Sommer genießen, Lieblingsort finden: Die perfekte Urlaubslektüre zum Wohlfühlen und Wegträumen, für Kinder ab 10.
Inmitten einer endlosen Waldlandschaft steht einsam auf einem Berg das Haus am See, in dem Agda, Nick und Jula die Ferien mit Papa verbringen. Der entlegene Ort steckt voller Geheimnisse und Abenteuer. Auch das Auftauchen des Landstreichers Pepe gibt Rätsel auf. Und dann verschwindet Nick spurlos. Hat er sich etwa allein auf die gefährliche Suche nach dem Waldgoldschatz begeben?
In besonderer Ausstattung mit Halbleinen und Lesebändchen.
Inmitten einer endlosen Waldlandschaft steht einsam auf einem Berg das Haus am See, in dem Agda, Nick und Jula die Ferien mit Papa verbringen. Der entlegene Ort steckt voller Geheimnisse und Abenteuer. Auch das Auftauchen des Landstreichers Pepe gibt Rätsel auf. Und dann verschwindet Nick spurlos. Hat er sich etwa allein auf die gefährliche Suche nach dem Waldgoldschatz begeben?
In besonderer Ausstattung mit Halbleinen und Lesebändchen.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.09.2022Im wilden Bayernwald
Nikola Huppertz lässt eine Familie wachsen
Dieses "goldene Geglitzer": Alles atmet den nostalgischen Zauber des Sommers in Nikola Huppertz' atmosphärisch funkelndem neuen Roman, dem Nachfolger von "Schön wie die Acht". Ein dreiwöchiger Sommerurlaub in einem einsamen Haus auf dem Hügel "Krähenriegel" mitten im Bayerischen Wald scheint mehr nach dem Gusto des Familienvaters und Hobby-Philosophen Claus als seiner drei Stadtkinder zu sein: Nach der Trennung der Eltern verreisen sie erstmals mit ihm statt der Mutter. Das Zusammensein mit dem sympathischen, schusseligen Vater, den die Kinder eher aus "kleinkatastrophischen" Besuchswochenenden kennen, gerät zur Bewährungsprobe für die improvisierte Familie auf Zeit.
Zu ihr gehören die Jüngste der Geschwister, die phantasiebegabte Jula, für die alles und jedes verzaubert ist und die selbst werdende Zaubermeisterin ist, die forsche, angehende Kampfkünstlerin Agda sowie das verträumte "mittlere" Kind Nick mit dem Herz eines Abenteurers. Und per Kontrollanrufe aus ihrem Florenz-Urlaub indirekt anwesend ist die Mutter Saskia, die der erzieherischen Kompetenz ihres Ex misstraut.
Wendepunkt des Romans ist die Fußverletzung des Vaters, die ihm einen längeren Krankenhausaufenthalt in Deggendorf beschert. Trotz ihrer Zusicherung gegenüber dem Vater bitten die Kinder die Hausverwalterin nicht, sich um sie zu kümmern, und beschließen vielmehr, "dass wir diesen Sommer selbst auf uns aufpassen müssen". Huppertz' Initiationsgeschichte verwebt spielerisch Gedanken über Lüge und Notlüge, über das Leben, Überleben und den Tod. Das Motiv der auf sich gestellten Kinder erinnert durchaus an Grimms Märchen. Nach der Rückkehr des eingegipsten Vaters kehren sich die Fürsorgeverhältnisse um. Zwangsläufig kommen die Stadtkinder mit der Dorfbevölkerung zu Füßen des Hügels in Kontakt. Im Edeka freunden sie sich mit dem Jungen mit Pilzkopffrisur, Felix, an.
