Marktplatzangebote
2 Angebote ab € 10,00 €
  • Gebundenes Buch

Wir sind umgeben von Bildern der Gewalt. Sie zeigen verstümmelte, gefolterte, zerfetzte Körper. Sie zeigen, was das Mittelalter "Ungestalten" nannte. Doch was war - und ist - an den Bildern extremer Gewalt so faszinierend? Valentin Groebner hat sich mit diesem Thema intensiv befasst und führt den Leser auf fesselnde Weise durch die düstere Welt der visuellen Kultur - vom Mittelalter bis in die Gegenwart.

Produktbeschreibung
Wir sind umgeben von Bildern der Gewalt. Sie zeigen verstümmelte, gefolterte, zerfetzte Körper. Sie zeigen, was das Mittelalter "Ungestalten" nannte. Doch was war - und ist - an den Bildern extremer Gewalt so faszinierend? Valentin Groebner hat sich mit diesem Thema intensiv befasst und führt den Leser auf fesselnde Weise durch die düstere Welt der visuellen Kultur - vom Mittelalter bis in die Gegenwart.
Autorenporträt
Groebner, Valentin
Valentin Groebner, geboren 1962 in Wien, Mitherausgeber der Zeitschrift Historische Anthropologie, lehrt Geschichte an der Universität Basel.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 06.10.2003

