»Banville überrascht erneut mit wohldosiertem Übermaß.« Seamus Heaney
Ein langer Sommertag in einem Herrenhaus in Irland: Adam Godley liegt im Sterben, Grund genug für seinen Sohn Adam jun. und seine Tochter Petra, Ressentiments über Bord zu werfen und ihren Vater und ihre erheblich jüngere Mutter Ursula noch einmal zu besuchen. Was die Godleys nicht wissen: Ihr Familientreffen wird von den Göttern beobachtet, die sich nicht scheuen, korrigierend und bisweilen boshaft einzugreifen.
Adam Godley, ein bekannter Mathematiker, der sich mit dem Konzept der Unendlichkeit einen Namen gemacht hat, scheint am Ende seines Lebens angekommen zu sein. Während er stumm und dennoch wach in seinem Bett liegt, treffen seine Kinder ein, um ihn noch einmal zu sehen. Da ist sein Sohn Adam, der ihm nie das Wasser reichen konnte und bis heute an der Ablehnung durch seinen Vater leidet, sowie die unglückliche und verstörte Tochter Petra, die die Namen von Krankheiten sammelt, um darauseinen Almanach zu erstellen. Erzählt wird der Roman von niemand Geringerem als Hermes, doch auch Zeus und Pan sind mit von der Partie. Sie lassen es sich nicht nehmen, in das Leben der Sterblichen einzugreifen, mal unterstützend, mal verwirrend und spöttisch.John Banville hat einen Roman geschrieben, in dem lyrische Passagen auf profane treffen und die Götter auf die Menschen. Ein tiefer Einblick in die Schwächen des menschlichen Daseins.
»Der Roman enthält alle Markenzeichen, die Banville groß gemacht haben - präzise Sprache, flüssige Erzählweise und einen hintergründigen Humor.« (Sunday Times)
»Sein bestes Buch« (Colum McCann)
Ein langer Sommertag in einem Herrenhaus in Irland: Adam Godley liegt im Sterben, Grund genug für seinen Sohn Adam jun. und seine Tochter Petra, Ressentiments über Bord zu werfen und ihren Vater und ihre erheblich jüngere Mutter Ursula noch einmal zu besuchen. Was die Godleys nicht wissen: Ihr Familientreffen wird von den Göttern beobachtet, die sich nicht scheuen, korrigierend und bisweilen boshaft einzugreifen.
Adam Godley, ein bekannter Mathematiker, der sich mit dem Konzept der Unendlichkeit einen Namen gemacht hat, scheint am Ende seines Lebens angekommen zu sein. Während er stumm und dennoch wach in seinem Bett liegt, treffen seine Kinder ein, um ihn noch einmal zu sehen. Da ist sein Sohn Adam, der ihm nie das Wasser reichen konnte und bis heute an der Ablehnung durch seinen Vater leidet, sowie die unglückliche und verstörte Tochter Petra, die die Namen von Krankheiten sammelt, um darauseinen Almanach zu erstellen. Erzählt wird der Roman von niemand Geringerem als Hermes, doch auch Zeus und Pan sind mit von der Partie. Sie lassen es sich nicht nehmen, in das Leben der Sterblichen einzugreifen, mal unterstützend, mal verwirrend und spöttisch.John Banville hat einen Roman geschrieben, in dem lyrische Passagen auf profane treffen und die Götter auf die Menschen. Ein tiefer Einblick in die Schwächen des menschlichen Daseins.
»Der Roman enthält alle Markenzeichen, die Banville groß gemacht haben - präzise Sprache, flüssige Erzählweise und einen hintergründigen Humor.« (Sunday Times)
»Sein bestes Buch« (Colum McCann)
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.03.2012Tausche Geschichte gegen Ewigkeit
Alles Leben vor dem Tod: John Banville lässt die Götter im Roman "Unendlichkeiten" ein großes Spiel mit den Sterblichen treiben.
Von Christian Geyer
Die Götter sind in John Banvilles Roman "Unendlichkeiten" zwar quicklebendig, aber stark heruntergekommen. Sie mischen beim Treiben der Erdbewohner mit, glauben aber nicht daran, dass Erkenntnis frei macht, und fürchten die Wahrheit wie der Teufel das Weihwasser.
Man liest das und denkt: Es ist misslich, wenn die Götter zu Relativisten werden. Allein ihre Robustheit als Götter lässt sie in diesem Roman die Wahrheit aushalten, an der die Menschen zugrunde gehen. So empfiehlt auch Hermes, die Erzählerstimme, nichts anderes als das nietzscheanische Als-ob, wenn er erklärt: "Gerade die Unfähigkeit der Sterblichen, sich die Dinge so vorzustellen, wie sie wirklich sind, ist es ja, die ihnen überhaupt erst erlaubt zu leben, würde doch ein einziger unverstellter Blick auf die Totalität der Welt sie augenblicklich vernichten, ganz so, als wehte sie ein Schwaden tödlichsten Faulschlammgases an." Daraus spricht nicht der Erkenntnisoptimismus des absoluten Geistes, an dem teilzuhaben die Menschen aufgerufen wären, sondern tiefer Defätismus. Banvilles Götter sind durch Schaden klug - und skeptisch geworden.