Als mentale Vorbereitung auf die Suche nach dem legendären Waldgoldschatz gibt er Nick Übungen auf, etwa: im leer stehenden alten Hausteil zu übernachten oder Honig aus dem Bienenstock zu ernten. Agda, auf die Felix ein Auge geworfen hat, soll "Bezeugerin" der Mutproben sein. Der Roman erzählt von aufkeimenden Gefühlen, Sommergewittern und "wetterleuchtenden" Erkenntnissen, Schauder und Wonne und der als bedrohlich wie bedroht skizzierten Natur. So wechselt das Buch etwa einmal empathisch zum Blickwinkel eines Hechts, der, kurz bevor Nick ihn angelt, stolz Bahnen durchs Schilf zieht.
Und die Autorin spielt mit Kinderbuchklassikern: Auf dem Weg zum in einem Bergwerk vermuteten Waldgoldschatz hat Nick inspiriert von Jonathan Löwenherz und der Katla-Höhle die Idee, einen verborgenen Eingang zum unterirdischen System zu erkunden. Zwischen Traum und Ratio, Selbstüberschätzung und Selbstermächtigung wird die Suche zum Leitmotiv im Lebenslabyrinth. Das nach Nicks erratischer Schatzsuche und glücklicher Rückkehr vom Vater ausgegebene "Freudenfest zu Ehren des Sommers und des Lebens" krönt die Initiationsgeschichte.
Eine besondere Figur ist der schrullige Landstreicher Pepe, der sich zum Schrecken und Gewinn der Wohlstandskinder heimlich im Dachboden des alten Hausteils einquartierte. Denn eine Lektion dieses Bildungsromans ist Toleranz und die Fähigkeit zum Umdenken: Die Helikoptermutter übt das Loslassen, die Kinder lernen, auf sich und die Umwelt nachhaltig aufzupassen, der Vater lernt, Minderwertigkeitskomplexe als unmännlicher Vater abzulegen, und Agda, dass ihr Idol Bruce Lee, der sie "jede Sekunde beschützen" würde, gerade darum kein guter Vater wäre. Und die ganze Großstadtfamilie begreift, wie wenig es doch braucht, um "in der Welt zu sein".
All dies macht aus "Unser Sommer am See" eine meisterliche Abschiedserzählung von den uneinnehmbaren Luftschlössern der Jugend, von Schätzen am Ende des Regenbogens. Und von den Refugien der Phantasie. STEFFEN GNAM
Nikola Huppertz: "Unser Sommer am See". Roman.
Thienemann-Verlag, Stuttgart 2022. 272 S., geb., 15,- Euro. Ab 10 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Nikola Huppertz lässt eine Familie wachsen
Dieses "goldene Geglitzer": Alles atmet den nostalgischen Zauber des Sommers in Nikola Huppertz' atmosphärisch funkelndem neuen Roman, dem Nachfolger von "Schön wie die Acht". Ein dreiwöchiger Sommerurlaub in einem einsamen Haus auf dem Hügel "Krähenriegel" mitten im Bayerischen Wald scheint mehr nach dem Gusto des Familienvaters und Hobby-Philosophen Claus als seiner drei Stadtkinder zu sein: Nach der Trennung der Eltern verreisen sie erstmals mit ihm statt der Mutter. Das Zusammensein mit dem sympathischen, schusseligen Vater, den die Kinder eher aus "kleinkatastrophischen" Besuchswochenenden kennen, gerät zur Bewährungsprobe für die improvisierte Familie auf Zeit.
Zu ihr gehören die Jüngste der Geschwister, die phantasiebegabte Jula, für die alles und jedes verzaubert ist und die selbst werdende Zaubermeisterin ist, die forsche, angehende Kampfkünstlerin Agda sowie das verträumte "mittlere" Kind Nick mit dem Herz eines Abenteurers. Und per Kontrollanrufe aus ihrem Florenz-Urlaub indirekt anwesend ist die Mutter Saskia, die der erzieherischen Kompetenz ihres Ex misstraut.
