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Theodor Fontane war von 1860 bis 1870 Redakteur der Preußischen Zeitung, der sog. "Kreuzzeitung", in Berlin. Seine "unechten Korresponenzen", die er in großer Zahl für das konservative Blatt verfasst hat, spiegeln die politischen und gesellschaftlichen Ereignisse im Europa der Zeit. Den Stoff dazu entnahm er vorzugsweise lithographierten Berichten deutschsprachiger Korrespondenzbüros sowie in- und ausländischen Zeitungen, die er in Berlin las und so auswertete, als säße er am Ort des Ereignisses selbst. Berichtet hat er vor allem aus Großbritannien, gelegentlich auch aus anderen europäischen…mehr

Produktbeschreibung
Theodor Fontane war von 1860 bis 1870 Redakteur der Preußischen Zeitung, der sog. "Kreuzzeitung", in Berlin. Seine "unechten Korresponenzen", die er in großer Zahl für das konservative Blatt verfasst hat, spiegeln die politischen und gesellschaftlichen Ereignisse im Europa der Zeit. Den Stoff dazu entnahm er vorzugsweise lithographierten Berichten deutschsprachiger Korrespondenzbüros sowie in- und ausländischen Zeitungen, die er in Berlin las und so auswertete, als säße er am Ort des Ereignisses selbst. Berichtet hat er vor allem aus Großbritannien, gelegentlich auch aus anderen europäischen Ländern.

Die Forschung hat Fontanes Jahrzehnt bei der Kreuzzeitung lange vernachlässigt. Ursächlich dafür scheint außer der ungünstigen Quellenlage Fontanes Bemühen zu sein, diesen Lebensabschnitt aus seiner eher liberalen Alterssicht zu bagatellisieren. Seine Beiträge in der Kreuzzeitung zeigen dagegen deutlich, dass er zu jener Zeit ein überzeugter Konservativer war und insbesondere eine große innere Nähe zum Denken und Handeln Bismarcks hatte. So geben diese Korrespondenzen dem bisher diffusen Bild des Fontaneschen Konservatismus schärfere Konturen.

Die mit reichem Bildmaterial ausgestattete Edition der "unechten Korrespondenzen" gibt Anreiz zum Nachdenken über den politischen Zeitzeugen Theodor Fontane.

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Autorenporträt
Theodor Fontane (1819-98) ist der bedeutendste Erzähler des literarischen Realismus. Der gelernte Apotheker machte mit 30 Jahren das Schreiben zum Beruf, zunächst als Journalist und Theaterkritiker. Erst spät begann er erfolgreich Romane und Erzählungen zu schreiben. Seine Romane und Novellen, die vielfach verfilmt wurden, zählen zu den meistgelesenen Klassikern des 19. Jahrhunderts.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.10.1996

Abschreiben ist Knochenarbeit
Im Dienst der "Kreuzzeitung": Fontanes Berichte über England

Wäre Fontane schon im ersten Vierteljahrhundert nach seinem Tod so berühmt gewesen, wie er es heute ist, wo man bald seines hundertsten Todestages gedenken wird, hätte man wohl von früh an seinem Nachlaß die Sorgfalt angedeihen lassen, die ihm nun zuteil wird. Auch wäre das meiste von dem, was später verlorenging oder vernichtet wurde, bereits gedruckt und also über den Krieg hinweggerettet gewesen. Dennoch kam in den letzten Jahrzehnten mehr zutage, als nach Zerstreuung und Verlusten zu hoffen war. Glückliche Zufälle und die Zähigkeit der Forscher bescheren deshalb immer wieder Überraschungen. Und es bleibt nicht bei den kleineren Funden. So erschien im letzten Jahr, was von den Tagebüchern erhalten blieb.

Jetzt wird eine neue Schriften-Reihe mit der zweibändigen Sammlung der sogenannten unechten Korrespondenzen eröffnet. Dabei handelt es sich freilich nicht um verloren geglaubte Manuskripte, sondern um die Präsentation von Aufsätzen und Berichten, die Fontane ohne Verfassernamen von 1860 bis 1870 im Dienste der "Kreuzzeitung" geschrieben hat. Er war als Redakteur des erzkonservativen Blattes für den Gesamtbereich Großbritannien, also auch die weltweiten britischen Kolonien, zuständig, hatte aber außerdem noch die skandinavischen Länder, das unter preußischer Verwaltung stehende polnische Gebiet und die Ostseeprovinzen zu betreuen. Wie die meisten Journale hatte auch die "Kreuzzeitung" keine eigenen Korrespondenten vor Ort. Man behalf sich mit Beiträgen, die in der Redaktion hergestellt, aber den Lesern wie originale Berichte aus den fremden Ländern dargeboten wurden. Das Material lieferten vor allem die ausländischen Blätter selbst, aus denen noch mehr abgeschrieben als zitiert wurde.

Fontane hat später in seiner Autobiographie "Von Zwanzig bis Dreißig" den Unterschied zwischen echten und unechten Korrespondenzen für gering erklärt, vorausgesetzt, man kenne Sprache, Land und Leute, was bei ihm ja durch die der Redaktionszeit vorangegangenen Aufenthalte in England der Fall war. "Man nimmt seine Weisheit aus der ,Times' oder dem ,Standard' etc. und es bedeutet dabei wenig, ob man den Reproduktionsprozeß in Hamstead-Highgate oder in Steglitz-Friedenau vornimmt." Es komme auf die sehr guten Augen und auf das Schreibtalent an.