Man kann sich den Bruch mit der mythologischen Überlieferung, den der nur vom Hund Rex erkannte Hermes hier verkörpert, nicht tief genug vorstellen. In den antiken Philosophenschulen, bei den Epikureern, den Stoikern und den Kynikern, herrschte Einigkeit, dass man die Perspektive des Alls einzunehmen hat, den Blick von oben, um die Dinge in ihren richtigen Proportionen zu sehen. Man nahm damit teil am Blick der Götter selbst, den sie, unbeteiligt am Weltgeschehen, in ihrer ewigen heiteren Gelassenheit auf die Unendlichkeit des Raumes, der Zeit und der Welten werfen. Und nun dieses erkenntnistheoretische Desaster, dass der Blick auf die Totalität nicht therapiert, sondern krank macht, vernichtet - jedenfalls die Menschen, die nicht über die Widerstandskraft der Götter verfügen: "Wir sehen", sagt Hermes, "all dies jeden Moment in seiner ganzen Schrecklichkeit, doch uns ficht es nicht an; das eben ist's, was uns zu Göttern macht." Es ist nicht so, dass die Götter mit ihrem Durchblick die Welt im Sein erhalten. Sondern sie finden Strategien, um trotz ihres Durchblicks zu überleben. Das ist ein Unterschied, der in dem "reinen Roman", als welchen Banville die "Unendlichkeiten" begreift, den Unterschied macht. Menschen bleiben, so legt uns der große irische Erzähler nahe, auf den Tod als Elixier des Lebens angewiesen.
Warum Roman in Reinkultur? Weil hier ein Erzähler schalten und walten kann wie ein Gott, Welten aus dem Nichts der Phantasie erschafft und sie wieder in dieses Nichts zurücksinken lässt, sobald er aufhört, ihnen seine Stimme, die Stimme des Hermes, zu leihen. Die Handlung, vorderhand streng nach der Einheit von Ort und Zeit erzählt, spielt sich an einem einzigen Tag in einem einzigen Haus ab, entgleist aber lustspielartig immer wieder in Slapstickszenen und luftiger Götterdramaturgie. Der alte Adam Godley liegt nach einem Schlaganfall im Sterben, die Familie (Frau Ursula, Sohn Adam, Tochter Petra) eilt herbei. Als Mathematiker war Godley mit seinem Konzept der Unendlichkeit zu Ruhm gelangt, das nun, im Zwischenreich von Leben und Sterben, die Probe aufs Exempel besteht. Banville zufolge ist diese mathematische Theorie der Unendlichkeiten eine Luftnummer, die sich wissenschaftlicher Darlegung entzieht. Jedenfalls soll mit ihr die Antithese zu Plancks "Relativitätsschwindel" formuliert werden: In der sogenannten "Brahmahypothese" lässt Godley die gesamte Schöpfung aus dem zerlaufenen Dotter vom goldenen Brahma-Ei entstehen.
Immerhin ermöglicht diese wüste mathematische Theorie ein Ineinander von Natur und Übernatur, wie wir es aus dem klassischen Drama kennen. Hier dergestalt, dass Zeus und Hermes ungehinderten Zugang zum Himmelszimmer genannten Sterbezimmer Godleys erhalten und den mythologischen Kern des Romans zur Entfaltung bringen können: die Variation von Kleists "Amphitryon". Die Geschichte von Jupiter, der in Gestalt des thebanischen Feldherrn Amphitryon zur Erde kam, um eine Nacht mit dessen Gattin Alkmene zu verbringen, gehört in den Umkreis der Herakles-Mythen und hat mehrere literarische Anverwandlungen erlebt. Auch Banvilles Zeus wünscht, dass die schöne Helen, Gattin von Godleys Sohn Adam, zwischen (flammendem) Liebhaber und (erloschenem) Gemahl unterscheiden möge, als der Götterkönig in Gestalt des jungen Adam im Morgengrauen mit ihr schläft, ohne dass sie wüsste, wie ihr geschieht.
Dem sprachgewaltigen, mit sinnlicher Prosa brillierenden Banville gelingen dichte psychologische Beschreibungen. Der Schabernack der Götter führt zu einer eigenen Leichtigkeit inmitten der Schwere existentieller Fragestellungen. Beispielsweise wenn die diffuse Angst geschildert wird, die den jungen Adam vor dem Scheitern seiner Ehe mit Helen umtreibt. Dann kommt es zu glänzenden Passagen, die in ihrer Präzision und dem bildhaften Entschweben eine Traumwelt zu schildern scheinen: "Wieder ergreift die Angst von ihm Besitz, dass seine Ehe scheitern könnte. Es gibt nichts Konkretes, nichts, worauf er zeigen könnte, so wie die große rote Hand dort drüben, die zeigt, wo es zu den Klosetts geht, er hat bloß im Verlauf des letzten Jahres gemerkt, dass sein Leben mit Helen immer unverbindlicher geworden ist, immer mehr an Substanz verloren hat. Mitunter schaut ihn Helen an, als würde sie nicht wissen, wer er ist. Dann spürt er, wie er unter ihren Blicken schrumpft, wie einer, dem man nachschaut aus dem Zugfenster und der zurückbleibt auf dem Bahnsteig, wenn der Zug sich in Bewegung setzt, erst langsam und dann immer schneller."