Wendepunkt des Romans ist die Fußverletzung des Vaters, die ihm einen längeren Krankenhausaufenthalt in Deggendorf beschert. Trotz ihrer Zusicherung gegenüber dem Vater bitten die Kinder die Hausverwalterin nicht, sich um sie zu kümmern, und beschließen vielmehr, "dass wir diesen Sommer selbst auf uns aufpassen müssen". Huppertz' Initiationsgeschichte verwebt spielerisch Gedanken über Lüge und Notlüge, über das Leben, Überleben und den Tod. Das Motiv der auf sich gestellten Kinder erinnert durchaus an Grimms Märchen. Nach der Rückkehr des eingegipsten Vaters kehren sich die Fürsorgeverhältnisse um. Zwangsläufig kommen die Stadtkinder mit der Dorfbevölkerung zu Füßen des Hügels in Kontakt. Im Edeka freunden sie sich mit dem Jungen mit Pilzkopffrisur, Felix, an.
Als mentale Vorbereitung auf die Suche nach dem legendären Waldgoldschatz gibt er Nick Übungen auf, etwa: im leer stehenden alten Hausteil zu übernachten oder Honig aus dem Bienenstock zu ernten. Agda, auf die Felix ein Auge geworfen hat, soll "Bezeugerin" der Mutproben sein. Der Roman erzählt von aufkeimenden Gefühlen, Sommergewittern und "wetterleuchtenden" Erkenntnissen, Schauder und Wonne und der als bedrohlich wie bedroht skizzierten Natur. So wechselt das Buch etwa einmal empathisch zum Blickwinkel eines Hechts, der, kurz bevor Nick ihn angelt, stolz Bahnen durchs Schilf zieht.
Und die Autorin spielt mit Kinderbuchklassikern: Auf dem Weg zum in einem Bergwerk vermuteten Waldgoldschatz hat Nick inspiriert von Jonathan Löwenherz und der Katla-Höhle die Idee, einen verborgenen Eingang zum unterirdischen System zu erkunden. Zwischen Traum und Ratio, Selbstüberschätzung und Selbstermächtigung wird die Suche zum Leitmotiv im Lebenslabyrinth. Das nach Nicks erratischer Schatzsuche und glücklicher Rückkehr vom Vater ausgegebene "Freudenfest zu Ehren des Sommers und des Lebens" krönt die Initiationsgeschichte.
Eine besondere Figur ist der schrullige Landstreicher Pepe, der sich zum Schrecken und Gewinn der Wohlstandskinder heimlich im Dachboden des alten Hausteils einquartierte. Denn eine Lektion dieses Bildungsromans ist Toleranz und die Fähigkeit zum Umdenken: Die Helikoptermutter übt das Loslassen, die Kinder lernen, auf sich und die Umwelt nachhaltig aufzupassen, der Vater lernt, Minderwertigkeitskomplexe als unmännlicher Vater abzulegen, und Agda, dass ihr Idol Bruce Lee, der sie "jede Sekunde beschützen" würde, gerade darum kein guter Vater wäre. Und die ganze Großstadtfamilie begreift, wie wenig es doch braucht, um "in der Welt zu sein".
All dies macht aus "Unser Sommer am See" eine meisterliche Abschiedserzählung von den uneinnehmbaren Luftschlössern der Jugend, von Schätzen am Ende des Regenbogens. Und von den Refugien der Phantasie. STEFFEN GNAM
Nikola Huppertz: "Unser Sommer am See". Roman.
Thienemann-Verlag, Stuttgart 2022. 272 S., geb., 15,- Euro. Ab 10 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensent Steffen Gnam erkennt in Nikola Huppertz' Roman eine atmosphärisch starke Abschiedserzählung. Es geht um den Abschied von der Jugend und von der Fantasie, erklärt Gnam. Das nostalgische, in eine Notsituation samt Schatzsuche sich wandelnde Setting eines Familienurlaubs im Bayerischen Wald nutzt die Autorin laut Rezensent für die Initiationsgeschichte dreier fantasiebegabter Stadtkinder, die plötzlich auf sich gestellt sind. Wie Huppertz in ihrer Geschichte Kinderbuchklassiker wie Jonathan Löwenherz zitiert und sanfte Lektionen in Sachen Toleranz und Flexibilität einbaut, findet Gnam meisterlich.
