Die Beiträge dieses Bandes stellen acht Paare vor, deren Ungleichheit auf verschiedenen Konstellationen beruht: Auf Standes- und Altersunterschieden (Adliger und Bürgerstochter, Schüler und Lehrerin), auf Dienst- oder Abhängigkeitsverhältnissen (Kleriker und Magd, Herzog und Alchemist), oder auf jeweils anderen Vorstellungen über Macht, Recht, Ehre und Kindererziehung (Zunftmeister und Obrigkeit, Bauer und Landesherr). Die Untersuchung des nicht immer harmonischen Miteinanders dieser Paare, ihrer Lebensumstände und Lebensgefühle bietet eine kleine Kulturgeschichte zwischenmenschlicher Beziehungen.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.07.1997Paare, Kombattanten
Wenn zwei sich finden, beginnt bisweilen ein Leidensweg
Wenn zwei sich finden, sind wir selbst im Sachbuch gern Voyeure: 107 lieferbare Titel zum Thema "Paare" bietet der Buchhandel an, und weil die Konjunktur so gut läuft, gibt's neuerdings auch Liebesbriefe und Biographien prominenter Leute im Doppelpack und dazu "Brüder", "Schwestern" und "Freunde" in gemeinsamem Porträt. In einem Genre, wo ständig darüber meditiert wird, was Paare zusammenhält, fällt jedes Buch auf, das nicht die Einheit zu zweit beschwört.
Der widerspruchsvolle Titel "Ungleiche Paare", den die Saarbrücker Kulturwissenschaftlerin Eva Labouvie und ihre Historiker-Kollegen für ihr Gemeinschaftswerk gewählt haben, signalisiert von vornherein Konflikt und Disharmonie in der Paarkonstellation. An Männern und Frauen aus sechs Jahrhunderten zeigen die Autoren, wie Alters- und Standesunterschiede, Interessen- und Meinungsdifferenzen auf die Verständigung und das gemeinsame Handeln der durch Liebe, Haß oder Zufall verbundenen Paare einwirken.
"Der verliebte Alte" von Lukas Cranach auf dem Umschlag, den eine junge Schöne so zärtlich umschlungen hält, verheißt dabei eine Harmonie, die auf keine der sich hier kreuzenden Lebenslinien zutrifft. Aber Liebespaare sind in dem Buch sowieso eine Rarität. Allenfalls in zwei Geschichten geht es um Partnerwahl im traditionellen Sinne, und das Fiasko in beiden Fällen zeigt, daß der Spruch von den Gegensätzen, die sich anziehen, wenig weise ist. Die meisten Doppel bei Labouvie finden nicht zusammen, weil sie sich verlieben und zusammenbleiben wollen, sondern weil Sachgründe sie aneinanderketten, und das in einem Gefüge von Autorität, Macht und Abhängigkeit. Je ernsthafter der Dissens, um so schwerer fällt die gemeinsame Sprache und die Einigung.
Der versammelte Personenkreis und seine Sorgen und Nöte könnten dabei kaum heterogener sein: Die erste Studie handelt von Klerikern im späten Mittelalter, ihren Mägden und wie sie sich in ihren Testamenten nach Art von Eheleuten gegenseitig bedachten. Dann geht es um die unglückliche Liaison zwischen einem Reichsritter und einer Bürgertochter aus Colmar im sechzehnten Jahrhundert. Die verlassene junge Frau klagte vor dem bischöflichen Rat und erzwang ihre Anerkennung als Ehefrau des Adeligen. Der Richterspruch nützte ihr allerdings nicht viel: Der treulose Liebhaber blieb für immer jenseits der Grenze im benachbarten Ausland.
Während sich diese und andere Geschichten erwartungsgemäß um die Mann-Frau-Beziehung ranken, werden in dem Buch auch einige Konstellationen zwischen Männern beschrieben. Hier geht es um Konflikte, die auf ökonomischer oder hierarchischer Abhängigkeit beruhen. Gleichwohl triumphiert letztlich der schwächere Partner. Da gab es zum Beispiel den Kölner Kornmesser, der bis zur Querulanz unerschrocken auftrat: Er ging erfolgreich auf Konfrontationskurs zum Bürgermeister und allen einflußreichen Leuten der Stadt, nachdem man ihm Unterschlagung vorgeworfen hatte. Auch der trickreiche Alchimist aus einer anderen Geschichte erwies sich gegenüber seinem Pfalzgrafen als der Stärkere: Er leerte die Staatsschatulle des goldgierigen Landesfürsten bis zur Neige und brachte es selbst zu beachtlichem Vermögen und hohen Staatsämtern, während das Herzogtum in den wirtschaftlichen Ruin trieb.
