Nur einmal mit Anfang 20, da lebt Malin Lindroth ein Leben, das »normal« ist: Freund, gemeinsame Wohnung, man teilt sich eine Besteckschublade. Nach vier Jahren beendet Malin die Beziehung. Der nächste Mann wird schon kommen, denkt sie. Jetzt, 30 Jahre später, stellt sie sich die Frage, was seitdem eigentlich »schief« gelaufen ist. Denn sie blieb allein. Unterhaltsam und lustig, aber auch ernst und schmerzvoll führt Lindroth durch ihr nicht vorhandenes Beziehungsleben. Das ist zwar manchmal schwer auszuhalten, viel schlimmer ist allerdings, dass sie sich ständig für diesen Umstand rechtfertigen muss: ihre Persönlichkeit, ihre Sexualität, ihre Einstellung - all das wird hinterfragt. Dieses Buch ist Lindroths Befreiungsschlag!
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Malin Lindroth holt die alte Jungfer aus der "Mottenkiste" und macht sie cool, freut sich Rezensentin Melanie Mühl, die sich gern von der schwedischen Autorin darüber informieren lässt, wie man Glück auch jenseits heteronormativer Paarbeziehungen finden kann. Lindroth, 52 Jahre alt, kinderlos und alleinlebend, erzählt ihr hier zunächst von der verzweifelten Suche, von vielen Abfuhren, von Schmerz und von Panik - bis sie schließlich das Alleinsein annimmt - und sich von sämtlichen Erwartungen befreit. Ermutigend findet Mühl das.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.10.2020Zeigt euch, ihr Freaks!
Malin Lindroth legt eine Apologie der "alten Jungfer" vor
Eine Frau kassiert im Laufe ihrer jahrzehntelangen Suche nach dem Richtigen eine Abfuhr nach der nächsten. Die seelische Belastung wächst, die emotionalen Wunden heilen nur schwer. "Du nicht", hört die schwedische Schriftstellerin Malin Lindroth von insgesamt fünfzehn Männern, mal entrüstet, mal sanft, mal aggressiv. Allerdings stumpft sie nie ab, denn jede neue Ablehnung schmerzt, als wäre es die erste.
Malin Lindroth ist zweiundfünfzig Jahre alt, lebt allein, hat keine Kinder und schildert ihre Erfahrungen in dem Essay "Ungebunden. Das Leben als alte Jungfer". Ein angestaubter Begriff, den man lange nicht gehört hat und der einem Angst einflößen kann. Keine Frau will so enden, als verschrobene Übriggebliebene, bemitleidet oder gleich ganz übersehen von ihrem Umfeld.
Aber Malin Lindroth taugt weder zum Opfer, noch inszeniert sie sich in ihrem schmalen Buch als Gefallene. Im Gegenteil, sie beweist großen Mut, denn sie wagt es, in einer auf glänzende Fassaden fixierten Optimierungsgesellschaft, die alte Jungfer aus der Mottenkiste der Vergangenheit zu befreien und ins Scheinwerferlicht der Gegenwart zu stellen. Zeigt euch, ruft Malin Lindroth, ihr Gespenstermädchen, Mauerblümchen und Freaks, anstatt euch weiter in eurer Instagram-Idylle zu verschanzen und gute Miene zum bösen Spiel zu machen.
Die Bezeichnung "alte Jungfer" zurückzuerobern, empfindet Malin Lindroth keineswegs als problematisch oder gar destruktiv. Indem sie sich selbst so nenne, stehe sie zu ihrer Geschichte und nehme sich das Recht, über das, was sie weiß und gesehen hat, offen zu sprechen: "Ich fühle mich überhaupt nicht hässlich und habe inzwischen null Interesse an den ästhetischen Präferenzen von Männern. Wenn der männliche Blick das höchste, informelle Gericht dieser Gesellschaft ist, dann muss die alte Jungfer eine Querulantin werden."