© Perlentaucher Medien GmbH
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"Ein wunderbares Sommerbuch hat Nikola Huppertz geschrieben. Man riecht den Wald, fühlt das kühle Wasser des Sees und hört das Knarzen des alten Hauses. [...] Unbedingter Lesetipp für die Sommerferien!" Katharina Mahrenholtz NDR Mikado 20220603
Im wilden Bayernwald
Nikola Huppertz lässt eine Familie wachsen
Dieses "goldene Geglitzer": Alles atmet den nostalgischen Zauber des Sommers in Nikola Huppertz' atmosphärisch funkelndem neuen Roman, dem Nachfolger von "Schön wie die Acht". Ein dreiwöchiger Sommerurlaub in einem einsamen Haus auf dem Hügel "Krähenriegel" mitten im Bayerischen Wald scheint mehr nach dem Gusto des Familienvaters und Hobby-Philosophen Claus als seiner drei Stadtkinder zu sein: Nach der Trennung der Eltern verreisen sie erstmals mit ihm statt der Mutter. Das Zusammensein mit dem sympathischen, schusseligen Vater, den die Kinder eher aus "kleinkatastrophischen" Besuchswochenenden kennen, gerät zur Bewährungsprobe für die improvisierte Familie auf Zeit.
Zu ihr gehören die Jüngste der Geschwister, die phantasiebegabte Jula, für die alles und jedes verzaubert ist und die selbst werdende Zaubermeisterin ist, die forsche, angehende Kampfkünstlerin Agda sowie das verträumte "mittlere" Kind Nick mit dem Herz eines Abenteurers. Und per Kontrollanrufe aus ihrem Florenz-Urlaub indirekt anwesend ist die Mutter Saskia, die der erzieherischen Kompetenz ihres Ex misstraut.
Wendepunkt des Romans ist die Fußverletzung des Vaters, die ihm einen längeren Krankenhausaufenthalt in Deggendorf beschert. Trotz ihrer Zusicherung gegenüber dem Vater bitten die Kinder die Hausverwalterin nicht, sich um sie zu kümmern, und beschließen vielmehr, "dass wir diesen Sommer selbst auf uns aufpassen müssen". Huppertz' Initiationsgeschichte verwebt spielerisch Gedanken über Lüge und Notlüge, über das Leben, Überleben und den Tod. Das Motiv der auf sich gestellten Kinder erinnert durchaus an Grimms Märchen. Nach der Rückkehr des eingegipsten Vaters kehren sich die Fürsorgeverhältnisse um. Zwangsläufig kommen die Stadtkinder mit der Dorfbevölkerung zu Füßen des Hügels in Kontakt. Im Edeka freunden sie sich mit dem Jungen mit Pilzkopffrisur, Felix, an.
Als mentale Vorbereitung auf die Suche nach dem legendären Waldgoldschatz gibt er Nick Übungen auf, etwa: im leer stehenden alten Hausteil zu übernachten oder Honig aus dem Bienenstock zu ernten. Agda, auf die Felix ein Auge geworfen hat, soll "Bezeugerin" der Mutproben sein. Der Roman erzählt von aufkeimenden Gefühlen, Sommergewittern und "wetterleuchtenden" Erkenntnissen, Schauder und Wonne und der als bedrohlich wie bedroht skizzierten Natur. So wechselt das Buch etwa einmal empathisch zum Blickwinkel eines Hechts, der, kurz bevor Nick ihn angelt, stolz Bahnen durchs Schilf zieht.
