„Designierte Nachfolger“ haben auch heute immer noch etwas Provisorisches. Sie sind Nachfolger auf Abruf, aber mit der Möglichkeit, es doch nicht zu werden. In früheren Jahrhunderten gab es so etwas auch schon, meistens waren es die Kinder von regierenden Herrschern, die sich in einer feindlichen
Umwelt behaupten mussten. Viele von ihnen überlebten die avisierte Nachfolge nicht oder nur kurz. Die…mehr„Designierte Nachfolger“ haben auch heute immer noch etwas Provisorisches. Sie sind Nachfolger auf Abruf, aber mit der Möglichkeit, es doch nicht zu werden. In früheren Jahrhunderten gab es so etwas auch schon, meistens waren es die Kinder von regierenden Herrschern, die sich in einer feindlichen Umwelt behaupten mussten. Viele von ihnen überlebten die avisierte Nachfolge nicht oder nur kurz. Die Söhne Alexanders des Großen und Julius Caesars gehören ebenso dazu wie der letzte Bourbone Louis Charles oder der Sohn des letzten Zaren. Andere führten die ihnen vererbten Reiche in den Untergang, wie der letzte österreichische Kaiser Karl. Napoleons einzigem Sohn, über dessen charakterliche Uneignung sich die Zeitgenossen einig waren, blieb es zum Glück verwehrt, überhaupt in diese Lage zu kommen.
Jochen Oppermann hat die oft filmreifen Geschichten um verhinderte, verjagte oder früh verstorbene Thronfolger in präzisen Miniaturen ein Denkmal gesetzt. Es gelingt ihm, die meist recht komplexen Hintergründe in einen flüssigen Zusammenhang zu bringen, so dass selbst Leser, die in Geschichte nicht jedes Detail parat haben, keine Mühe haben, ihm zu folgen. Die Beispiele sind der Zeit zwischen 300 v. Chr. und dem Ende des 1. Weltkriegs entnommen und stammen aus Herrscherhäusern in ganz Europa. Oft kennt man die Personen selbst kaum, sondern viel mehr ihre Vorfahren, oder ihre Namen sind zu geflügelten Worten geworden, deren tragischer Hintergrund längst vergessen ist. Erzählenswert und hochspannend sind dabei alle diese Geschichten.
Oppermann schreibt in routiniertem journalistischen Stil, in dem er regelmäßig Originalzitate einflicht, ohne dass die Lektüre dadurch mühsam würde. Besonderen Wert legt er darauf, dass die Protagonisten als Menschen erkennbar werden, die als Spielball der Geschichte Opfer der jeweiligen Umstände werden. Zwar wachsen sie meist in einem goldenen Käfig auf, aber es ist und bleibt eben immer ein Käfig und sie sind Marionetten, deren Fäden die eigentlich Mächtigen ziehen.
(Dieses Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)