich kann fühlen".
Wir wissen nicht, ob sich dieser Dialog wirklich so zugetragen hat oder von Assange herbeigeschrieben wurde. Anders sieht es bei vielen Einzelheiten aus, die der Roman beschreibt. So ist der WANK-Virus ("Worms Against Nuclear Killers"), mit dem die Erzählung beginnt, mittlerweile gut erforscht. Er ist bei weitem nicht so bedrohlich gewesen, wie ihn das Buch darstellt. Ähnlich sieht es mit der im Roman beschriebenen Infiltrierung des deutschen Mobilfunksystems aus, den der Chaos Computer Club in seiner Vereinszeitschrift "Datenschleuder" bereits 1996 analysierte. Auch ist das Gros der Gerichtsakten der Prozesse gegen die australischen Hacker mittlerweile veröffentlicht. Sie liefern ein gutes Bild, warum die Jugendlichen nahezu ungeschoren aus dem Untergrund entkommen und als IT-Spezialisten arbeiten konnten. Das betrifft auch Assange, der danach als Systembetreuer und Programmierer arbeiten konnte. 1996 rief er in Melbourne die Computerszene dazu auf, gegen die Scientologen zu demonstrieren und ihre Geheimliteratur zu veröffentlichen: "Der Präzedenzfall, den die Kirche mit dem Verbot der Veröffentlichung setzt, ist die Waffe der unternehmerischen Tyrannei von morgen." Wikileaks lässt grüßen.
Eine kritische Neuausgabe von "Underground" hätte mit der Überprüfung aller Fakten jedes Maß gesprengt und das Marketing beschädigt. Parallel zur deutschen Übersetzung erscheint weltweit die autorisierte Biographie von Julian Assange, für die der Australier vorab ein Millionen-Honorar kassierte.
DETLEF BORCHERS
Suelette Dreyfus, Julian Assange: "Underground". Tatsachenroman.
Aus dem Englischen von Steffen Jacobs u. a. Haffmanns & Tolkemitt, Hamburg 2011. 620 S., geb., 24,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wie funktioniert der Mastermind des Datenklaus, Julian Assange? Kurz bevor seine autorisierte Biographie erscheint, soll ein Roman die historische Bedeutung des Wikileaks-Gründers erweisen. Ein Projekt mit Tücken.
Der Hacker ist als Held von Sachbüchern und Fiction eine schillernde Figur. Zuerst wurden die digitalen Eindringlinge heroisiert, wie 1981 in dem Hacker-Buch von Werner Heine mit dem vollmundigen Untertitel: "Von der Lust, in fremden Netzen zu wildern". Dann wurden sie zum kriminalistischen Gegenstand, etwa im 1989 erschienenen Buch "Kuckucksei" des amerikanischen Systemadministrators Clifford Stoll, der deutsche Hacker jagte, die ihr Material an den KGB verkauften. Darauf folgten von 1991 an Bücher über Hacker als staatsbedrohende "Cyberpunks". Als 1997 das Hacker-Buch "Underground" erschien, hieß es allerdings nur lapidar in einer deutschen Computerzeitung: "Down under: von Australien ist selten die Rede, wenn es darum geht, wie Hacker sich Zugang zu verbotenen Rechnersystemen verschaffen. Suelette Dreyfus hat hier Abhilfe geschaffen."
Nun erscheint "Underground" in deutscher Übersetzung, komplett mit neuem Vor- und Nachwort. Hinter dem Hackernamen Mendax verbirgt sich die Geschichte vom jungen Julian Assange, der als Kopf der Enthüllungsplattform Wikileaks das internationale Interesse auf sich zog. "Underground" ist nicht nur eine Geschichte über Assange, sondern eine von Assange: Als Rechercheur trug der Datensammler in den Jahren 1993 bis 1996 das Material zusammen, aus dem Suelette Dreyfus ihre Romanhandlung entwickelte. Ein Kapitel über die Probleme der Recherche im Hacker-Untergrund schrieb Assange sogar höchstselbst.
