"Politiker und Journalisten haben eines gemeinsam: Sie sollen heute schon über Dinge urteilen, die sie erst morgen verstehen." Helmut Schmidt
"Das ist auch nicht schwieriger, als wenn man als Politiker in ein neues Ressort kommt und sich einarbeiten muss", sagte Helmut Schmidt, als er 1983 seinen Herausgeberposten bei der Zeit antrat. Ganz so einfach scheint es dann doch nicht gewesen zu sein, zumindest nicht für diejenigen, die bereits beim Blatt tätig waren. Er schärfte den Ressortleitern schon mal ein, "die Wohngemeinschafts- und Gossensprache der 68er-Generation" zurückzudrängen. Die konterten: "Eine Redaktion ist kein Ministerium." Dennoch: In dem Bestreben, eine tolerante, weltoffene Zeitung zu machen, herrschte Einigkeit. Pointiert und unterhaltsam zeichnet Theo Sommer den Aufstieg Helmut Schmidts zur politisch-moralischen Instanz nach.
"Das ist auch nicht schwieriger, als wenn man als Politiker in ein neues Ressort kommt und sich einarbeiten muss", sagte Helmut Schmidt, als er 1983 seinen Herausgeberposten bei der Zeit antrat. Ganz so einfach scheint es dann doch nicht gewesen zu sein, zumindest nicht für diejenigen, die bereits beim Blatt tätig waren. Er schärfte den Ressortleitern schon mal ein, "die Wohngemeinschafts- und Gossensprache der 68er-Generation" zurückzudrängen. Die konterten: "Eine Redaktion ist kein Ministerium." Dennoch: In dem Bestreben, eine tolerante, weltoffene Zeitung zu machen, herrschte Einigkeit. Pointiert und unterhaltsam zeichnet Theo Sommer den Aufstieg Helmut Schmidts zur politisch-moralischen Instanz nach.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.11.2010Viel erlebt
Helmut Schmidts "Zeit"
Der 80 Jahre junge Theo Sommer - einst "Zeit"-Chefredakteur, dann Mitherausgeber, heute Editor-at-Large - porträtiert den fast 92 Jahre alten Helmut Schmidt. Zunächst sollte die Hommage nur dem Publizisten gewidmet sein, der wenige Monate nach dem Ende seiner Kanzlerschaft in die "Führungsetage" der Hamburger Wochenzeitung einrückte. Die Berufung setzte Marion Gräfin Dönhoff höchstselbst beim Verleger Bucerius durch. Der schrieb Ende 1982 an Schmidt: Einer im Bundestagswahlkampf "triumphierenden SPD" könne man "nicht außerdem noch als Trophäe die ,Zeit' mitgeben". Bleibe jedoch Helmut Kohls "CDU-Regierung (vielleicht mit der FDP), dann wäre es die Tradition der ,Zeit', dem Gegner eine Plattform zu bieten, zum Beispiel als Herausgeber. Das also ist mein Vorschlag. Aufgabe der Herausgeber: Verlag und Redaktion zu beraten." Bald nach der Wahlniederlage der SPD vom März 1983 zog Schmidt "in das 16 Quadratmeter große Zimmer 605 im Pressehaus am Speersort". Nach dem Tod des Verlegers 1995 "bezog er ein paar Türen weiter im sechsten Stock dessen - auch nicht viel größeres - Eckbüro".
Je mehr sich Sommer in Artikel und Bücher sowie Mitschnitte der Fernsehauftritte vertiefte, desto klarer wurde ihm, dass eine Beschränkung auf das Altkanzler-Wirken nicht den ganzen Schmidt widerspiegeln würde. Den jedoch wollte er erfassen, das "sachlich-autoritative" Auftreten ergründen, den "Staatslenker und Staatsdenker" vorstellen. Das ist auf informative und unterhaltsame Weise gelungen, durch viele Originaltöne. Ein Motto des großen Sozialdemokraten lautet: "Das, was die Nachwelt vermutlich über dich denken, sagen und schreiben wird, darf das, was du heute zu tun hast, nicht beeinflussen." Und er gesteht ein: "Die Öffentlichkeit hat aus solchen Figuren wie Richard von Weizsäcker und mir ja etwas gemacht, was wir in Wirklichkeit nicht sind. Wir stehen da als weise alte Männer. In Wirklichkeit sind wir nicht so ganz weise. Wahr ist, dass wir alt sind."