Hätte die Autorin früher stärker aufbegehrt, ihr wäre viel Schmerz erspart geblieben. Doch weil Malin Lindroth von Kindesbeinen an beigebracht wurde, dass das wahre Glück in der heterosexuellen Zweisamkeit mit gemeinsamem Besteckkasten und geteilter Toilette liegt, verrät sie sich selbst. Erst lebt sie dieses vermeintlich richtige Modell, dann bricht sie, auf der Suche nach einer besseren Partie, daraus aus, unterwirft sich immer wieder den Wünschen unterschiedlicher Männer und liegt letzten Endes doch an Silvester rotweinbenommen und einsam auf ihrer Couch. Zugleich hat Malin Lindroth so viel Phantasie, Verständnis und Abenteuer auf der ",falschen' Seite des Normzauns" gefunden, dass sie sich nur schwer vorstellen kann, nicht länger dort zu leben. Denn sie hat gelernt, das Alleinsein nicht als eine Krankheit zu betrachtet, die es zu heilen gilt. Es sei vielmehr wie ein Zuhause, wo man so viel renoviert und gegärtnert hat, dass man nur ausziehen würde, wenn das Angebot tatsächlich hervorragend ist.
Die kinderlose Single-Frau mittleren Alters wird häufig argwöhnisch beäugt. Je nach Aussehen, Chancen auf dem Partnermarkt, beruflichem Erfolg und Inszenierungsgeschick mag sie zwar die neidvollen Blicke jener ernten, die in festgefahrenen Beziehungen veröden. Sie muss sich aber auch oft die Frage gefallen lassen, was mit ihr nicht in Ordnung sei. Wer gibt schon, wie Malin Lindroth, unumwunden zu, dass einen mit jedem abgelaufenen Jahr als Single die Panik heftiger packt, man könnte die wahre Liebe verpassen? Dass das Alleinsein nicht auf eine bewusste Entscheidung zurückzuführen, sondern vielmehr schlicht irgendwie passiert ist?
Muss man Malin Lindroth deswegen bemitleiden? Keinesfalls. Ihr Buch ist ein couragierter Befreiungsschlag und fügt den zahlreichen schöngefärbten Geschichten selbstbewusster Frauen, die ihr Single-Dasein zelebrieren, eine neue, wichtige Erzählung hinzu, die trotz all der Liebesenttäuschungen keinen Zweifel daran lässt, dass das Leben niemals hinter, sondern immer vor einem liegt.
MELANIE MÜHL
Malin Lindroth:
"Ungebunden".
Das Leben als
alte Jungfer.
Aus dem Schwedischen von Regine Elsässer.
Piper Verlag, München 2020. 112 S., br., 12,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Malin Lindroth legt eine Apologie der "alten Jungfer" vor
Eine Frau kassiert im Laufe ihrer jahrzehntelangen Suche nach dem Richtigen eine Abfuhr nach der nächsten. Die seelische Belastung wächst, die emotionalen Wunden heilen nur schwer. "Du nicht", hört die schwedische Schriftstellerin Malin Lindroth von insgesamt fünfzehn Männern, mal entrüstet, mal sanft, mal aggressiv. Allerdings stumpft sie nie ab, denn jede neue Ablehnung schmerzt, als wäre es die erste.
Malin Lindroth ist zweiundfünfzig Jahre alt, lebt allein, hat keine Kinder und schildert ihre Erfahrungen in dem Essay "Ungebunden. Das Leben als alte Jungfer". Ein angestaubter Begriff, den man lange nicht gehört hat und der einem Angst einflößen kann. Keine Frau will so enden, als verschrobene Übriggebliebene, bemitleidet oder gleich ganz übersehen von ihrem Umfeld.