Für Adam, der sich bei überhaupt gar nichts sicher sein kann, ist die größte Bedrohung, nichts mehr zu fürchten, an nichts mehr zu leiden, auf nichts mehr zu hoffen. Wie kann er sicherstellen, dass es ihm etwas ausmacht, zu schrumpfen und auf dem Bahnsteig zurückzubleiben? Festhalten wollen an jemandem, an etwas - wie das wohl geht? Das Koma, in dem der alte Godley liegt, bedroht auf die eine oder andere Weise alle Figuren des Romans. "Es ist, als schaute alles hier beiseite", heißt es in einer wunderbar poetischen Passage. Eine existentielle Erschöpfung liegt über der Szene und ihren Beteiligten. Über Petra, die einen Almanach aller bekannten Krankheiten erstellt. Über Ursula, die sich aus dem Schatten von Adams erster Frau nicht zu lösen vermag. Wie sich im Sein erhalten und nicht lautlos zurücksinken ins Nichts? So wird das Reich zwischen Leben und Tod, in dem sich der Vater organisch aufhält, zur Lebensform seiner Familie.
Doch was heißt Lebensform? Genauer handelt es sich um eine Form des Vegetierens, um eine intelligente Art des pflanzlichen Lebens, das vom Landsitz, in dem die Familie wegen des Vaters zusammenkommt, Besitz ergreift: "Was seinen derzeitigen Zustand anbelangt, so bezeichnet man diesen gemeinhin als Vegetieren. Und just das tut er, wenn wir dieses Wort in seiner alten, um nicht zu sagen archaischen Bedeutung nehmen, also im Sinne eines Ausgestattetseins mit pflanzlichem Leben. Aber kann eine Pflanze sehen, kann eine Pflanze hören, kann eine Pflanze - und das ist sicher das Entscheidende -, kann eine Pflanze denken?" Im Roman kann der Komapatient sehen, hören, denken, ohne dass es die Ärzte bemerken. Seine Angst ist entsprechend, dass man ihn voreilig begraben könnte. Die anderen kennen diese Angst als die Grundangst ihres eigenen Lebens: lebendig tot zu sein.
Schuld ist der Tod Gottes. Das ist die etwas hilflose Pointe dieses weltlich-theologischen Lustspiels, das in einer burlesken Apotheose des Lebens endet. Die Götter, die im Himmelszimmer rumfuhrwerken, sind nur Platzhalter für den "verblichenen Galiläer", wie Christus hier genannt wird. Sie ersetzen die Offenbarung des Heils durch Geschichten der Lebenskunst: "Wir bieten dir zwar keine Seelenrettung, aber auch keine Verdammnis: kein Leben nach dem Tode, in dem du dich bis in alle Ewigkeit langweilen sollst; keine Parusie, keinen Jüngsten Tag und keine Heimsuchung Gottes, kein himmlisches Königreich auf Erden; wahrhaftig nichts als Geschichten, tröstliche oder wenigstens tröstlich vernünftige Erzählungen davon, wie und warum die Dinge so sind, wie sie sind, und mit welchen Mitteln man sie ertragen oder bei Gelegenheit, sehr seltener Gelegenheit, sogar verändern kann." Bietet der Himmel also zum Vegetieren zu viel, zum Leben zu wenig? John Banvilles "Unendlichkeiten" sind eine Beschwörung der Geister, sich im Endlichen einzurichten, so gut es geht.
John Banville: "Unendlichkeiten". Roman.
Aus dem Englischen von Christa Schuenke. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2012. 318 S., geb., 19,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Alles Leben vor dem Tod: John Banville lässt die Götter im Roman "Unendlichkeiten" ein großes Spiel mit den Sterblichen treiben.
Von Christian Geyer
Die Götter sind in John Banvilles Roman "Unendlichkeiten" zwar quicklebendig, aber stark heruntergekommen. Sie mischen beim Treiben der Erdbewohner mit, glauben aber nicht daran, dass Erkenntnis frei macht, und fürchten die Wahrheit wie der Teufel das Weihwasser.
Man liest das und denkt: Es ist misslich, wenn die Götter zu Relativisten werden. Allein ihre Robustheit als Götter lässt sie in diesem Roman die Wahrheit aushalten, an der die Menschen zugrunde gehen. So empfiehlt auch Hermes, die Erzählerstimme, nichts anderes als das nietzscheanische Als-ob, wenn er erklärt: "Gerade die Unfähigkeit der Sterblichen, sich die Dinge so vorzustellen, wie sie wirklich sind, ist es ja, die ihnen überhaupt erst erlaubt zu leben, würde doch ein einziger unverstellter Blick auf die Totalität der Welt sie augenblicklich vernichten, ganz so, als wehte sie ein Schwaden tödlichsten Faulschlammgases an." Daraus spricht nicht der Erkenntnisoptimismus des absoluten Geistes, an dem teilzuhaben die Menschen aufgerufen wären, sondern tiefer Defätismus. Banvilles Götter sind durch Schaden klug - und skeptisch geworden.
