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A shocking expose of the causes of Asia's massive gender imbalance and its consequences across the globe

Produktbeschreibung
A shocking expose of the causes of Asia's massive gender imbalance and its consequences across the globe
Autorenporträt
Mara Hvistendahl's writing has appeared in Harper's, the New Republic, Scientific American, the Financial Times magazine, Popular Science, Foreign Policy, and the Los Angeles Times. A correspondent for the Chronicle of Higher Education and former contributing editor at Seed magazine, Mara has won an Education Writers Association award and been nominated for the Newswomen's Club of New York Front Page Award. She first lived in Asia over a decade ago, when her studies took her to Beijing. She has spent half of the years since then in China, a base from which she reported extensively from around the continent.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 02.03.2012

Hast du keinen Jungen,
verlierst du dein Gesicht
Frauenmangel und Männerüberschuss: Ein Buch über die
dramatischen Folgen selektiver Geburtenkontrolle in Asien
Puneet Bedi hatte sein Schlüsselerlebnis 1978. Der Medizinstudent arbeitete auf der Entbindungsstation einer angesehenen städtischen Klinik in Delhi, als ihm eine Katze mit einem kleinen blutigen Bündel im Maul entgegenlief. Im OP fand Bedi heraus, woher die Beute stammte: Auf einem Tablett lagen die blutigen Reste eines fünf oder sechs Monate alten, abgetriebenen Embryos. Warum wurde so pietätlos damit umgegangen, warum ließ man sogar eine Katze an den Embryo? „Weil es ein Mädchen war“, erklärte ihm die Schwester kühl.
Bedi musste sich an solche Szenen schnell gewöhnen. Ende der siebziger Jahre gehörten in Indien Abtreibungen weiblicher Embryonen zum Alltag in den Kliniken. Nicht nur dort, sondern auch in China und in anderen asiatischen Ländern. Bis heute hat sich daran wenig geändert. Die grassierende Abtreibung weiblicher Föten hat dazu geführt, dass in ganz Asien mittlerweile 160 Millionen Mädchen und Frauen „fehlen“. Mara Hvistendahl hat sich aufgebürdet, dieses kaum beachtete Übel, diese schleichende Katastrophe umfassend zu recherchieren. Die in Peking lebende amerikanische Sinologin und Wissenschaftsjournalistin hat unzählige Ärzte, Mütter, Demografen, unfreiwillige Junggesellen und gekaufte Bräute in neun asiatischen Ländern aufgesucht. Ihr Buch ist so aufrüttelnd wie überfällig.
Das natürliche Geschlechterverhältnis lautet: Auf 100 geborene Mädchen kommen 105 Jungen. Es gibt mehr Jungen, weil Männer riskanter und gewalttätiger leben als Frauen, und sich das Missverhältnis auf diese Weise im Laufe der Lebensjahre ausgleicht. Eine Relation jenseits von 100 zu 107 ist biologisch unmöglich. In China allerdings betrug sie im Jahr 2010: 120 Jungen bei 100 Mädchen. Im Jahr 2030 wird einer von fünf chinesischen Männern kein weibliches Pendant haben.
Jungen sind in Asien seit je bevorzugt: Weil nur sie den Familiennamen fortführen und bestimmte Bestattungsrituale ausführen dürfen, weil sie später das bessere Gehalt beziehen, weil sie keine Mitgift kosten. Zugleich ist auf keinem Kontinent in den vergangenen fünfzig Jahren die Geburtenrate so massiv zurückgegangen wie in Asien. In den späten sechziger Jahren bekam dort eine Frau im Schnitt 5,7 Kinder, 2006 waren es nur noch 2,3. Das aber erhöht den Druck auf die Mütter, schon beim ersten oder zweiten „Versuch“ einen Jungen zu gebären.
