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Bildung ist ein prachlich, kulturell und historisch bedingter Begriff mit einem sehr komplexen Begriffsinhalt und -umfang. Bildung ist ein Konstrukt, das unstrittig zu den Grundrechten der Menschen gehört und nur in Relation zum unmittelbaren Umfeld bewertet und gesehen werden kann (vgl. Klenner 2017, S. 15ff.; Banse/Meier 2013, S. 421). Im Hinblick auf Begriff und Inhalt von Bildung erinnert Hartmut v. Hentig daran: „Die Grundfunktion des Begriffes ist, die Identität des Bezeichneten zu sichern. Mit anderen Worten: Bildung bleibt Bildung – sofern es um den Begriff geht. Was sich ändert, sind…mehr

Produktbeschreibung
Bildung ist ein prachlich, kulturell und historisch bedingter Begriff mit einem sehr komplexen Begriffsinhalt und -umfang. Bildung ist ein Konstrukt, das unstrittig zu den Grundrechten der Menschen gehört und nur in Relation zum unmittelbaren Umfeld bewertet und gesehen werden kann (vgl. Klenner 2017, S. 15ff.; Banse/Meier 2013, S. 421). Im Hinblick auf Begriff und Inhalt von Bildung erinnert Hartmut v. Hentig daran: „Die Grundfunktion des Begriffes ist, die Identität des Bezeichneten zu sichern. Mit anderen Worten: Bildung bleibt Bildung – sofern es um den Begriff geht. Was sich ändert, sind die Definitionen, die wir vornehmen. Definitionen aber schaffen den Inhalt nicht, den wir denken sollen, sie grenzen ihn ein oder von anderem ab („fines“).“ (Hentig 2008, S. 13) Wir sprechen im vorliegenden Band vom Bildungsverständnis, das sich wandelt, da es vom kulturellen und zeitgeschichtlichen Kontext abhängt. Es gibt offenbar kein einheitliches Verständnis darüber, was Bildung umfasst. Wissen, Intellektualität, Selbstbestimmung, Mündigkeit, Emanzipation und Kultiviertheit stehen für Bildung – darin verankert spielen Individualität und Persönlichkeit eine bedeutende Rolle. Wenn wir allerdings mit dem Titel des Buches „unser“ Bildungsverständnis betonen, dann deshalb, weil die Autorinnen und Autoren von weitgehend einheitlichen Grundpositionen in ihrem Bildungsverständnis ausgehen. Das betrifft in erster Linie unser Verständnis von Bildung als Menschenrecht und das im Bildungsdenken enthaltene Menschenbild. Es lebt von der Idee eines mit umfassendem Wissen, vielfältigen Kompetenzen und verbindlichen Werten ausgestatteten Menschen, der sämtliche in ihm angelegten Fähigkeiten bei sich selbst ausbildet und sie für eine über die eigenen sozialen Milieugrenzen hinausreichende Lebensführung nutzt, die der Allgemeinheit dient (vgl. Groothoff 1986). Diese Abhandlungen gliedern sich in vier Kapitel. Das erste Kapitel trägt einen eher Grundpositionen sichernden Charakter. Da die philosophische Tradition eine Reihe von Positionen und Theorien zum Verständnis über Bildung hervorgebracht hat, widmet sich der Philosoph Gerhard Banse philosophischen Fragen der Bildung. Diese geben dem Band auch den Rahmen. Eine aktuell-gesellschaftskritische Perspektive nimmt der australische Bildungsforscher Viktor Jakupec ein, der sich der Analyse der neoliberalen und national-populistischen Bildungsagenda widmet. Ein ebenfalls aktuell strittiges Problem der Bildungspolitik greift der Leitende Oberschulrat a.a.D. Peter Hübner mit Positionen zum Anspruch von „Inklusion als Bildung für alle“ auf. Die Didaktiker der Sozialwissenschaften Tim Engartner und Balasundaram Krisanthan runden das einführende Kapitel ab, indem sie aufzeigen, wie Unternehmen, Stiftungen und Interessenverbände zunehmend Einfluss auf Bildungsprozesse in allgemeinbildenden Schulen nehmen. Im zweiten Kapitel wird von den Autorinnen und Autoren eine domänenspezifische, vorwiegend elementarpädagogische und bildungssoziologische Perspektive eingenommen. Die Kindheits- und Jugendforscherinnen Bianca Bredow, Odette Friebel, Julia Schmidt und Carolin Zimmermann sowie ihr Forschungsgruppenleiter Dietmar Sturzbecher zeigen in einem historisch-genetisch angelegten Beitrag auf, wie sich das Bild des Kindes und die Anforderungen an die Kindertagesbetreuung in der Vergangenheit stetig weiterentwickelt haben. Zugleich werden aktuelle Rahmenbedingungen der Kindertagesbetreuung beleuchtet, welche die Grundlage für eine kindorientierte Entwicklungsförderung darstellen. Dem jungen brandenburgischen Schulfach LER (Lebensgestaltung - Ethik - Religionskunde) widmet sich die Philosophin Marie-Luise Raters. Sie stellt in ihrem Beitrag argumentativ dar, inwieweit LER den Anforderungen an allgemeinbildende Schulfächer entspricht. Die Betriebswirtin Annette Hoxtell stellt Beziehungen zwischen Berufs- und Bildungsbegriffen her. Sie beleuchtet, welche Voraussetzungen für eine erfolgreiche initiale Berufswahl und die weitere Laufbahngestaltung notwendig sind. Aktuelle Fragen der Digitalisierung und ihre Implikationen für eine zeitgemäße ökonomische Bildung aus fachdidaktischer Perspektive greift die Fachdidaktikerin