Man kann sich den Bruch mit der mythologischen Überlieferung, den der nur vom Hund Rex erkannte Hermes hier verkörpert, nicht tief genug vorstellen. In den antiken Philosophenschulen, bei den Epikureern, den Stoikern und den Kynikern, herrschte Einigkeit, dass man die Perspektive des Alls einzunehmen hat, den Blick von oben, um die Dinge in ihren richtigen Proportionen zu sehen. Man nahm damit teil am Blick der Götter selbst, den sie, unbeteiligt am Weltgeschehen, in ihrer ewigen heiteren Gelassenheit auf die Unendlichkeit des Raumes, der Zeit und der Welten werfen. Und nun dieses erkenntnistheoretische Desaster, dass der Blick auf die Totalität nicht therapiert, sondern krank macht, vernichtet - jedenfalls die Menschen, die nicht über die Widerstandskraft der Götter verfügen: "Wir sehen", sagt Hermes, "all dies jeden Moment in seiner ganzen Schrecklichkeit, doch uns ficht es nicht an; das eben ist's, was uns zu Göttern macht." Es ist nicht so, dass die Götter mit ihrem Durchblick die Welt im Sein erhalten. Sondern sie finden Strategien, um trotz ihres Durchblicks zu überleben. Das ist ein Unterschied, der in dem "reinen Roman", als welchen Banville die "Unendlichkeiten" begreift, den Unterschied macht. Menschen bleiben, so legt uns der große irische Erzähler nahe, auf den Tod als Elixier des Lebens angewiesen.
Warum Roman in Reinkultur? Weil hier ein Erzähler schalten und walten kann wie ein Gott, Welten aus dem Nichts der Phantasie erschafft und sie wieder in dieses Nichts zurücksinken lässt, sobald er aufhört, ihnen seine Stimme, die Stimme des Hermes, zu leihen. Die Handlung, vorderhand streng nach der Einheit von Ort und Zeit erzählt, spielt sich an einem einzigen Tag in einem einzigen Haus ab, entgleist aber lustspielartig immer wieder in Slapstickszenen und luftiger Götterdramaturgie. Der alte Adam Godley liegt nach einem Schlaganfall im Sterben, die Familie (Frau Ursula, Sohn Adam, Tochter Petra) eilt herbei. Als Mathematiker war Godley mit seinem Konzept der Unendlichkeit zu Ruhm gelangt, das nun, im Zwischenreich von Leben und Sterben, die Probe aufs Exempel besteht. Banville zufolge ist diese mathematische Theorie der Unendlichkeiten eine Luftnummer, die sich wissenschaftlicher Darlegung entzieht. Jedenfalls soll mit ihr die Antithese zu Plancks "Relativitätsschwindel" formuliert werden: In der sogenannten "Brahmahypothese" lässt Godley die gesamte Schöpfung aus dem zerlaufenen Dotter vom goldenen Brahma-Ei entstehen.
Immerhin ermöglicht diese wüste mathematische Theorie ein Ineinander von Natur und Übernatur, wie wir es aus dem klassischen Drama kennen. Hier dergestalt, dass Zeus und Hermes ungehinderten Zugang zum Himmelszimmer genannten Sterbezimmer Godleys erhalten und den mythologischen Kern des Romans zur Entfaltung bringen können: die Variation von Kleists "Amphitryon". Die Geschichte von Jupiter, der in Gestalt des thebanischen Feldherrn Amphitryon zur Erde kam, um eine Nacht mit dessen Gattin Alkmene zu verbringen, gehört in den Umkreis der Herakles-Mythen und hat mehrere literarische Anverwandlungen erlebt. Auch Banvilles Zeus wünscht, dass die schöne Helen, Gattin von Godleys Sohn Adam, zwischen (flammendem) Liebhaber und (erloschenem) Gemahl unterscheiden möge, als der Götterkönig in Gestalt des jungen Adam im Morgengrauen mit ihr schläft, ohne dass sie wüsste, wie ihr geschieht.
Dem sprachgewaltigen, mit sinnlicher Prosa brillierenden Banville gelingen dichte psychologische Beschreibungen. Der Schabernack der Götter führt zu einer eigenen Leichtigkeit inmitten der Schwere existentieller Fragestellungen. Beispielsweise wenn die diffuse Angst geschildert wird, die den jungen Adam vor dem Scheitern seiner Ehe mit Helen umtreibt. Dann kommt es zu glänzenden Passagen, die in ihrer Präzision und dem bildhaften Entschweben eine Traumwelt zu schildern scheinen: "Wieder ergreift die Angst von ihm Besitz, dass seine Ehe scheitern könnte. Es gibt nichts Konkretes, nichts, worauf er zeigen könnte, so wie die große rote Hand dort drüben, die zeigt, wo es zu den Klosetts geht, er hat bloß im Verlauf des letzten Jahres gemerkt, dass sein Leben mit Helen immer unverbindlicher geworden ist, immer mehr an Substanz verloren hat. Mitunter schaut ihn Helen an, als würde sie nicht wissen, wer er ist. Dann spürt er, wie er unter ihren Blicken schrumpft, wie einer, dem man nachschaut aus dem Zugfenster und der zurückbleibt auf dem Bahnsteig, wenn der Zug sich in Bewegung setzt, erst langsam und dann immer schneller."
