Beängstigende Thematik
„Unendlicher Friede“ von Edward Poniewaz ist ein packender Psychothriller, der stellenweise nicht für empfindliche Gemüter geeignet ist.
Kurz zum Inhalt:
Der Psychologe Dr. Stefan Heimer wird von einer jungen schwangeren Frau kontaktiert, die auf Verlangen des Mannes
abtreiben soll, weil er die fixe Idee hat, am Tag der Geburt seines Kindes sterben zu müssen. Dr.…mehrBeängstigende Thematik
„Unendlicher Friede“ von Edward Poniewaz ist ein packender Psychothriller, der stellenweise nicht für empfindliche Gemüter geeignet ist.
Kurz zum Inhalt:
Der Psychologe Dr. Stefan Heimer wird von einer jungen schwangeren Frau kontaktiert, die auf Verlangen des Mannes abtreiben soll, weil er die fixe Idee hat, am Tag der Geburt seines Kindes sterben zu müssen. Dr. Heimer gerät beim Versuch, seiner Patientin zu helfen, nicht nur in einen Strudel von undurchschaubaren Verschwörungen, sondern sogar in tödliche Gefahr.
Das Cover mit der romantischen Abendstimmung wirkt auf den ersten Blick anheimelnd, doch das Bild ist von unzähligen Sprüngen überzogen, wie dünnes Eis auf einer Wasserfläche. Denn die Stimmung trügt: Wer sich aufs Eis wagt, droht einzubrechen. Symbolhaft für die Situation des Protagonisten. Irgendwie wagt er sich auch auf sehr, sehr dünnes Eis …
Das Buch erschien 2024. Die kurz gehaltenen Kapitel verfügen weder über Orts- noch Zeitangaben, was beides durchaus begrüßenswert wäre, insbesondere lässt sich die Chronologie schwer nachvollziehen, vor allem auch bei Perspektivenwechsel. Die Handlung spielt in der Gegenwart. Schauplatz ist vorwiegend die Schweiz.
Der Schreibstil ist flüssig, bildhaft, detailreich. Die Handlung ist durch stetige Perspektiven- und Ortswechsel abwechslungsreich und lebendig gestaltet, stellenweise jedoch zu sehr gestrafft. Cliffhanger steigern durchaus die Spannung, allerdings irritierten mich nicht ausreichend erklärte Situationen, wie z.B. von wem und warum jemand entführt wurde, wie und wann die Person wieder frei kam; dies bleibt der Fantasie des Lesers überlassen.
Die Kernthematik des Buches, nämlich die Manipulation des Gedächtnisses, das Verändern von Erinnerungen ist natürlich (noch?) Fiktion, aber dennoch im Zeitalter von KI durchaus beängstigend. Im Übrigen seien eher zart besaitete Leser vorgewarnt. Das Buch enthält einige brutale und verstörende Szenen. Die Handlung ist spannend aufgebaut, vieles ist und bleibt undurchsichtig, man kann oft nicht mehr erkennen, wer die Wahrheit sagt und wer lügt, wer auf Dr. Heimers Seite ist und wer seine Gegner sind. Immer wieder ergeben sich unerwartete Wendungen. Und letztlich ist auch das Ende überraschend und gewissermaßen offen. Es schreit regelrecht nach einer Fortsetzung, macht neugierig auf die weiteren Ereignisse, darauf, wie das Leben von Dr. Heimer weitergeht.
Es ist reichlich psychologisches Fachwissen in die Handlung mit hinein verwoben, ohne zu wissenschaftlich und für Laien unverständlich zu werden, gut dosiert und Interesse weckend. Alles wirkt seriös recherchiert, irgendwo verschwimmen dann die Grenzen vom Realen zum Fiktiven. Ich habe mich immer wieder gefragt, was davon tatsächlich machbar ist/wäre.
Was die Charaktere anbelangt, so hatte ich mit dem Protagonisten Dr. Heimer so meine Probleme. Er war mir von Beginn an sympathisch. Er wirkte seriös, ehrlich und anständig, von hehren Ambitionen beseelt, doch als er diese besondere Patientin kennenlernt, geht seine Professionalität irgendwie verloren. Und für mich seine Glaubwürdigkeit. Er ist über 30 und renommierter Psychologe. Trotzdem lässt er plötzlich sein vorheriges Leben hinter sich, ohne Rücksicht auf Verluste. Er überlässt die gut gehende Praxis seinem Kompagnon. Er agiert wie fremdbestimmt, ist schwer verliebt in seine Patientin und reist ihr hinterher, weil sie seiner Meinung nach in Not ist und seiner Hilfe bedarf. Erstaunlicherweise ist er hart im Nehmen. Er ist wahrlich kein Held-Typ, wächst aber auch körperlich durch die Aufgabe über sich hinaus.
Die anderen handelnden Personen sind durchaus gut vorstellbar und facettenreich gezeichnet, sie zeigen positive und negative Wesenszüge und sind oft nicht durchschaubar.
„Unendlicher Friede“ ist ein packender Thriller, mit einer Thematik, die nachdenklich stimmt. Wer kann denn erahnen, was in Zukunft nicht alles möglich sein könnte!? Das Buch hat mir im Großen und Ganzen gefallen. Nun bin ich gespannt, wie sich die Story weiterentwickeln wird.