An dieser Entwicklung trägt laut Hvistendahl der Westen eine Mitschuld, allen voran die USA. Amerikanische Wissenschaftler und Aktivisten förderten von den fünfziger Jahren an Programme zur Bevölkerungskontrolle. Verstärkt hat sie der Bestseller Die Bevölkerungsbombe (1968) von Paul Ehrlich. Der Biologe prognostizierte Hungersnöte, da die vorhandenen Ressourcen für die Überbevölkerung in den Entwicklungsländern, gerade in Asien, nicht länger ausreichten. Viele asiatische Eltern bekämen eine Tochter nach der anderen, bis endlich der ersehnte Sohn das Licht der Welt erblicke. Wenn aber ein Junge schon pränatal erkennbar sei – so die krude Argumentation –, könnten viele ungewollte (weibliche) Geburten verhindert werden. Westliche Organisationen wie die Weltbank oder die Rockefeller-Stiftung waren gleich zur Stelle, den Regierungen in Asien Geld und Medizintechnik zur Verfügung zu stellen, mit denen eine Bevölkerungsexplosion verhindert werden sollte. Dutzende arme Länder lockerten auf politischen Druck oder finanziellen Anreiz hin ihre Abtreibungsgesetze. In Südkorea etwa entstand mit US-Hilfe eine Flotte mobiler Kliniken zum Verordnen von Verhütungsmitteln, für Sterilisationen und Abtreibungen.
Was bevölkerungspolitisch im Ansatz richtig gewesen sein mag – man erinnere sich an die sorgenvolle Aufregung, als neulich der siebenmilliardste Mensch auf die Welt kam –, traf aber auf den geringen Status, den Mädchen in Asien haben, und wurde so zu einer frauenfeindlichen Maßnahme. Ultraschall und Fruchtwasseruntersuchungen waren ursprünglich entwickelt worden, um Missbildungen oder Krankheiten früh zu erkennen. Jetzt dienten solche Techniken dazu, unerwünschte Mädchen zu identifizieren. Abtreibung wurde zum Verhütungsersatz, auch weil Verhütungsmittel oft nicht verfügbar waren. So legalisierte Japan die Anti-Baby-Pille erst 1999.
Und die Frauen? Sie machen mit, stehen sie doch unter gewaltigem sozialen Druck, einen Sohn zu gebären. Hvistendahl zitiert eine junge Chinesin: „Wenn du keinen Jungen hast, verlierst du dein Gesicht.“ Es sei eine ähnliche Begründung, mit der afrikanische Mütter ihre Töchter der Genitalverstümmelung auslieferten: Weil unbeschnittene Mädchen kaum eine Chance haben, verheiratet zu werden. Frauen, so Hvistendahl, wüssten am besten, wie schwer es sei, eine Frau zu sein und von der männlich geprägten Gemeinschaft geächtet zu werden. Und so werden sie zu ihrem eigenen Feind, wirken mit beim Verstümmeln und Vernichten ihres Geschlechts.
Die Folgen sind sichtbar. Gerade auf dem Land haben Männer in China, Taiwan oder Südkorea immer schlechtere Chancen, eine Ehefrau zu finden. „Brautkäufe“ in ärmeren Nachbarländern wie Vietnam, Malaysia oder Kambodscha nehmen zu. Aber nicht jeder Junggeselle kann sich das leisten, und so berichtet man inzwischen von regelrechten Frauenraubzügen. Auch die Prostitution nimmt zu und damit die Ausbreitung von Aids und Syphilis. In manchen Regionen Chinas kehren Eltern zu Kinderehen zurück, um ihrem Sohn so früh wie möglich eine Partnerin zu sichern. Zudem führt ein Männerüberschuss unweigerlich zu Gewaltexzessen; die Autorin nennt anschauliche Beispiele vom Alten Rom bis zur Besiedlung der USA.
Mara Hvistendahl hat eine enorme Fleißarbeit geliefert. Mitunter übertreibt sie es mit der Ausführlichkeit der Anekdoten, Nebengeschichten und Einzelschicksale. Und an mancher Kausalität muss man stark zweifeln, etwa dass China auf westlichen Druck hin 1980 seine Ein-Kind-Politik eingeführt habe. Dennoch ist ihr Buch sehr verdienstvoll, auch wenn es für 160 Millionen ungeborene Mädchen zu spät kommt.
VIOLA SCHENZ
MARA HVISTENDAHL: Unnatural Selection. Choosing Boys Over Girls, and the Consequences of a World Full of Men. Public Affairs, New York 2011. 314 Seiten, 26,99 US-Dollar.
Durch Abtreibung „fehlen“ in
Asien heute 160 Millionen
Mädchen und Frauen
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