Für Adam, der sich bei überhaupt gar nichts sicher sein kann, ist die größte Bedrohung, nichts mehr zu fürchten, an nichts mehr zu leiden, auf nichts mehr zu hoffen. Wie kann er sicherstellen, dass es ihm etwas ausmacht, zu schrumpfen und auf dem Bahnsteig zurückzubleiben? Festhalten wollen an jemandem, an etwas - wie das wohl geht? Das Koma, in dem der alte Godley liegt, bedroht auf die eine oder andere Weise alle Figuren des Romans. "Es ist, als schaute alles hier beiseite", heißt es in einer wunderbar poetischen Passage. Eine existentielle Erschöpfung liegt über der Szene und ihren Beteiligten. Über Petra, die einen Almanach aller bekannten Krankheiten erstellt. Über Ursula, die sich aus dem Schatten von Adams erster Frau nicht zu lösen vermag. Wie sich im Sein erhalten und nicht lautlos zurücksinken ins Nichts? So wird das Reich zwischen Leben und Tod, in dem sich der Vater organisch aufhält, zur Lebensform seiner Familie.
Doch was heißt Lebensform? Genauer handelt es sich um eine Form des Vegetierens, um eine intelligente Art des pflanzlichen Lebens, das vom Landsitz, in dem die Familie wegen des Vaters zusammenkommt, Besitz ergreift: "Was seinen derzeitigen Zustand anbelangt, so bezeichnet man diesen gemeinhin als Vegetieren. Und just das tut er, wenn wir dieses Wort in seiner alten, um nicht zu sagen archaischen Bedeutung nehmen, also im Sinne eines Ausgestattetseins mit pflanzlichem Leben. Aber kann eine Pflanze sehen, kann eine Pflanze hören, kann eine Pflanze - und das ist sicher das Entscheidende -, kann eine Pflanze denken?" Im Roman kann der Komapatient sehen, hören, denken, ohne dass es die Ärzte bemerken. Seine Angst ist entsprechend, dass man ihn voreilig begraben könnte. Die anderen kennen diese Angst als die Grundangst ihres eigenen Lebens: lebendig tot zu sein.
Schuld ist der Tod Gottes. Das ist die etwas hilflose Pointe dieses weltlich-theologischen Lustspiels, das in einer burlesken Apotheose des Lebens endet. Die Götter, die im Himmelszimmer rumfuhrwerken, sind nur Platzhalter für den "verblichenen Galiläer", wie Christus hier genannt wird. Sie ersetzen die Offenbarung des Heils durch Geschichten der Lebenskunst: "Wir bieten dir zwar keine Seelenrettung, aber auch keine Verdammnis: kein Leben nach dem Tode, in dem du dich bis in alle Ewigkeit langweilen sollst; keine Parusie, keinen Jüngsten Tag und keine Heimsuchung Gottes, kein himmlisches Königreich auf Erden; wahrhaftig nichts als Geschichten, tröstliche oder wenigstens tröstlich vernünftige Erzählungen davon, wie und warum die Dinge so sind, wie sie sind, und mit welchen Mitteln man sie ertragen oder bei Gelegenheit, sehr seltener Gelegenheit, sogar verändern kann." Bietet der Himmel also zum Vegetieren zu viel, zum Leben zu wenig? John Banvilles "Unendlichkeiten" sind eine Beschwörung der Geister, sich im Endlichen einzurichten, so gut es geht.
John Banville: "Unendlichkeiten". Roman.
Aus dem Englischen von Christa Schuenke. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2012. 318 S., geb., 19,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.03.2012Der alte Adam und sein Knochensortiment
Eine sehr köstliche Götterspeise: „Unendlichkeiten“, der neue Roman von John Banville, spielt an einem einzigen Sommertag – aber der hat es in sich
Die Götter langweilen sich in ihrer Unsterblichkeit und genießen deshalb gelegentlich die menschlichen Methoden des Zeitvertreibs. Besonders „diese sterbliche Liebe“ und alles, was dazugehört, hat es ihnen angetan. Denn die Menschen in ihrer befristeten Zeit, die sie „Leben“ nennen, sind unberechenbar. Leben: Da können die Götter nur staunen.
Es ist ein schöner Kunstgriff von John Banville, dass er seinen Roman „Unendlichkeiten“ von einem räsonierenden Gott erzählen lässt, vom listigen Hermes, der aber gleich, während er sich vorstellt, mit einem grundsätzlichen Irrtum aufräumt: Es gibt keine Götter, jedenfalls nicht diese. Sie sind nur menschliche Konstruktionen. Der Erzähler zieht sich also zurück, indem er erscheint – aber nicht in eine göttliche Allwissenheit, sondern eher schon in eine elementare Allgegenwart.