Wer schneidet die Nase ab?
Valentin Groebner über die fromme Ordnung der Gewalt
Anders als die meisten Bücher, die heutzutage über das Mittelalter geschrieben werden, ist Valentin Groebners „Ungestalten” von brennender Aktualität. Dieses Buch geht jeden etwas an, der fernsieht, die Zeitung liest, mit offenen Augen durch die Welt geht. Und weil es packend geschrieben ist und ohne kulturwissenschaftliches Wortgeklingel auskommt, kann es auch jeder lesen. Sein Thema ist die Gewalt, die tagtäglich in den Medien zu sehen ist. Genauer gesagt handelt es von etwas Unsichtbarem: von den Gesichtern der Opfer der Gewalt. Die sieht man nämlich meistens nicht. Groebner ist aufgefallen, dass das vor fünfhundert Jahren nicht anders war. Aus dem 15. und 16. Jahrhundert sind zahllose Darstellungen von Gewalt überliefert, so viele, dass Historiker und ihr Publikum gern vom – im Gegensatz zur Gegenwart – blutrünstigen und gewalttätigen Mittelalter sprechen. Groebner vermeidet solche Klischees. Er fragt stattdessen nach dem Sinn dieser Bilder. Wer produzierte sie, und mit welcher Absicht? Wer übte die jeweils dargestellte Gewalt aus? Wer nahm sie wahr, und auf welche Weise? Indem er diese Fragen an mittelalterliche Bilder und Texte heranträgt, betreibt Groebner die Vivisektion unserer eigenen Wahrnehmung. Er zeigt, dass und wie sie von sehr alten Mustern und Praktiken des Umgangs mit Bildern bestimmt wird. Das allein ist ein intellektuelles Vergnügen. Aber es ist noch mehr. Weil Groebner nicht vergisst, dass die dargestellte Gewalt durchaus real ist, hat er ein politisches Buch geschrieben. Eins, das zur Kritik anregt, zu einer Kritik der Bilder. Wann konnte man einem Buch über das Mittelalter zuletzt ein solches Lob aussprechen?
Wenn gesagt wird, dass die Opfer von Gewalt auf den Bildern ihr Gesicht verloren haben, so ist damit gemeint, dass sie ihrer individuellen Gestalt beraubt wurden. Sie sind verunstaltet, zu „Ungestalten” geworden. Das ist ein mittelalterliches Wort. Im Jahr 1485 kam es im Elsass zu einem Rechtsstreit zwischen der Stadt Kaysersberg und dem Grafen Hans von Lupfen, der die Gerichtshoheit auf der Straße zum Nachbarort für sich beanspruchte. Dort hatte eine Frau eine andere überfallen, ihr die Nase abgeschnitten und sie dadurch, so der Graf, „gantz ungestalt” gemacht. Von abgeschnittenen Nasen ist in den Chroniken und Gerichtsprotokollen jener Zeit immer wieder die Rede. So berichten die Nürnberger Ratsprotokolle zum 3. Oktober 1486 von einer betrogenen Bürgersfrau, die versucht hatte, ihrer Nebenbuhlerin „on erlaubnis auf offner gass die nas abzusneiden”. Die fehlende Nase sollte den Bruch der sozialen Ordnung, den sich ihre frühere Trägerin hatte zuschulden kommen lassen, öffentlich sichtbar machen. Der Rat der Stadt hatte im Grunde dagegen nichts einzuwenden. Denn die abgeschnittene Nase verwies ja ex negativo auf die Ordnung, deren Bestand er als Obrigkeit garantierte. Aber dem Rat war es gar nicht recht, dass solche Exempel eigenmächtig, „on erlaubnis”, statuiert wurden. Bei Gewalt kam es also immer darauf an, wer sie jeweils ausübte.
Die spätmittelalterlichen Verhältnisse waren nicht minder unübersichtlich als die neue Weltordnung des 21. Jahrhunderts. Territorialfürsten und Städte kämpften um die Ordnungsmacht auf dem Land. In den Städten – der Theorie nach durch Schwur geeinte Friedensbezirke – konkurrierten die Ratsobrigkeiten mit selbstherrlichen Adelsclans. Im Innern drohte die Subversion, vor den Mauern der Krieg. Die Ordnung war unter solchen Umständen stets bedroht. Um sie zu bewahren und um sich im Wirrwarr der Fronten zurechtzufinden, brauchte man besonders deutliche Zeichen. Dies ist der Kontext, in dem sich der Gebrauch gewaltsamer Bilder wie das der in Erzählungen oft kolportierten Nasenamputation vollzog – und vollzieht. Gewaltdarstellungen eignen sich deswegen so gut als Zeichen, weil sie den Betrachter nicht kalt lassen und weil sie authentisch wirken. Blut ist nunmal ein besonderer Saft.
Ein italienischer Reisender, der 1517 über die Alpen kam, staunte über die gewaltigen Kreuzigungsbilder, die überall an den Straßen aufgestellt waren und die den gemarterten Christus und die beiden mit ihm hingerichteten Verbrecher zeigten. Sie riefen nicht weniger Schrecken als Andacht hervor, schrieb er in seinen Reisebericht. Diese Darstellungen der Passion stehen in merkwürdiger Parallele zu den Hinrichtungen von Delinquenten in den spätmittelalterlichen Städten, die als „Theater des Schreckens und der Erlösung” öffentlich inszeniert wurden. Der Betrachter einer Kreuzigungsgruppe oder eines Passionsspiels sollte sich nicht nur in den leidenden Christus einfühlen, er sollte auch an die „fromme Ordnung der Gewalt” erinnert werden, die in seiner Stadt herrschte. Das reichlich aufgetragene Blut machte diese Lektion besonders eindringlich.
Bei den Bildern von Gewalt ging und geht es also um die Sichtbarmachung einer stets bedrohten Ordnung. Dabei ist die Darstellung nie uneigennützig. Wer sie verbreitet, verfolgt meistens den doppelten Zweck, sich selbst als gewaltiger, den anderen als gewalttätiger darzustellen. Indem er die Opfer anonymisiert, ihnen ihr Gesicht raubt, überträgt er die Bedrohung auf den Betrachter. Er setzt ein Zeichen, das besagt: Jenseits meiner Ordnung gibt es keine Zeichen mehr. So reißt das Ungestalte ein Loch in den die trügerische Sicherheit des Zeichenkosmos, durch das der Schrecken eindringt. Wer dieses Buch gelesen hat, wird die Welt mit anderen Augen sehen.
CHRISTIAN JOSTMANN
VALENTIN GROEBNER. Ungestalten. Die visuelle Kultur der Gewalt im Mittelalter. Carl Hanser Verlag, München, Wien 2003. 205 Seiten, 17,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
…mehr

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.12.2003

Geld her oder Nase ab
Valentin Groebner stellt das Mittelalter in sein grausames Licht / Von Kurt Flasch

