Produktdetails
- Reclams Universal-Bibliothek 8902
- Verlag: Reclam, Ditzingen
- 1964
- Abmessung: 70mm x 97mm x 149mm
- Gewicht: 59g
- ISBN-13: 9783150089026
- ISBN-10: 3150089026
- Artikelnr.: 02345453
- Herstellerkennzeichnung Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.09.19971811
Friedrich de la Motte Fouqué "Undine"
Ach, sagt der Mann, als Undine noch einmal zu ihm kommt, ehe sie endgültig von ihm geht - er hat sie verraten, aber ganz von dieser Welt war das Wassermädchen ohnehin nicht (kein Grund zum Verrat das natürlich, oder doch?), und sie muß nun wieder hinab ins Kühle, ja Kalte -, ach, sagt er also, todtraurig nun doch, wie sie dann eben so werden, sentimental wie sie sind, und eingedenk doch auch der immer so unvergleichlichen und erinnert so wiederbegehrten Küsse, "ach, wenn ich sterben dürfte an einem Kusse von dir!" Er denkt sich, und er meint es auf seine Art ja auch ehrlich, mit dieser schönen Sentenz wär's getan. Doch bei denen im Wasser, diesen elementaren Wesen, sind Worte was andres, und sie sagt, "recht gern, mein Liebling" - wenn sie eine Seele hätte, wäre das bloß ein Wort wie das seine, jetzt klingt es nur noch so; denn die Seele hatte sie, als er sie liebend zu einem Menschen gemacht hatte, und sie hatte sie nur, solange sie liebten, jetzt hat er sie verraten, sie geht zurück, traurig wohl, es war schön, eine Seele zu haben und geliebt zu sein; aber dafür sind ihre Worte jetzt wieder ohne Hintersinn und Vorbehalt, und sie sagt also, "recht gern, mein Liebling", und umarmt ihn, und er stirbt. E. T. A. Hoffmann, den wir so gut kennen, daß wir ihn verstehn, hat aus Fouqués "Undine" eine Oper gemacht, 1816 wurde sie in Schinkels Dekorationen in Berlin aufgeführt, sie war ein Erfolg, aber nach einer schönen Reihe von Vorstellungen brannte bei der letzten das Opernhaus ab, und Hoffmann, den wir so gut zu kennen glaubten, stand in seiner Wohnung am Fenster (hätten wir das auch getan?) und schaute zu: eingeweihter wohl als Fouqué ins Bodenlose allen Beschwörens der Elemente, wenn sie dann in ihrer Wahrheit zutage treten; wen eben das Wasser noch nicht heilt, den muß das Feuer heilen, hätte Paracelsus gesagt. Denn Fouqué hatte vielleicht wirklich bloß ein liebes Märchen im Sinn, etwas zum Weinen darüber und daß wir freundlicher werden; und eben erst die Eingeweihteren, nach Hoffmann dann Edgar Allen Poe und Arno Schmidt und andre (der wilde Füssli hat "Undine" verwegen illustriert, sie hat so wenig an, daß es dich grausen kann), sie alle sahen ins Märchen hinein, was, wie sie jetzt merkten, in ihnen selber lauerte, und wir mögen sie deshalb ja, denn auch in uns lauert es nun so schön, abgründig, wie wir geworden sind, seit sie uns kennen, und wir uns endlich auch. Und nun ist Fouqués Seele, von der er noch gar nichts wußte, die unsre geworden, sosehr er sie vielleicht bei uns verkannt, verraten fühlen würde. Aber die Zeit ist kein Wasser, er kann nicht zurück. (Friedrich de la Motte Fouqué: "Undine". Reclam Verlag, Stuttgart 1983. 96 S., br., 4,- DM.) R.V.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Friedrich de la Motte Fouqué "Undine"
Ach, sagt der Mann, als Undine noch einmal zu ihm kommt, ehe sie endgültig von ihm geht - er hat sie verraten, aber ganz von dieser Welt war das Wassermädchen ohnehin nicht (kein Grund zum Verrat das natürlich, oder doch?), und sie muß nun wieder hinab ins Kühle, ja Kalte -, ach, sagt er also, todtraurig nun doch, wie sie dann eben so werden, sentimental wie sie sind, und eingedenk doch auch der immer so unvergleichlichen und erinnert so wiederbegehrten Küsse, "ach, wenn ich sterben dürfte an einem Kusse von dir!" Er denkt sich, und er meint es auf seine Art ja auch ehrlich, mit dieser schönen Sentenz wär's getan. Doch bei denen im Wasser, diesen elementaren Wesen, sind Worte was andres, und sie sagt, "recht gern, mein Liebling" - wenn sie eine Seele hätte, wäre das bloß ein Wort wie das seine, jetzt klingt es nur noch so; denn die Seele hatte sie, als er sie liebend zu einem Menschen gemacht hatte, und sie hatte sie nur, solange sie liebten, jetzt hat er sie verraten, sie geht zurück, traurig wohl, es war schön, eine Seele zu haben und geliebt zu sein; aber dafür sind ihre Worte jetzt wieder ohne Hintersinn und Vorbehalt, und sie sagt also, "recht gern, mein Liebling", und umarmt ihn, und er stirbt. E. T. A. Hoffmann, den wir so gut kennen, daß wir ihn verstehn, hat aus Fouqués "Undine" eine Oper gemacht, 1816 wurde sie in Schinkels Dekorationen in Berlin aufgeführt, sie war ein Erfolg, aber nach einer schönen Reihe von Vorstellungen brannte bei der letzten das Opernhaus ab, und Hoffmann, den wir so gut zu kennen glaubten, stand in seiner Wohnung am Fenster (hätten wir das auch getan?) und schaute zu: eingeweihter wohl als Fouqué ins Bodenlose allen Beschwörens der Elemente, wenn sie dann in ihrer Wahrheit zutage treten; wen eben das Wasser noch nicht heilt, den muß das Feuer heilen, hätte Paracelsus gesagt. Denn Fouqué hatte vielleicht wirklich bloß ein liebes Märchen im Sinn, etwas zum Weinen darüber und daß wir freundlicher werden; und eben erst die Eingeweihteren, nach Hoffmann dann Edgar Allen Poe und Arno Schmidt und andre (der wilde Füssli hat "Undine" verwegen illustriert, sie hat so wenig an, daß es dich grausen kann), sie alle sahen ins Märchen hinein, was, wie sie jetzt merkten, in ihnen selber lauerte, und wir mögen sie deshalb ja, denn auch in uns lauert es nun so schön, abgründig, wie wir geworden sind, seit sie uns kennen, und wir uns endlich auch. Und nun ist Fouqués Seele, von der er noch gar nichts wußte, die unsre geworden, sosehr er sie vielleicht bei uns verkannt, verraten fühlen würde. Aber die Zeit ist kein Wasser, er kann nicht zurück. (Friedrich de la Motte Fouqué: "Undine". Reclam Verlag, Stuttgart 1983. 96 S., br., 4,- DM.) R.V.
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