Der rote Faden in diesem diffusen Menschen- und Problemgemisch ist der historisch-anthropologische Blick auf das Phänomen des ungleichen Paares. Testamentsniederschriften, Briefe, Tagebücher, Gerichtsprotokolle und Verwaltungsakten erlauben dabei die erstaunlich präzise Rekonstruktion weit zurückliegender Lebensumstände und Lebensgefühle. Brennpunkt ist die zahlenmäßig kleinste zwischenmenschliche Beziehung, die den Soziologen nicht einmal als Gruppe gilt. Sie läßt dem Individuum offenbar auch in rigiden Hierarchien und unter widrigen Umständen erstaunliche Möglichkeiten zu Eigeninitiative und Profilierung. ULLA FÖLSING
Eva Labouvie (Hrsg.): "Ungleiche Paare". Zur Kulturgeschichte menschlicher Beziehungen. Verlag C. H. Beck, München 1997. 240 S., br., 19,80 DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wenn zwei sich finden, beginnt bisweilen ein Leidensweg
Wenn zwei sich finden, sind wir selbst im Sachbuch gern Voyeure: 107 lieferbare Titel zum Thema "Paare" bietet der Buchhandel an, und weil die Konjunktur so gut läuft, gibt's neuerdings auch Liebesbriefe und Biographien prominenter Leute im Doppelpack und dazu "Brüder", "Schwestern" und "Freunde" in gemeinsamem Porträt. In einem Genre, wo ständig darüber meditiert wird, was Paare zusammenhält, fällt jedes Buch auf, das nicht die Einheit zu zweit beschwört.
Der widerspruchsvolle Titel "Ungleiche Paare", den die Saarbrücker Kulturwissenschaftlerin Eva Labouvie und ihre Historiker-Kollegen für ihr Gemeinschaftswerk gewählt haben, signalisiert von vornherein Konflikt und Disharmonie in der Paarkonstellation. An Männern und Frauen aus sechs Jahrhunderten zeigen die Autoren, wie Alters- und Standesunterschiede, Interessen- und Meinungsdifferenzen auf die Verständigung und das gemeinsame Handeln der durch Liebe, Haß oder Zufall verbundenen Paare einwirken.
"Der verliebte Alte" von Lukas Cranach auf dem Umschlag, den eine junge Schöne so zärtlich umschlungen hält, verheißt dabei eine Harmonie, die auf keine der sich hier kreuzenden Lebenslinien zutrifft. Aber Liebespaare sind in dem Buch sowieso eine Rarität. Allenfalls in zwei Geschichten geht es um Partnerwahl im traditionellen Sinne, und das Fiasko in beiden Fällen zeigt, daß der Spruch von den Gegensätzen, die sich anziehen, wenig weise ist. Die meisten Doppel bei Labouvie finden nicht zusammen, weil sie sich verlieben und zusammenbleiben wollen, sondern weil Sachgründe sie aneinanderketten, und das in einem Gefüge von Autorität, Macht und Abhängigkeit. Je ernsthafter der Dissens, um so schwerer fällt die gemeinsame Sprache und die Einigung.
Der versammelte Personenkreis und seine Sorgen und Nöte könnten dabei kaum heterogener sein: Die erste Studie handelt von Klerikern im späten Mittelalter, ihren Mägden und wie sie sich in ihren Testamenten nach Art von Eheleuten gegenseitig bedachten. Dann geht es um die unglückliche Liaison zwischen einem Reichsritter und einer Bürgertochter aus Colmar im sechzehnten Jahrhundert. Die verlassene junge Frau klagte vor dem bischöflichen Rat und erzwang ihre Anerkennung als Ehefrau des Adeligen. Der Richterspruch nützte ihr allerdings nicht viel: Der treulose Liebhaber blieb für immer jenseits der Grenze im benachbarten Ausland.
Während sich diese und andere Geschichten erwartungsgemäß um die Mann-Frau-Beziehung ranken, werden in dem Buch auch einige Konstellationen zwischen Männern beschrieben. Hier geht es um Konflikte, die auf ökonomischer oder hierarchischer Abhängigkeit beruhen. Gleichwohl triumphiert letztlich der schwächere Partner. Da gab es zum Beispiel den Kölner Kornmesser, der bis zur Querulanz unerschrocken auftrat: Er ging erfolgreich auf Konfrontationskurs zum Bürgermeister und allen einflußreichen Leuten der Stadt, nachdem man ihm Unterschlagung vorgeworfen hatte. Auch der trickreiche Alchimist aus einer anderen Geschichte erwies sich gegenüber seinem Pfalzgrafen als der Stärkere: Er leerte die Staatsschatulle des goldgierigen Landesfürsten bis zur Neige und brachte es selbst zu beachtlichem Vermögen und hohen Staatsämtern, während das Herzogtum in den wirtschaftlichen Ruin trieb.
Der rote Faden in diesem diffusen Menschen- und Problemgemisch ist der historisch-anthropologische Blick auf das Phänomen des ungleichen Paares. Testamentsniederschriften, Briefe, Tagebücher, Gerichtsprotokolle und Verwaltungsakten erlauben dabei die erstaunlich präzise Rekonstruktion weit zurückliegender Lebensumstände und Lebensgefühle. Brennpunkt ist die zahlenmäßig kleinste zwischenmenschliche Beziehung, die den Soziologen nicht einmal als Gruppe gilt. Sie läßt dem Individuum offenbar auch in rigiden Hierarchien und unter widrigen Umständen erstaunliche Möglichkeiten zu Eigeninitiative und Profilierung. ULLA FÖLSING
Eva Labouvie (Hrsg.): "Ungleiche Paare". Zur Kulturgeschichte menschlicher Beziehungen. Verlag C. H. Beck, München 1997. 240 S., br., 19,80 DM.
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