Ungestalten" - so nannte man verzerrte Formen, verstümmelte, blutende Körper, Opfer der Gewalt. Sie waren deformiert, namenlos, ohne Gesicht. Der Historiker Valentin Groebner wirft dieses Thema auf als ein charakteristisches Arbeitsfeld der Historischen Anthropologie. Er beschreibt Formen früherer Grausamkeit, aber er will mehr: Er gibt eine Probe modernisierter Kulturwissenschaft. Er stammt aus Wien und kommt nicht aus ohne Sigmund Freud: Wenn er vom Abschneiden der männlichen Nasen erzählt, denkt er das Messer am Penis. Das Abschneiden des Riechorgans deutet er als Strafe für sexuelles Fehlverhalten. Groebner kommt auch nicht aus ohne Foucault: Er fragt, was Institutionen davon hatten, daß sie verstümmelte Menschen bildlich darstellen ließen. Er präsentiert eine gegenwartsbewußte Mittelalterwissenschaft; er bedenkt, daß Vergangenheiten immer nur in Gegenwarten existieren. Er erforscht deren wechselseitige Durchdringung vor dem Hintergrund zunehmender Gewaltdarstellungen in den Medien.

Groebner untersucht Bilder von "Ungestalten" der Zeit zwischen 1300 und 1600. Er stellt eine historische Arbeitsweise vor, die Quellen und Medien, Ereignisse und Darstellungen nicht trennt. Sie sucht geschichtliche Vorgänge und Verhältnisse in Bildern auf, aber nicht in kunsthistorischer oder politikgeschichtlicher Absicht, um "Realität" hinter den Bildern zu ermitteln. Sie interessiert sich für Details der Stadt- und Kirchengeschichte, der Malerei- und Druckgeschichte, um zu untersuchen, welche Funktion diese Bilder hatten und wie sie funktionieren konnten. Der Essay ist reich an Materialien und Perspektiven; sein Ertrag ist vielförmig und läßt sich nicht in einem einzigen Satz zusammenfassen. Wollte man dem Forscher, der kürzlich an die Universität Luzern berufen worden ist, eine These zuschreiben, so könnte sie lauten: Bedrohte Ordnungen zeigen das Formlose, das Chaotische und Verstümmelte; Ungestalten sollten das Geregelte, das Gestaltete und Geordnete stabilisieren.

Das Buch beruht auf einer theoretischen Konzeption und versteht sich als Skizze einer erneuerten Kulturwissenschaft, aber sein Reiz besteht darin, daß es keine abstrakte Geschichtstheorie bietet, sondern ins konkrete Leben der spätmittelalterlichen Städte vor allem Deutschlands und der Schweiz führt. Das Leben in der Stadt war kompliziert. Es bestanden die unterschiedlichsten Gruppen und Rechtsräume; die Stadt war "ein Flickenteppich von Einflußzonen". Es mußte sichtbar sein, zu welchem Stand oder zu welchem Rechtsbezirk ein Mensch gehörte. Einen Personalausweis gab es nicht, aber es gab Zeichen der verschiedensten Art: Wappen, Kleidung, Symboltiere der einzelnen Fraktionen. Es war wichtig, "sein Gesicht zu wahren" - um so einschneidender waren Verstümmelungen wie das Abschneiden der Nase. Das Leben des einzelnen in einer Stadt des fünfzehnten Jahrhunderts war bedroht; es unterlag einem komplexen System des Überwachens und Strafens. Die Stadt als Ganzes sicherte ihre prekäre Existenz durch ein subtiles Gleichgewicht von Geheimhaltung und Sichtbarkeit.

In Schweden wurden im Jahrc 1990 von hunderttausend Menschen - statistisch gesehen - anderthalb Personen zum Opfer von Gewaltverbrechen. In einer Stadt des späten Mittelalters waren es durchschnittlich etwa vierzig von hunderttausend. Das Leben um 1450 war also gefährlicher als das im zwanzigsten Jahrhundert - behauptet der Schweizer Professor, indem er der Statistik zuliebe von den staatlichen Vernichtungsaktionen der letzten hundert Jahre absieht. Schauerfilme zeigen ein grausames Bild des Mittelalters; sie handeln von Hexenjagd und Ketzerverbrennung; manche Kulturhistoriker beschreiben "das Mittelalter" als Zeit unbekümmert-urtümlicher Gewaltanwendung.