Andererseits tritt er doch als konkrete Person auf – und mit ihm auch der ewig notgeile Göttervater Zeus (wie immer auf der Jagd nach einer schönen Sterblichen) und der bocksbeinige, aufrührerische Geselle Pan. „Seltsam, wie zaghaft wir doch sind, wie schüchtern unter den Geschöpfen, die wir doch selbst geschaffen haben“, lässt Banville seinen Hermes allen göttlichen Einmischungen zum Trotz sagen. Er führt uns in einen Winkel der Wirklichkeit, in dem die Götter von den Menschen und die Menschen von den Göttern geschaffen wurden. Die Realität als schwindelerregendes Spiegelverhältnis: Das ist die Versuchsanordnung, in der er sein Satyrspiel der Erscheinungen vorantreibt.
Der große irische Erzähler John Banville braucht nicht viel Handlung für einen Roman, anders, als wenn er unter dem Pseudonym Benjamin Black Thriller und Krimis schreibt. Als Romancier interessiert er sich für mathematische Konstellationen und kristalline Strukturen. In seinen frühen Romanen der 70er und 80er Jahre hat er sich mit Zahlen und ihrer Abgrenzung vom Wort beschäftigt, über Kepler, Kopernikus und Newton geschrieben und in „Mefisto“ den Faust-Stoff aufgegriffen. Um die Konfrontation mit Tod und Vergänglichkeit und das flüchtige Dasein in der Zeit ging es zuletzt in dem mit dem Booker Prize ausgezeichneten, melancholischen Roman „Die See“. „Unendlichkeiten“ ist das heitere Gegenstück dazu. Mittelpunkt ist der Mathematiker Adam Godley, der schon mit seinem Namen ziemlich hoch greift. Er hat eine Art Weltformel gefunden, liegt nun aber in seinem Haus in der irischen Provinz bei zugezogenen Vorhängen nach einem Schlaganfall im Koma. Weil auch sein dickleibiger, gutmütig-tollpatschiger Sohn Adam heißt, nennt der Erzähler Hermes den Sterbenden „den alten Adam“, ganz so, als handle es sich um den Stammvater aus dem Paradies.
Dass die Lebensbedingungen seither schwieriger geworden sind, lässt sich schon daran ablesen, dass seine junge Frau ein Alkoholproblem hat, und die winzig kleine Tochter, eine Borderlinerin, die sich lustvoll die Arme aufzuschlitzen pflegt, an einer Enzyklopädie der menschlichen Krankheiten arbeitet.
Der Sterbende sieht aus wie eine Wachspuppe mit Schläuchen dran oder wie ein „spärliches Knochensortiment unter der Decke“. Die Hand, die seine Frau zärtlich streichelt, fühlt sich an „wie ein Päckchen Schlachtabfall vom Metzger“. Der Sohn vergießt ein paar Tränen am Bett, hält aber eigentlich die Idee, den Vater zu Hause sterben zu lassen, für „überholt“. Die Adams Family ist wie jede Familie ein neurotisches Wechselverhältnis.
Adam Godley hat einst im jugendlichen Forscher-Überschwang eine neue Epoche der Menschheit begründet. Er hat den mathematischen Beweis der Unendlichkeit erbracht – oder vielmehr den Beweis dafür, dass es eine Unendlichkeit von Unendlichkeiten gibt. Einsteins Relativitätstheorie und die Planck’sche Konstante sind als Irrtum entlarvt, seit er das „Chronotron“ als Urteilchen entdeckte und damit der Menschheit den Weg wies, das Netz der Zeit zu verlassen. Die Gegenwart, in der „Unendlichkeiten“ spielt, lässt sich deshalb historisch nicht einordnen: Da werden Züge von Dampfloks angetrieben, und die Autos, die aus Salzwasser Energie gewinnen, sind schon wieder Oldtimer. Der eigentliche, revolutionäre Vorstoß in die Zeitlosigkeit aber, den Adam Godleys Erkenntnisse möglich machen würden, ist ausgeblieben. Vielleicht, wie Hermes vermutet, weil die Ewigkeit den Menschen eben doch zu groß wäre und es eine Gnade der Götter ist, dass sie unser Dasein befristet haben.
„Unendlichkeiten“ spielt – und das ist auch schon ein schöner Scherz – an einem einzigen Sommertag, der durch Hermes’ Einsatz noch ein wenig verlängert wird: Weil Zeus in Gestalt des jungen Adam mit dessen verlockender Frau schlafen möchte (die ganz wie es der Mythos gebietet Helen heißt), muss Hermes dem Vater zuliebe die Morgendämmerung inklusive aller Hähne für eine Stunde zurückhalten und dafür sorgen, dass der Gatte, von Schlaflosigkeit getrieben, zeitig das eheliche Bett im einstigen Kinderzimmer des Elternhauses verlässt. Helen ist Schauspielerin und übt gerade an ihrer Rolle als Alkmene in einer Amphitryon-Inszenierung. Vielleicht macht sie das ja besonders empfänglich.
