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Mit Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine hat der spätestens seit der russischen Annexion der Krim im Jahr 2014 schwelende Konflikt zwischen beiden Staaten die höchste Eskalationsstufe erreicht. Seit dem 18. Jahrhundert zeigte sich im Verhältnis dieser eng miteinander verbundenen Völker zunehmend eine Asymmetrie. Sie gipfelte darin, dass Russland im 19. Jahrhundert die "Kleinrussen", wie die Ukrainer damals offiziell hießen, nicht als eigenständige Nation mit einer von Russland getrennten Geschichte anerkannte. Diese Sicht hat sich in Russland bis heute erhalten und ist auch im Westen verbreitet. Dagegen erzählt Andreas Kappeler die Geschichte dieser ungleichen Brüder als Wechselspiel von Verflechtungen und Entflechtungen. Nicht zuletzt trägt es zum Verständnis der aktuellen Eskalation bei.
Mit einem neuen Kapitel, das die Entwicklungen von der russischen Annexion der Krim 2014 bis heute nachzeichnet Seit Februar 2022 wurden über 30.000 Exemplare verkauft
Mit Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine hat der spätestens seit der russischen Annexion der Krim im Jahr 2014 schwelende Konflikt zwischen beiden Staaten die höchste Eskalationsstufe erreicht. Seit dem 18. Jahrhundert zeigte sich im Verhältnis dieser eng miteinander verbundenen Völker zunehmend eine Asymmetrie. Sie gipfelte darin, dass Russland im 19. Jahrhundert die "Kleinrussen", wie die Ukrainer damals offiziell hießen, nicht als eigenständige Nation mit einer von Russland getrennten Geschichte anerkannte. Diese Sicht hat sich in Russland bis heute erhalten und ist auch im Westen verbreitet. Dagegen erzählt Andreas Kappeler die Geschichte dieser ungleichen Brüder als Wechselspiel von Verflechtungen und Entflechtungen. Nicht zuletzt trägt es zum Verständnis der aktuellen Eskalation bei.
Mit einem neuen Kapitel, das die Entwicklungen von der russischen Annexion der Krim 2014 bis heute nachzeichnet Seit Februar 2022 wurden über 30.000 Exemplare verkauft
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 30.12.2022Jürgen Osterhammel
Historiker
Seit dem 24. Februar 2022 ist eine Fülle von Literatur über das unheilvolle Geschehen erschienen: Selbstzeugnisse aus der Ukraine, Reportagen, Analysen, Prognosen. Einige der Bücher, die nach wie vor besonders hilfreich für das Verstehen historischer Hintergründe sind, wurden bereits kurz vor der Verschärfung der russischen Aggression geschrieben. Sie haben einen großen Angriffskrieg nicht vorausgesehen, zeigen aber die Bedingungen, unter denen es dazu kam. Die verbreitete Fixierung auf die Psyche Putins erweist sich dabei als zu eng; die Ursachen liegen tiefer. Alles Nötige zur gemeinsamen Geschichte Russlands und der Ukraine erfährt man in Andreas Kappelers gehaltvollem Büchlein „Ungleiche Brüder: Russen und Ukrainer. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart“ (C.H. Beck, München 2022, 267 Seiten, 17 Euro), dem Ergebnis jahrzehntelanger Studien eines der besten Kenner der Imperien im osteuropäischen Raum. Ein völlig anderes, aber ebenso wichtiges Buch, auf die internationale Diplomatie in den Neunzigerjahren konzentriert, ist Mary E. Sarottes „Not One Inch: America, Russia and the Making of Post-Cold War Stalemate“ (Yale University Press, 2021, 568 Seiten, 32 Euro). Als Putin 2000 ins Präsidentenamt kam, so Sarotte, war eine neue Art der Entfremdung zwischen Russland und dem Westen bereits angebahnt. Die Jahre unter Clinton und Jelzin waren auf beiden Seiten eine Zeit verpasster Gelegenheiten. Statt einer neuen Friedensordnung entstand ein konfliktträchtiges Patt.
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Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Historiker
Seit dem 24. Februar 2022 ist eine Fülle von Literatur über das unheilvolle Geschehen erschienen: Selbstzeugnisse aus der Ukraine, Reportagen, Analysen, Prognosen. Einige der Bücher, die nach wie vor besonders hilfreich für das Verstehen historischer Hintergründe sind, wurden bereits kurz vor der Verschärfung der russischen Aggression geschrieben. Sie haben einen großen Angriffskrieg nicht vorausgesehen, zeigen aber die Bedingungen, unter denen es dazu kam. Die verbreitete Fixierung auf die Psyche Putins erweist sich dabei als zu eng; die Ursachen liegen tiefer. Alles Nötige zur gemeinsamen Geschichte Russlands und der Ukraine erfährt man in Andreas Kappelers gehaltvollem Büchlein „Ungleiche Brüder: Russen und Ukrainer. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart“ (C.H. Beck, München 2022, 267 Seiten, 17 Euro), dem Ergebnis jahrzehntelanger Studien eines der besten Kenner der Imperien im osteuropäischen Raum. Ein völlig anderes, aber ebenso wichtiges Buch, auf die internationale Diplomatie in den Neunzigerjahren konzentriert, ist Mary E. Sarottes „Not One Inch: America, Russia and the Making of Post-Cold War Stalemate“ (Yale University Press, 2021, 568 Seiten, 32 Euro). Als Putin 2000 ins Präsidentenamt kam, so Sarotte, war eine neue Art der Entfremdung zwischen Russland und dem Westen bereits angebahnt. Die Jahre unter Clinton und Jelzin waren auf beiden Seiten eine Zeit verpasster Gelegenheiten. Statt einer neuen Friedensordnung entstand ein konfliktträchtiges Patt.
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
Im Rahmen seiner "kleinen Ukraine-Bibliothek" stellt Kritiker Christian Thomas das zuerst bereits 2017 erschienene Sachbuch des Osteuropahistorikers Andreas Kappeler über die schwierigen Beziehungen zwischen Russland und der Ukraine vor. Aufgrund des andauernden Krieges hat es eine erweiterte Neuauflage erfahren, informiert er und beginnt sodann, Kappelers roten Faden nachzuerzählen. Die Geschichte verläuft von dem Gründungsmythos der Kiewer Rus über das Zarenreich bis zu Stalins Hungerterror in der Ukraine, lernt Thomas, dabei klärt der Historiker auch über die von Russland verbreiteten Narrative auf, die eine Allmacht über die Ukraine legitimieren wollen. Denen stellt er die miteinander verschränkte, für den Rezensenten absolut lesenswerte Geschichte zweier "Ungleicher Brüder" gegenüber, die für den Rezensenten schon zum Standardwerk dieser Beziehung avanciert ist.
© Perlentaucher Medien GmbH
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