Die Versuchung ist groß, in diesem Frühwerk des Zuträgers Assange die Motive zu suchen, die zehn Jahre später zum Start des Wikileaks-Projektes führten. Und genau dieser Versuchung ist Dreyfus erlegen. Vor- und Nachwort überhöhen die Bedeutung von Assange und verklären den Australier zur Lichtgestalt, zum Rebellen, der früh gegen das System und seine Rechner opponierte. So wird der australische Polizeiermittler Ken Day, der Assange und seine Hackertruppe verfolgte, unversehens zum Fürsprecher von Wikileaks umgemodelt. Day, der mittlerweile als IT-Sicherheitsberater arbeitet, hatte dem Fernsehsender Al Dschazira im Juni 2010 lediglich ein Interview gegeben, in dem er die Veröffentlichung von Dokumenten durch Whistleblower als Methode begrüßte, Regierungen zu politischer Transparenz zu zwingen. Die Verklärung Assanges wird besonders deutlich, wenn Dreyfus die Einbrüche in fremde Rechnersysteme als Form ungewöhnlicher Kreativität darstellt, die sich mit der Gründung von Wikileaks fortsetze: "Das von Wikileaks veröffentlichte Material hat gezeigt, dass viele Unternehmen und Regierungen haargenau so verstohlen und selbstsüchtig agieren wie die Hacker, über die sie in den neunziger Jahren in den Gerichtssälen von London bis New York so herzogen." Das Kernstück des Buchs, der Hacker-Roman von Dreyfus aus dem Jahre 1997, wurde unverändert übernommen und ist spannend zu lesen. Die Übersetzung kommt aber ausgerechnet beim Höhepunkt der Erzählung ins Straucheln. Da wird der Hacker Mendax alias Assange von einem Systemadministrator entdeckt und gibt sich, einen klassischen Science-Fiction-Topos zitierend, als Computer mit Bewusstsein aus. "Ich bin mir meiner bewusst geworden!", heißt es im Original. Die Übertragung menschelt falsch mit "Ich kann fühlen".
Wir wissen nicht, ob sich dieser Dialog wirklich so zugetragen hat oder von Assange herbeigeschrieben wurde. Anders sieht es bei vielen Einzelheiten aus, die der Roman beschreibt. So ist der WANK-Virus ("Worms Against Nuclear Killers"), mit dem die Erzählung beginnt, mittlerweile gut erforscht. Er ist bei weitem nicht so bedrohlich gewesen, wie ihn das Buch darstellt. Ähnlich sieht es mit der im Roman beschriebenen Infiltrierung des deutschen Mobilfunksystems aus, den der Chaos Computer Club in seiner Vereinszeitschrift "Datenschleuder" bereits 1996 analysierte. Auch ist das Gros der Gerichtsakten der Prozesse gegen die australischen Hacker mittlerweile veröffentlicht. Sie liefern ein gutes Bild, warum die Jugendlichen nahezu ungeschoren aus dem Untergrund entkommen und als IT-Spezialisten arbeiten konnten. Das betrifft auch Assange, der danach als Systembetreuer und Programmierer arbeiten konnte. 1996 rief er in Melbourne die Computerszene dazu auf, gegen die Scientologen zu demonstrieren und ihre Geheimliteratur zu veröffentlichen: "Der Präzedenzfall, den die Kirche mit dem Verbot der Veröffentlichung setzt, ist die Waffe der unternehmerischen Tyrannei von morgen." Wikileaks lässt grüßen.
Eine kritische Neuausgabe von "Underground" hätte mit der Überprüfung aller Fakten jedes Maß gesprengt und das Marketing beschädigt. Parallel zur deutschen Übersetzung erscheint weltweit die autorisierte Biographie von Julian Assange, für die der Australier vorab ein Millionen-Honorar kassierte.
DETLEF BORCHERS
Suelette Dreyfus, Julian Assange: "Underground". Tatsachenroman.
Aus dem Englischen von Steffen Jacobs u. a. Haffmanns & Tolkemitt, Hamburg 2011. 620 S., geb., 24,90 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
Mit mäßigem Vergnügen hat Ijoma Mangold diesen Roman aus der Hacker-Jugend des Julian Assange gelesen, der nun, vierzehn Jahre nach seinem ersten Erscheinen im Original, auch auf den deutschen Markt kommt. Mitunter nervte den Rezensenten der bemühte Hardboiled-Ton, nicht immer war dieses 600-Seiten-Werk flüssig zu lesen, aber offenbar zeigte es ihm die australische Hackerszene so, wie er sie sich vorgestellt hat: als eine "fiebrig-euphorisch-paranoide Welt", in der ein ziemlich hoher Adrenalinlevel herrschte. Allerdings stört Mangold entsetzlich wie die Hacker sich an ihren Gefühlen von Machtvollkommenheit berauschen, in allem anderen, vornehmlich dem Establishment, nur illegitime Macht sehen. Keine Spur aber von dem Gedanken, dass auch ein Hack eine "putschistische Machtgeste" sein könnte. Naja, zuckt Mangold die Schultern, der Roman sei eben Wikileaks in "pubertärer Reinkultur".
© Perlentaucher Medien GmbH
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