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Produktdetails
  • Auf der Suche nach der gegenwärtigen Zeit
  • Verlag: Espresso
  • Seitenzahl: 381
  • Deutsch
  • Abmessung: 215mm
  • Gewicht: 598g
  • ISBN-13: 9783885205951
  • ISBN-10: 3885205955
  • Artikelnr.: 25086419
  • Herstellerkennzeichnung
  • Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.11.1997

Des Dichters tastende Seele
In Bildern gestöbert: Aras Ören zappt sich durchs Leben

"Der Moment ihrer ersten Begegnung: Vielleicht war es den ganzen Tag bewölkt gewesen und hatte leicht geregnet, vielleicht hatte es wie aus Kübeln gegossen, vielleicht war es auch ein wolkenloser sonniger Tag gewesen, er hatte Bier in einer Kneipe getrunken oder in einem Straßencafé gesessen und die Passanten beobachtet, möglicherweise hatte er sich beim Friseur rasieren lassen, lief auf der Straße herum, pißte gegen eine Wand, langweilte sich", und so weiter. Hier wird Musils Möglichkeitsdenken in die Praxis umgesetzt, ad infinitum, ad absurdum, ad nauseam.

Das ganze Buch liest sich wie ein Notizheft, in dem ein Dichter (in diesem Schrägdruck spukt er hundertfach durch die Seiten) seine Einfälle einträgt, seine Schreibübungen festhält, seine Phantasien ausspinnt. Es sind Anfänge des Schreibens, es ist der Prozeß des Schreibens, es herrscht die Selbstreflexion: "So wie man beim Fernsehen mit einem Knopfdruck das Programm umschaltet, veränderte ich die Ansicht vor meinen Augen. Ich holte ein anderes Bild auf den Bildschirm." Es wechseln die Lokale, es wirbeln die Zeitebenen durcheinander, kaum hat man sich auf eine eingestellt, wird man in eine andere geschoben. Man ist in einer Bar, in Gesellschaft von Betrunkenen, mit Prostituierten; man wird mit jemand, der vorübergehend Hauptperson ist, entführt, die Entführer sind Türken mit Turbanen, aber ohne Gesichter; dann ist man in einer DDR-Schule, in einem ostdeutschen Plattenbau, man wird von der Stasi verhört; jetzt aber befindet man sich mit einer attraktiven Dame, die sich entkleidet, in einer Frauentoilette, es kommt aber zu nichts, weil draußen ungeduldige Leute an die Tür trommeln. Es gibt auch eine öffentliche Latrine, in der es so stinkt, daß den Benutzern schlecht wird - dem Leser auch. Man sieht die ehemalige Mauer, die Berlin einst zerteilt hat, von oben, denn "dann näherte sich seine tastende Seele seinem im Bett liegenden Körper und streckte die Hand nach ihm, nach dem leeren Körper aus", und so fliegen sie zusammen über die Stadt.

Manchmal wird aber auch erzählt, seitenlang, und man merkt plötzlich, wie wohltuend ein Zusammenhang ist, wie unrecht man tat, den "Plot", die Handlung, in anderen Romanen geringzuachten. Schnell versiegt jedoch der Erzählfluß: "wir verfügen", erfährt man, "kaum über Informationen, durch die wir einen Zusammenhang zwischen den Ereignissen herstellen könnten". Das mag eine Erklärung sein, aber ist es ein Trost? Die Gestalten sind unscharf gezeichnet, Masken, ineinander übergehende Identitäten. Wir stoßen auf Elemente des psychologischen Romans, einer Spionage-, einer Detektivgeschichte, eines Liebesromans. Haben wir ein "erträumtes Drehbuch" vor uns, Evokationen der verschwundenen DDR, Fragmente eines türkischen Bewußtseins in seinen Begegnungen mit Berlin, mit Deutschland?

"Wir haben", heißt es an einer Stelle, "grenzenloses Vertrauen, daß die Leser, die bisher vorgedrungen sind, weiterlesen werden." Ist das naiver Optimismus, Hybris, Selbstironie, Verspottung? Gegen Ende des Buches vernichtet der Dichter alles, was er geschrieben hat. "Er zerriß alle seine Werke, eins nach dem anderen, mit großer Lust in winzig kleine Fetzen." Nur dieses ist ihm entgangen. EGON SCHWARZ

Aras Ören: "Unerwarteter Besuch". Roman. Aus dem Türkischen übersetzt von Deniz Göktürk. Elefanten Press, Berlin 1997. 381 S., geb., 48,- DM.

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Auf phantastischen Wegen entführt Aras Ören noch einmal in jene fast nostalgischen Welten der geteilten Frontstadt, denen bereits sein Roman "Berlin Savignyplatz" gewidmet war. Die Süddeutsche Zeitung schrieb über ihn: "Das Buch sei empfohlen - weil es postmodern im guten Sinne ist. Aber auch als Vitrine der Erinnerung, oder als Wegweiser für Romanschreiber, damit sie lernen ... von einem an den Schläfen silbergrau gewordenen großen Berliner Türken, der eben nicht im "multikulturellen" Konzert mitschreibt, sondern ein Europäer geworden ist, eine literarische Persönlichkeit in einer Stadt, die erst jetzt begreift, was ihr trotz der langen fetten Jahre der Nachkriegszeit nach wie vor fehlt - ein europäisches kultiviertes Gesicht."