der ökonomischen Bildung Vera Kirchner auf. Einen ähnlichen Ansatz nutzt dann im folgenden Beitrag auch der Technikdidaktiker Bernd Meier. Ihm geht es um die Industrialisierungsstufen und ihren bisherigen Auswirkungen auf und zukünftigen Anforderungen an allgemeine technische Bildung. Das zweite Kapitel wird durch die Betrachtungen zum curricularen Basiskonzept der Nachhaltigkeit der Psychologin Majken Bieniok und des Lehrerbildners Carsten Hinz abgerundet. Neben Aussagen zum Bildungsverständnis im Konzept einer Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) werden auch Daten einer Befragung von Lehramtsstudierenden bezüglich des Nachhaltigkeitskonzepts dargestellt. Während sich das zweite Kapitel ausschließlich auf den Bereich der Allgemeinbildung bezieht, stehen die betriebliche und die akademische Berufsbildung sowie die Weiterbildung im Mittelpunkt des dritten Kapitels. Die Berufspädagogen Volkmar Herkner und Dieter Hölterhoff positionieren sich bezüglich der besonderen Bedeutung der beruflichen Bildung. Die Autoren stellen in einer historisch-genetischen Betrachtung den Weg von der Berufserziehung zur Berufsbildung dar, wobei sie auch die Problematik der Gleichwertigkeit von allgemeiner und beruflicher Bildung thematisieren. Internationale Betrachtungen runden den Beitrag ab. Davon ausgehend, dass eine solide Ausbildung der Lehrkräfte besonderen Einfluss auf die Qualität von schulischer Bildung hat, widmen sich die langjährigen Lehrerbildner Frank Tosch und Bernd Meier in ihren Beiträgen der Lehrkräfteausbildung aus historischer und aktueller Perspektive. Dabei geht Tosch den Zäsuren der Entwicklung der Lehrerbildung von der Aufklärung bis zum ersten Drittel des 20. Jahrhunderts nach und fragt nach dem darin angelegten konkreten Bildungsverständnis. In einem Ausblick – als bildungshistorischer Rückblick – tangiert er Entwicklungen in der BRD. Hier setzt dann der Beitrag von Meier an, der Entwicklungen der Lehrkräfteausbildung nach der politischen Wende aufgreift und Grundelemente des Potsdamer Modells der Lehrerbildung akzentuiert, die auch heute noch von Bedeutung sind. Die Weiterbildungsexperten und Wissenschaftler in den Bereichen Bilanzierung, Diagnostik und Entwicklung von Kompetenzen John Erpenbeck und Werner Sauter arbeiten in ihrem Beitrag Anforderungen an eine zeitgemäße Weiterbildung im Prozess des Arbeitslebens heraus. Sie fordern einen Paradigmenwechsel und plädieren unter anderem dafür, Arbeiten und Lernen mit Hilfe digitalisierter Systeme zusammen zu führen. Im vierten Kapitel werden internationale Erfahrungen aufgegriffen. Die international agierenden Pädagogen Cástor David Mora und Rolf Oberliesen verfolgen in ihrer Studie Probleme des Wandels der Bildung im Kontext gesellschaftlicher Transformation in Lateinamerika und der Karibik am Beispiel Boliviens. Der internationale Bildungsberater Nguyen Van Cuong verdeutlicht am Beispiel der Curriculum-Reformen in Vietnam, wie einerseits die konfuzianische Kultur als traditioneller kultureller Hintergrund die Bildungsentwicklung immer noch bestimmt und andererseits jedoch internationale Positionen vor allem zur Kompetenzentwicklung zu tiefergreifenden Veränderungen führen. Die australische Lehrerbildnerin Bernadette Walker-Gibbs stellt aktuelle Probleme und Entwicklungstendenzen der Ausbildung von Lehrkräften in Australien vor. Ihr geht es unter anderem um eine Stärkung der Subjektposition der Studierenden und eine verstärkte Berücksichtigung ihrer Interessen an einer qualitativ hochwertigen Ausbildung. Die Stipendiatin beim Avicenna-Studienwerk Safyah Hassan-Yavuz und der Lehrerbildner Björn Egbert thematisieren abschließend in ihrem Beitrag das Bildungsverständnis von Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland. Sie fokussieren dabei sowohl den intrapersonalen, als auch den intergenerationalen Wandel des Bildungsverständnisses vor dem Hintergrund der Bildungssituation in den angeführten Herkunftsländern. Mit diesem Band aus der Reihe „Abhandlungen der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin“ wird der Versuch unternommen, Bildung als ein Schlüsselproblem unserer Gesellschaft aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten. Besonders für eine aufgeklärte, „moderne“ Gesellschaft erweist sich Bildung als ein zentrales Element. Zugleich ist aber durchaus strittig, wie Bildung in und von der Gesellschaft jenseits von wirtschaftlichen Investitionen gefördert werden kann, zumal es im Detail unterschiedliche Auffassungen darüber gibt, was konkret als Bildung anzusehen ist. Wir bringen mit diesem Band ein erstes Zwischenergebnis aus unterschiedlichen Blickwinkeln zur Diskussion. Auch damit – das dürfte unstrittig sein – werden die vielfältigen Diskussionen zum Bildungsbegriff nicht vollständig abgebildet werden. Dies ist eine stetige Aufgabe und weitere Perspektiven werden folgen.