Geglückter Einstand einer hoffentlich neuen Krimireihe
Ruth Holländer, 49, geschieden und alleinerziehende Mutter von fast erwachsenen Kindern hat neben Alltag, Kindern und ihrem Bistro, das sie seit fast 5 Jahren führt, genug um die Ohren. Daher ist sie wenig begeistert, als ihr ein Schreiben
vom Amtsgericht mitteilt, daß sie für 5 Jahre als Schöffin ernannt wurde. Nur widerwillig begibt sich…mehrGeglückter Einstand einer hoffentlich neuen Krimireihe
Ruth Holländer, 49, geschieden und alleinerziehende Mutter von fast erwachsenen Kindern hat neben Alltag, Kindern und ihrem Bistro, das sie seit fast 5 Jahren führt, genug um die Ohren. Daher ist sie wenig begeistert, als ihr ein Schreiben vom Amtsgericht mitteilt, daß sie für 5 Jahre als Schöffin ernannt wurde. Nur widerwillig begibt sich Ruth zum genannten Termin ins Gericht, leider recht naiv und unvorbereitet, ohne zu wissen, was auf sie zukommen wird.
Ihr 1. Fall ist ausgerechnet ein Mordfall. Mit 23 Messerstichen wurde äußerst brutal die 16-jährige Kurdin Derya getötet. Angeklagt ist ihr älterer Bruder Aras, der den zu westlichen Lebensstil der Schwester missbilligt haben soll. Also ein Ehrenmord? Ruth ist sofort von dem Fall eingenommen. Sie kann sich Aras nicht als Täter vorstellen. Der Bruder macht vor Gericht nicht den Eindruck eines Mörders, allerdings hilft er auch nicht viel, Licht ins Dunkle zu bringen, da er kaum etwas aussagt. Da Ruth selbst Muttter ist und von dem einige Monate zurückliegenden Mord in der Zeitung gelesen hatte, Derya zudem auch auf der gleichen Schule wie ihre Tochter gegangen ist, belastet das Gerichtsverfahren Ruth immer mehr. Sie möchte gerne mit anderen über das Verfahren und ihre Zweifel sprechen, doch dies alles darf man als Schöffin im laufenden Verfahren nicht. Ruth will aber zu einem gerechten Urteil gelangen, zu stark sind ihre persönlichen Zweifel an Aras Schuld und so verschafft sich Ruth mit alten Zeitungsausschnitten einen Überblick über den Mord.
Derya hatte einen deutschen Freund, diesen aber nie ihren Eltern vorgestellt, wohl nicht aus Angst, sondern eher aus normaler jugendlicher Scham. Valentin, ihr Freund und Mitschüler, stammt zwar aus reichem und vornehmen Haus, hat es aber zu Hause nicht leicht. Seine Mutter ist eine sehr ehrgeizige Frau und missbilligt seine Freundschaft zu Derya. Derya hingegen hatte ein liebevolles Elternhaus, ihre kurdischen Wurzeln schienen ihr keine Last zu sein, ihre Erziehung war nur wenig strenger als bei ihren deutschen Mitschülerinnen. Das Verhältnis zu ihrem Bruder war äußerst liebevoll. Einige Wochen zuvor war die Familie in die Türkei gereist, angeblich zu einem Versöhnungstreffen zwischen verschiedenen Stämmen. Zur Versöhnung sollte hier eine Heirat arrangiert werden, zum Wohle der verschiedenen Stämme. Derya war entsetzt als sie von ihrer Cousine Sergul erfahren muß, daß auch "sie im Spiel sei", hatte sie selbt bisher doch nur selten kurdische Traditionen in ihrer Familie erlebt. Durch Rückblenden in die Vergangenheit lernt der Leser die junge Derya noch ein wenig näher kennen, bis zu den letzten Stunden vor ihrem Tod.
Vor Gericht kommen immer neue Erkenntnisse zutage und das Verfahren wird verlängert. Es wird immer schwieriger für die Richter und die Laienrichter wie Ruth, sich ein Urteil zu bilden, zumal auch noch ein belastender Zeuge auftritt. Mehr sei nicht verraten.
Mir hat der Roman sehr gut gefallen. Die Idee mit einer Schöffin ist mir völlig neu und der 1. Fall ist absolut geglückt. Ruth Holländer ist eine sehr sympathische Protagonistin mit liebenswerten menschlichen Schwächen und einem gesunden Rechtsempfinden. Der Wechsel der Handlung von der Gegenwart in die Vergangenheit ist geschickt gewählt und erzeugt angenehme Spannung. Die Nebenhandlung um Ruth Holländers Familienleben und die ganz normalen Alltagssorgen und eine mögliche beginnende Romanze sind sehr unterhaltsam und lockern den Gerichtskrimi etwas auf. Das Thema um einen möglichen "Ehrenmord" wie wir ihn der Presse leider schon oft entnehmen mußten, ist gut recherchiert. Hier erfährt man vorurteilsfrei von den Konflikten unserer kurdisch-stämmigen Mitbewohnner in Deutschland, die einerseits voll integriert sind, aber auch fernab der Heimat noch an Tradition und Pflichten gebunden sind.
Ich freue mich schon sehr auf den nächsten Fall mit Schöffin Ruth Holländer.