In der bescheiden als Einführung deklarierten Abhandlung geht die Herausgeberin der Frage nach, warum Fontane später seine Tätigkeit bei der "Kreuzzeitung" heruntergespielt hat, und sie weist darauf hin, daß diese Retuschen bis in die Forschung unserer Tage hineingewirkt hätten. Allzu bereitwillig übernahm man das Bild, das der alte Fontane in seiner oft grimmigen Skepsis gegenüber dem versteiften Konservativismus des neuen Preußentums von seiner eigenen Entwicklung gezeichnet und wobei er sein Kreuzzeitungs-Jahrzehnt verwischt hatte. So wurde selbst noch unbefragt übernommen, wie Fontane allein schon den Umfang seiner Redaktionsarbeit dargestellt hat, um ihr einen möglichst harmlosen Anstrich zu geben. Hat er doch in Wahrheit nicht, mit manchmal "nur ein paar Zeilen", seine Stunden abgesessen, sondern tagtäglich harte Knochenarbeit geleistet. Zwar tat er es vor allem, weil er es um des Broterwerbs willen tun mußte, aber was er in der "Tretmühle" schrieb, widersprach wenigstens nicht seiner damaligen politischen Überzeugung.

Der Wandel des einstigen Parteigängers der Revolution von 1848 hat schon die Jugendfreunde befremdet. Den Nachgeborenen, die auch noch nicht die sozialkritischen und gelegentlich radikalen Ansichten kennen, die der alte Fontane, vor allem in seinen Briefen, äußerte, bereiten die Jahre bei der "Kreuzzeitung" Erklärungsschwierigkeiten. Es sei denn, sie gäben sich damit zufrieden, Fontane für einen gesinnungsschwachen Anpasser zu halten, dem man freilich nachsehen könne, daß ihm gar nichts anderes übrigblieb, als sich nach der Decke zu strecken.

Das Standardwerk über den frühen Fontane von Helmuth Nürnberger endet mit dem Jahr 1859. Die Herausgeberin der "Unechten Korrespondenzen" deutet an, wie Nürnbergers Forschungen um das folgende, so problematische Kapitel der Fontaneschen Biographie fortgeführt werden könnten. Die Suche soll dem "homo politicus" gelten, der nie aufgehört habe, persönliche Erfahrungen in den Dienst seiner inneren Entwicklung zu stellen. Der altpreußische Wertekanon, der sich den Kreuzzeitungs-Texten, vor allem der ersten Jahre, abnehmen läßt, entspricht danach wirklich Fontanes Überzeugung. So konnte er sich einfügen, ohne zur Selbstverleugnung gezwungen zu sein, wozu er sich ohnehin schlecht geeignet hätte. Schließlich war er kein Schofelinski, um das von ihm so manchem Zeitgenossen verpaßte Wort zu gebrauchen.

Er verharrte nicht allzulange bei diesem von ihm für eine Weile für echt gehaltenen Konservativismus. Noch fragwürdiger als die einseitige ideologische Vereinnahmung des "linken" Fontane wäre freilich, wollte heute jemand den Redakteur der schwierigen Übergangsjahre als Eideshelfer für neokonservative Strömungen unserer Tage in Anspruch nehmen. Daß liberal gebliebene Weggenossen ihn zur Rechtfertigung seiner Haltung nötigten, hat am Ende sein Bedürfnis nach Unabhängigkeit, die er für diesmal in der Verteidigung des Altüberkommenen sah, eher noch verstärkt. Dieses Bedürfnis war aber elementar genug, ihn auch in der reaktionären Atmosphäre beweglich zu halten. Es war nicht das letzte Risiko seines mit Mühsal beladenen Lebens. Die Summe seiner glücklich bestandenen Risiken hat sich schließlich als die Rettung seines Genies erwiesen - und der Welt Romane beschert, wie sie nur einem Talent gelingen können, bei dem die epische Gerechtigkeit den weltanschaulichen Eifer zügelt.

"Verantwortungsvolle Ungebundenheit" hat Thomas Mann 1910 in seinem Essay über den alten Fontane die politische Haltung des "unsicheren Kantonisten" genannt. Auf diese häufig zitierte Formel hätte sich die Herausgeberin zu Recht berufen dürfen bei ihrem Versuch, auch die Kreuzzeitungs-Tätigkeit zu rechtfertigen: "Im Jahre 1870 waren alle seine Romane noch ungeschrieben. Und doch erscheinen sie uns rückblickend bis in Einzelheiten hinein schon in der Erfahrungswelt der sechziger Jahre angelegt." Der Romancier sei ohne den politischen Redakteur nicht denkbar. Die "unechten Korrespondenzen" im Detail für das Verständnis des späteren erzählerischen Werkes auszuwerten bleibt freilich eine diffizile, von der Gefahr der Überinterpretation kontinuierlich begleitete Aufgabe der Forschung. Den anderen Lesern bieten die beiden Bände einen höchst abwechslungsreichen Panorama-Ausschnitt des neunzehnten Jahrhunderts, der, wenn schon nicht mit den Augen Fontanes, so doch ein wenig durch seine Brille angeschaut werden kann. ECKHARD HEFTRICH

Theodor Fontane: "Unechte Korrespondenzen". Band 1: 1860 - 1865; Band 2: 1866 - 1870. Hrsg. von Heide Streiter-Buscher. (Schriften der Theodor Fontane Gesellschaft, Band 1.) Verlag Walter de Gruyter, Berlin/New York 1996. Zus. 1277 S., 160 Abb., geb. 168,- DM.

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