Aber wer aus der deutschen Bildungstradition kommt, wird erstaunt aufblicken, daß hier von Gewalt im Mittelalter, ja von einer "Kultur der Gewalt" die Rede ist. Gebildete stellen sich "das Mittelalter" gern ruhig und agrarisch, fromm und harmonisch vor. Sie denken an stille Kreuzgänge und poetisch-bunte Buchmalereien. Manche Mittelalterforscher halten sich heute noch an die Poesie von Reliquienkästchen und die Idyllik von Paradiesgärtlein. Sie bedienen ihr Publikum, indem sie "das Mittelalter" als Gegenbild heutiger Hektik und moderner Konflikte zeichnen. Aber ihre harmonistische Darstellung ist unhistorisch, und der Tag war abzusehen, an dem ein Forscher das schreckliche, das scheußliche Mittelalter präsentiert. Schon Norbert Elias hatte das Kontrastbild einer heftigen, spontanen und wilderen Welt entworfen; er sah die Menschen der Vormoderne weniger reguliert; sie hätten sich ungehemmter intensiven Gefühlen wie Liebe und Haß hingegeben und vor Gewalt weniger zurückgescheut als das durch das Gewaltmonopol des Staates eingeschränkte moderne Individuum. Schon vor zwanzig Jahren, als die Bombenattentate militanter Islamisten noch nicht Bildschirme und Schlagzeilen beherrschten, erinnerte René Girard an die grausamen Seiten älterer Religionsformen. Walter Burkert bewies: Es gab das fromme Töten in der griechischen Antike. Die Welt Homers war blutrünstig, keineswegs nur edle Einfalt und stille Größe. Valentin Groebner beschert uns nun eine ähnliche Ernüchterung für "das Mittelalter". Jedem Laien fallen in mittelalterlichen Kirchen die grausamen Szenen der Altarbilder auf: Hier wird ein nackter Mann in kochendem Öl getötet, dort wird einer heiligen Jungfrau die Brust abgeschnitten. Stricke, Nägel, Folterwerkzeuge - wohin man blickt. Gemälde und Skulpturen zeigen den geschundenen Körper des Gekreuzigten, der zum Mitleiden auffordert und zur Meditation. Es gab eine spätmittelalterliche Theologie des Kreuzes und des Martyriums, die auch Luther fortgeführt hat. Daher spricht Groebner von einer "Kultur der Gewalt", von einer geschichtlich-spezifischen Art des Zeigens und Sehens von Grausamkeiten. Er gibt den altbekannten Tatsachen und frommen Bildmotiven einen geschichtlichen Ort, eben die spätmittelalterliche Stadt vor allem der Alpenländer und des alten Reichsgebiets. Reale Szenen von Hinrichtungen und Schlachtfeldern aktualisierten die Legenden der Heiligen.

Groebner will, scheint es, nicht dahin verstanden werden, als hätten die heutigen Bilder brutaler Entstellung im "Mittelalter" ihre "Wurzeln" oder "Ursprünge". Er historisiert das Sehen der Grausamkeiten; er glaubt nicht an die Etiketten der Epochennamen und nicht an die Kontinuitäten früherer Kulturhistoriker. Dies macht den intellektuellen Anspruch und den ästhetischen Reiz seiner Studien aus. Der Autor hat ein gescheites und anregendes Buch geschrieben. Aber ob es ihm gelingt, den schwerbeweglichen Troß deutschsprachiger Historiker in eine neue Richtung zu bewegen, das kann man bezweifeln. Er präsentiert eine Fülle divergierenden Materials; die einzelnen Studien, aus denen er sein Buch zusammengestellt hat, sind allemal informativ, fügen sich aber nur mühsam zu einem Gesamtbild. Die methodischen Reflexionen sind hingetupft und gehen zuweilen über in ein Feuerwerk postmoderner Rhetorik. Es wäre schön gewesen, er hätte die leitenden Ideen genauer formuliert und den Unterschied zu Italien nicht bloß angedeutet. Selbst das hervorstechendste Thema des Buches, das Abschneiden der Nase, bleibt in essayistischem Zwielicht: Kam diese Art der Verstümmelung im späten Mittelalter häufiger vor als früher, oder verschwand diese grausame Strafe gerade in dieser Zeit aus dem Repertoire der Gerichtsbarkeit? Das möchte man genauer wissen.