RAINER BLASIUS
Theo Sommer: Unser Schmidt. Der Staatsmann und der Publizist. Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg 2010. 416 S., 22,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Helmut Schmidts "Zeit"
Der 80 Jahre junge Theo Sommer - einst "Zeit"-Chefredakteur, dann Mitherausgeber, heute Editor-at-Large - porträtiert den fast 92 Jahre alten Helmut Schmidt. Zunächst sollte die Hommage nur dem Publizisten gewidmet sein, der wenige Monate nach dem Ende seiner Kanzlerschaft in die "Führungsetage" der Hamburger Wochenzeitung einrückte. Die Berufung setzte Marion Gräfin Dönhoff höchstselbst beim Verleger Bucerius durch. Der schrieb Ende 1982 an Schmidt: Einer im Bundestagswahlkampf "triumphierenden SPD" könne man "nicht außerdem noch als Trophäe die ,Zeit' mitgeben". Bleibe jedoch Helmut Kohls "CDU-Regierung (vielleicht mit der FDP), dann wäre es die Tradition der ,Zeit', dem Gegner eine Plattform zu bieten, zum Beispiel als Herausgeber. Das also ist mein Vorschlag. Aufgabe der Herausgeber: Verlag und Redaktion zu beraten." Bald nach der Wahlniederlage der SPD vom März 1983 zog Schmidt "in das 16 Quadratmeter große Zimmer 605 im Pressehaus am Speersort". Nach dem Tod des Verlegers 1995 "bezog er ein paar Türen weiter im sechsten Stock dessen - auch nicht viel größeres - Eckbüro".
Je mehr sich Sommer in Artikel und Bücher sowie Mitschnitte der Fernsehauftritte vertiefte, desto klarer wurde ihm, dass eine Beschränkung auf das Altkanzler-Wirken nicht den ganzen Schmidt widerspiegeln würde. Den jedoch wollte er erfassen, das "sachlich-autoritative" Auftreten ergründen, den "Staatslenker und Staatsdenker" vorstellen. Das ist auf informative und unterhaltsame Weise gelungen, durch viele Originaltöne. Ein Motto des großen Sozialdemokraten lautet: "Das, was die Nachwelt vermutlich über dich denken, sagen und schreiben wird, darf das, was du heute zu tun hast, nicht beeinflussen." Und er gesteht ein: "Die Öffentlichkeit hat aus solchen Figuren wie Richard von Weizsäcker und mir ja etwas gemacht, was wir in Wirklichkeit nicht sind. Wir stehen da als weise alte Männer. In Wirklichkeit sind wir nicht so ganz weise. Wahr ist, dass wir alt sind."
RAINER BLASIUS
Theo Sommer: Unser Schmidt. Der Staatsmann und der Publizist. Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg 2010. 416 S., 22,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Mit Lob bedenkt Rezensent Michael Jürgs diese Biografie über Altbundeskanzler und Zeit-Verleger Helmut Schmidt, die Theo Sommer vorgelegt hat. Eine kluge Entscheidung scheint ihm der Verzicht auf eine Wiederholung von aus etlichen Büchern bereits Bekanntem über Schmidt. Die Analyse Schmidts als Staatsmann, Wirtschaftspolitiker, Publizist, Europapolitiker, Außenpolitiker, Sicherheitspolitiker, Welterklärer findet Jürgs überaus gelungen. Das liegt seines Erachtens auch daran, dass Sommer Schmidt "auf Augenhöhe begegnet" statt "ihn anzuhimmeln". Gelegentliche Redundanzen hält er angesichts der Materialfülle, die es zu bewältigen galt, für verzeihlich. Besonders hebt Jürgs die Kapitel über Schmidt als Verleger, Leitartikler, Herausgeber hervor, die für ihn zu den besten des Buchs zählen.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
»Zum Leckerbissen für viele Hamburger Spurensucher auf schmidtschen Pfaden wird das erste Buchkapitel, das das Wirken des Altbundeskanzlers 'von innen' beleuchtet.« Hamburger Abendblatt, 12.11.2010