Solche Doppelungen kann man albern und übertrieben finden, doch wie gesagt: um Handlung geht es Banville nicht. „Unendlichkeiten“ ist pures, lustvolles Spiel. Banville inszeniert die großen Menschheitsfragen als Sommertagskommödie und löst sie in nichts als Luft und Licht und Leichtigkeit auf. Am nötigen Ernst lässt er es dennoch nicht vermissen, denn vielleicht ist ja gerade der heitere Zeitvertreib die angemessene Antwort.
Die Unendlichkeiten stecken, wie die Götter, in den Details. Im grollenden Donner, im Beben der Bäume, im Duft der Gräser und im Muhen der Kühe auf der Weide. „Dies ist die Welt der Sterblichen“, sagt Hermes mit verhaltener Bewunderung, und man spürt, wie sehr er diese Welt, in der er nur ein Gast sein kann, lieben würde, wenn die Götter nur dazu in der Lage wären.
JÖRG MAGENAU
„Dies ist die Welt der
Sterblichen“, sagt Hermes –
und er sagt es mit Bewunderung
John Banville
Unendlichkeiten
Roman. Aus dem Englischen von Christa Schuenke. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2012, 320 Seiten, 19,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Eine sehr köstliche Götterspeise: „Unendlichkeiten“, der neue Roman von John Banville, spielt an einem einzigen Sommertag – aber der hat es in sich
Die Götter langweilen sich in ihrer Unsterblichkeit und genießen deshalb gelegentlich die menschlichen Methoden des Zeitvertreibs. Besonders „diese sterbliche Liebe“ und alles, was dazugehört, hat es ihnen angetan. Denn die Menschen in ihrer befristeten Zeit, die sie „Leben“ nennen, sind unberechenbar. Leben: Da können die Götter nur staunen.
Es ist ein schöner Kunstgriff von John Banville, dass er seinen Roman „Unendlichkeiten“ von einem räsonierenden Gott erzählen lässt, vom listigen Hermes, der aber gleich, während er sich vorstellt, mit einem grundsätzlichen Irrtum aufräumt: Es gibt keine Götter, jedenfalls nicht diese. Sie sind nur menschliche Konstruktionen. Der Erzähler zieht sich also zurück, indem er erscheint – aber nicht in eine göttliche Allwissenheit, sondern eher schon in eine elementare Allgegenwart.
Andererseits tritt er doch als konkrete Person auf – und mit ihm auch der ewig notgeile Göttervater Zeus (wie immer auf der Jagd nach einer schönen Sterblichen) und der bocksbeinige, aufrührerische Geselle Pan. „Seltsam, wie zaghaft wir doch sind, wie schüchtern unter den Geschöpfen, die wir doch selbst geschaffen haben“, lässt Banville seinen Hermes allen göttlichen Einmischungen zum Trotz sagen. Er führt uns in einen Winkel der Wirklichkeit, in dem die Götter von den Menschen und die Menschen von den Göttern geschaffen wurden. Die Realität als schwindelerregendes Spiegelverhältnis: Das ist die Versuchsanordnung, in der er sein Satyrspiel der Erscheinungen vorantreibt.
Der große irische Erzähler John Banville braucht nicht viel Handlung für einen Roman, anders, als wenn er unter dem Pseudonym Benjamin Black Thriller und Krimis schreibt. Als Romancier interessiert er sich für mathematische Konstellationen und kristalline Strukturen. In seinen frühen Romanen der 70er und 80er Jahre hat er sich mit Zahlen und ihrer Abgrenzung vom Wort beschäftigt, über Kepler, Kopernikus und Newton geschrieben und in „Mefisto“ den Faust-Stoff aufgegriffen. Um die Konfrontation mit Tod und Vergänglichkeit und das flüchtige Dasein in der Zeit ging es zuletzt in dem mit dem Booker Prize ausgezeichneten, melancholischen Roman „Die See“. „Unendlichkeiten“ ist das heitere Gegenstück dazu. Mittelpunkt ist der Mathematiker Adam Godley, der schon mit seinem Namen ziemlich hoch greift. Er hat eine Art Weltformel gefunden, liegt nun aber in seinem Haus in der irischen Provinz bei zugezogenen Vorhängen nach einem Schlaganfall im Koma. Weil auch sein dickleibiger, gutmütig-tollpatschiger Sohn Adam heißt, nennt der Erzähler Hermes den Sterbenden „den alten Adam“, ganz so, als handle es sich um den Stammvater aus dem Paradies.
Dass die Lebensbedingungen seither schwieriger geworden sind, lässt sich schon daran ablesen, dass seine junge Frau ein Alkoholproblem hat, und die winzig kleine Tochter, eine Borderlinerin, die sich lustvoll die Arme aufzuschlitzen pflegt, an einer Enzyklopädie der menschlichen Krankheiten arbeitet.
Der Sterbende sieht aus wie eine Wachspuppe mit Schläuchen dran oder wie ein „spärliches Knochensortiment unter der Decke“. Die Hand, die seine Frau zärtlich streichelt, fühlt sich an „wie ein Päckchen Schlachtabfall vom Metzger“. Der Sohn vergießt ein paar Tränen am Bett, hält aber eigentlich die Idee, den Vater zu Hause sterben zu lassen, für „überholt“. Die Adams Family ist wie jede Familie ein neurotisches Wechselverhältnis.
