Je bedrohlicher die Weltlage wird, umso stärker spüren wir, wie sehr wir global aufeinander angewiesen sind. Doch obwohl wir alle verwundbar sind, ist Verwundbarkeit ungleich verteilt. Wie aber lässt sich Ungleichheit ausgehend von Körpern denken? Anhand von Schulden- und Austeritätspolitiken untersucht Jule Govrin in ihrem fesselnden Buch, wie Menschen durch Formen der differentiellen Ausbeutung ungleich gemacht werden. Und sie begibt sich auf die Suche nach gelebter Gleichheit in der Gegenwart. Gleichheit erscheint so nicht als fernes Ideal, sondern als prekäre Praxis, welche die Sorge umeinander in den Vordergrund stellt. In solidarischen Gefügen und egalitären Körperpolitiken blitzt ein Universalismus von unten auf.
Perlentaucher-Notiz zur Dlf Kultur-Rezension
Rundum glücklich wird Rezensent Thomas Groß nicht mit dieser Verteidigung des Universalismus, allerdings misstraut er auch seinem eigenen Unbehagen. Die Philosophin Jule Govrin will, erfahren wir, den Universalismus nicht mit Berufung auf die Kant'sche Vernunft retten, sondern vom Körper her denken. Auf Theorieseite stehen dabei Denker wie Marx und Mbembe mitsamt ihrer Gewaltanalysen sowie Butler und Bourdieu mit ihren Gedanken zu Verkörperung von Macht Pate, beschreibt Groß. Freilich sind diese Theoriepassagen ziemlich umfangreich und abstrakt geraten, findet der Rezensent, die Praxisbeispiele einer laut Govrin hoffnungsvollen, egalitär gedachten Körperpolitik beschränken sich auf Suppenküchen, feministische Streiks und ähnliches. Kommt man damit der komplexen Realität des Kapitalismus bei? Groß hat da seine Zweifel und vermutet, dass auch diese Utopie an den Versuchen ihrer Konkretion zerbrechen könnte. Gleichzeitig allerdings merkt er an, dass engagierte Versuche wie dieser, Gemeinschaft neu zu denken, in Zeiten wie den unseren durchaus wichtig sind.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Wir [haben] es hier mit einem wirklich wichtigen Buch zu tun ..., das haargenau in unsere Zeit passt.« Nora Eckert queer.de 20250207