Aber Malin Lindroth taugt weder zum Opfer, noch inszeniert sie sich in ihrem schmalen Buch als Gefallene. Im Gegenteil, sie beweist großen Mut, denn sie wagt es, in einer auf glänzende Fassaden fixierten Optimierungsgesellschaft, die alte Jungfer aus der Mottenkiste der Vergangenheit zu befreien und ins Scheinwerferlicht der Gegenwart zu stellen. Zeigt euch, ruft Malin Lindroth, ihr Gespenstermädchen, Mauerblümchen und Freaks, anstatt euch weiter in eurer Instagram-Idylle zu verschanzen und gute Miene zum bösen Spiel zu machen.
Die Bezeichnung "alte Jungfer" zurückzuerobern, empfindet Malin Lindroth keineswegs als problematisch oder gar destruktiv. Indem sie sich selbst so nenne, stehe sie zu ihrer Geschichte und nehme sich das Recht, über das, was sie weiß und gesehen hat, offen zu sprechen: "Ich fühle mich überhaupt nicht hässlich und habe inzwischen null Interesse an den ästhetischen Präferenzen von Männern. Wenn der männliche Blick das höchste, informelle Gericht dieser Gesellschaft ist, dann muss die alte Jungfer eine Querulantin werden."
Hätte die Autorin früher stärker aufbegehrt, ihr wäre viel Schmerz erspart geblieben. Doch weil Malin Lindroth von Kindesbeinen an beigebracht wurde, dass das wahre Glück in der heterosexuellen Zweisamkeit mit gemeinsamem Besteckkasten und geteilter Toilette liegt, verrät sie sich selbst. Erst lebt sie dieses vermeintlich richtige Modell, dann bricht sie, auf der Suche nach einer besseren Partie, daraus aus, unterwirft sich immer wieder den Wünschen unterschiedlicher Männer und liegt letzten Endes doch an Silvester rotweinbenommen und einsam auf ihrer Couch. Zugleich hat Malin Lindroth so viel Phantasie, Verständnis und Abenteuer auf der ",falschen' Seite des Normzauns" gefunden, dass sie sich nur schwer vorstellen kann, nicht länger dort zu leben. Denn sie hat gelernt, das Alleinsein nicht als eine Krankheit zu betrachtet, die es zu heilen gilt. Es sei vielmehr wie ein Zuhause, wo man so viel renoviert und gegärtnert hat, dass man nur ausziehen würde, wenn das Angebot tatsächlich hervorragend ist.
Die kinderlose Single-Frau mittleren Alters wird häufig argwöhnisch beäugt. Je nach Aussehen, Chancen auf dem Partnermarkt, beruflichem Erfolg und Inszenierungsgeschick mag sie zwar die neidvollen Blicke jener ernten, die in festgefahrenen Beziehungen veröden. Sie muss sich aber auch oft die Frage gefallen lassen, was mit ihr nicht in Ordnung sei. Wer gibt schon, wie Malin Lindroth, unumwunden zu, dass einen mit jedem abgelaufenen Jahr als Single die Panik heftiger packt, man könnte die wahre Liebe verpassen? Dass das Alleinsein nicht auf eine bewusste Entscheidung zurückzuführen, sondern vielmehr schlicht irgendwie passiert ist?
Muss man Malin Lindroth deswegen bemitleiden? Keinesfalls. Ihr Buch ist ein couragierter Befreiungsschlag und fügt den zahlreichen schöngefärbten Geschichten selbstbewusster Frauen, die ihr Single-Dasein zelebrieren, eine neue, wichtige Erzählung hinzu, die trotz all der Liebesenttäuschungen keinen Zweifel daran lässt, dass das Leben niemals hinter, sondern immer vor einem liegt.
MELANIE MÜHL
Malin Lindroth:
"Ungebunden".
Das Leben als
alte Jungfer.
Aus dem Schwedischen von Regine Elsässer.
Piper Verlag, München 2020. 112 S., br., 12,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
»In all seiner Traurigkeit und seiner Nachdenklichkeit macht es einen doch froh, weil es ein starkes Buch ist einer starken mutigen Frau.« Frankfurter Allgemeine Zeitung "Bücher-Podcast" 20201014