Adam Godley hat einst im jugendlichen Forscher-Überschwang eine neue Epoche der Menschheit begründet. Er hat den mathematischen Beweis der Unendlichkeit erbracht – oder vielmehr den Beweis dafür, dass es eine Unendlichkeit von Unendlichkeiten gibt. Einsteins Relativitätstheorie und die Planck’sche Konstante sind als Irrtum entlarvt, seit er das „Chronotron“ als Urteilchen entdeckte und damit der Menschheit den Weg wies, das Netz der Zeit zu verlassen. Die Gegenwart, in der „Unendlichkeiten“ spielt, lässt sich deshalb historisch nicht einordnen: Da werden Züge von Dampfloks angetrieben, und die Autos, die aus Salzwasser Energie gewinnen, sind schon wieder Oldtimer. Der eigentliche, revolutionäre Vorstoß in die Zeitlosigkeit aber, den Adam Godleys Erkenntnisse möglich machen würden, ist ausgeblieben. Vielleicht, wie Hermes vermutet, weil die Ewigkeit den Menschen eben doch zu groß wäre und es eine Gnade der Götter ist, dass sie unser Dasein befristet haben.
„Unendlichkeiten“ spielt – und das ist auch schon ein schöner Scherz – an einem einzigen Sommertag, der durch Hermes’ Einsatz noch ein wenig verlängert wird: Weil Zeus in Gestalt des jungen Adam mit dessen verlockender Frau schlafen möchte (die ganz wie es der Mythos gebietet Helen heißt), muss Hermes dem Vater zuliebe die Morgendämmerung inklusive aller Hähne für eine Stunde zurückhalten und dafür sorgen, dass der Gatte, von Schlaflosigkeit getrieben, zeitig das eheliche Bett im einstigen Kinderzimmer des Elternhauses verlässt. Helen ist Schauspielerin und übt gerade an ihrer Rolle als Alkmene in einer Amphitryon-Inszenierung. Vielleicht macht sie das ja besonders empfänglich.
Solche Doppelungen kann man albern und übertrieben finden, doch wie gesagt: um Handlung geht es Banville nicht. „Unendlichkeiten“ ist pures, lustvolles Spiel. Banville inszeniert die großen Menschheitsfragen als Sommertagskommödie und löst sie in nichts als Luft und Licht und Leichtigkeit auf. Am nötigen Ernst lässt er es dennoch nicht vermissen, denn vielleicht ist ja gerade der heitere Zeitvertreib die angemessene Antwort.
Die Unendlichkeiten stecken, wie die Götter, in den Details. Im grollenden Donner, im Beben der Bäume, im Duft der Gräser und im Muhen der Kühe auf der Weide. „Dies ist die Welt der Sterblichen“, sagt Hermes mit verhaltener Bewunderung, und man spürt, wie sehr er diese Welt, in der er nur ein Gast sein kann, lieben würde, wenn die Götter nur dazu in der Lage wären.
JÖRG MAGENAU
„Dies ist die Welt der
Sterblichen“, sagt Hermes –
und er sagt es mit Bewunderung
John Banville
Unendlichkeiten
Roman. Aus dem Englischen von Christa Schuenke. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2012, 320 Seiten, 19,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
Ob John Banville seine Kritiker bloßstellen wollte?, überlegt Rezensentin Susanne Mayer. Sie zumindest kann in seinem neuen Roman nichts von der vielgescholtenen Gestelztheit erkennen, von der ausgestellten Gelehrsamkeit. Ganz "leichtfüßig" komme Banville in diesem Roman daher und erzähle regelrecht übermütig, freut sich die Rezensentin, die dennoch auf Shakespeare und Aristoteles zurückgreifen muss, um den Erzählrahmen abzustecken. Der Roman - oder die Tragödie? - erzählt die Geschichte vom letzten Tag in Adam Godleys (!) Leben, in klassischer Einheit von Zeit und Ort. Adam ist Oberhaupt dieser Familie aus Arden und wir müssen ihn angesichts all der familiären Verwicklungen als eine Mischung aus biblischem Urvater, Zeus und Lear vorstellen. Doch bei allem Lesevergnügen warnt Rezensentin Mayer auch vor der Boshaftigkeit des alles überschauenden, gottähnlichen Erzählers: Er bietet Probleme, keine Lösungen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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"Der Roman enthält alle Markenzeichen, die Banville groß gemacht haben - präzise Sprache, flüssige Erzählweise und einen hintergründigen Humor."Sunday Times "Sein bestes Buch" Colum McCann "Der Roman enthält alle Markenzeichen, die Banville groß gemacht haben - präzise Sprache, flüssige Erzählweise und einen hintergründigen Humor."Sunday Times "Sein bestes Buch" Colum McCann
»Die Seiten sind pures Lesevergnügen. Leichfüßiger lassen sich die großen Fragen nicht jonglieren.« Susanne Mayer Die Zeit 20120216