Der Verfasser umspielt seine Thesen mit Anekdoten und unterhält damit seinen Leser. Das ist als Lockerungsübung höchst förderlich. Aber ein paradigmatischer Entwurf einer neuen Kulturwissenschaft verlangt etwas mehr. Jedes Wissen vom Mittelalter, heißt es, sei eine Funktion der Zeit des Historikers, aber gibt es nicht auch in jeder Gegenwart ein Verbessern und eine begründete Kritik am zeitgleichen Mittelalterbild? Das Verhältnis von Mittelalter und aktueller Gegenwart sähe ich gern ruhiger und mit mehr Sorge um argumentative Kohärenz behandelt.

Es kann kein Zweifel sein: Der religiös motivierte oder religiös kaschierte Terrorismus der letzten beiden Jahre hat die Aufmerksamkeit der Historiker auf Katastrophen und apokalyptische Visionen der älteren Zeit zurückgelenkt. Ich habe nach zweimaligem Lesen Groebners Schrift dahin verstanden, als wolle er nicht sagen, die mittelalterlichen Darstellungen "ungestalten" Lebens hätten in uns Dispositionen geschaffen, die unser Sehen von Gewaltszenen mitprägen. Ganz klar scheint mir der Text in dieser wichtigen Frage nicht. Groebners Vorschlag einer Reform der Kulturwissenschaften läuft nicht darauf hinaus, sie sollten uns zeigen, daß es den Terror früher "auch schon" gab. Vielmehr sollen sie das Wechselspiel von Bildern und Realität, von Vergangenheit und Gegenwart unter wechselnden historischen Konstellationen als variabel und kontingent analysieren. Die Darstellungen der älteren Kunst bilden nicht einfach ab, sondern erzeugen Realität. Das Vergangene verändert sich mit den laufenden Ereignissen. Auf diese "Dialektik" weist Groebners Essay den Betrachter mittelalterlicher Bilder auf informative Weise hin.

Valentin Groebner: "Ungestalten". Die visuelle Kultur der Gewalt im Mittelalter. Hanser Verlag, München 2003. 203 S., geb., 17,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Zwar hat Volker Reinhardt einiges auszusetzen an diesem Buch, aber "weil es furios geschrieben ist, Wissenschaft gekonnt popularisiert und vielfältig provoziert", empfiehlt er es dennoch sehr wohlwollend der geneigten Leserschaft. Das Thema Valentin Groebners ist für Reinhardt nicht nur die Kritik an den populären und akademischen Mythen über das Mittelalter, beispielsweise, dass es "gegenüber Gewalt abgestumpft gewesen sei", sondern auch die Frage nach der Kontinuität des Propagandawerts eines verstümmelten Körpers. Die zur Schau gestellten Leichen der Söhne Saddam Husseins sind für den Rezensenten zwar schlagende Beispiele "neuester Aktualisierung", aber dennoch will er im beackerten Zeitfeld von acht Jahrhunderten doch eher "einige Konstanten und viele Variablen" sehen. Er kreidet dem Autor diese "Zeitsprünge" dennoch nicht allzu sehr an, sondern erfreut sich lieber an den "durchweg fesselnd erzählten Episoden", mit deren Hilfe Groebner den düsteren Acker eines komplexen politisch-ästhetischen Feldes durchpflügt habe.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Warum eigentlich faszinieren uns bildliche Darstellungen von extremer Gewalt so sehr? Das fragt der Historiker Valentin Groebner und findet Antworten...eine lohnende Lektüre weit über das historische Seminar hinaus." Barbara Basting, Tages-Anzeiger-Zürich, 19.12.03