Und die Autorin spielt mit Kinderbuchklassikern: Auf dem Weg zum in einem Bergwerk vermuteten Waldgoldschatz hat Nick inspiriert von Jonathan Löwenherz und der Katla-Höhle die Idee, einen verborgenen Eingang zum unterirdischen System zu erkunden. Zwischen Traum und Ratio, Selbstüberschätzung und Selbstermächtigung wird die Suche zum Leitmotiv im Lebenslabyrinth. Das nach Nicks erratischer Schatzsuche und glücklicher Rückkehr vom Vater ausgegebene "Freudenfest zu Ehren des Sommers und des Lebens" krönt die Initiationsgeschichte.
Eine besondere Figur ist der schrullige Landstreicher Pepe, der sich zum Schrecken und Gewinn der Wohlstandskinder heimlich im Dachboden des alten Hausteils einquartierte. Denn eine Lektion dieses Bildungsromans ist Toleranz und die Fähigkeit zum Umdenken: Die Helikoptermutter übt das Loslassen, die Kinder lernen, auf sich und die Umwelt nachhaltig aufzupassen, der Vater lernt, Minderwertigkeitskomplexe als unmännlicher Vater abzulegen, und Agda, dass ihr Idol Bruce Lee, der sie "jede Sekunde beschützen" würde, gerade darum kein guter Vater wäre. Und die ganze Großstadtfamilie begreift, wie wenig es doch braucht, um "in der Welt zu sein".
All dies macht aus "Unser Sommer am See" eine meisterliche Abschiedserzählung von den uneinnehmbaren Luftschlössern der Jugend, von Schätzen am Ende des Regenbogens. Und von den Refugien der Phantasie. STEFFEN GNAM
Nikola Huppertz: "Unser Sommer am See". Roman.
Thienemann-Verlag, Stuttgart 2022. 272 S., geb., 15,- Euro. Ab 10 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Nikola Huppertz lässt eine Familie wachsen
Dieses "goldene Geglitzer": Alles atmet den nostalgischen Zauber des Sommers in Nikola Huppertz' atmosphärisch funkelndem neuen Roman, dem Nachfolger von "Schön wie die Acht". Ein dreiwöchiger Sommerurlaub in einem einsamen Haus auf dem Hügel "Krähenriegel" mitten im Bayerischen Wald scheint mehr nach dem Gusto des Familienvaters und Hobby-Philosophen Claus als seiner drei Stadtkinder zu sein: Nach der Trennung der Eltern verreisen sie erstmals mit ihm statt der Mutter. Das Zusammensein mit dem sympathischen, schusseligen Vater, den die Kinder eher aus "kleinkatastrophischen" Besuchswochenenden kennen, gerät zur Bewährungsprobe für die improvisierte Familie auf Zeit.
Zu ihr gehören die Jüngste der Geschwister, die phantasiebegabte Jula, für die alles und jedes verzaubert ist und die selbst werdende Zaubermeisterin ist, die forsche, angehende Kampfkünstlerin Agda sowie das verträumte "mittlere" Kind Nick mit dem Herz eines Abenteurers. Und per Kontrollanrufe aus ihrem Florenz-Urlaub indirekt anwesend ist die Mutter Saskia, die der erzieherischen Kompetenz ihres Ex misstraut.
Wendepunkt des Romans ist die Fußverletzung des Vaters, die ihm einen längeren Krankenhausaufenthalt in Deggendorf beschert. Trotz ihrer Zusicherung gegenüber dem Vater bitten die Kinder die Hausverwalterin nicht, sich um sie zu kümmern, und beschließen vielmehr, "dass wir diesen Sommer selbst auf uns aufpassen müssen". Huppertz' Initiationsgeschichte verwebt spielerisch Gedanken über Lüge und Notlüge, über das Leben, Überleben und den Tod. Das Motiv der auf sich gestellten Kinder erinnert durchaus an Grimms Märchen. Nach der Rückkehr des eingegipsten Vaters kehren sich die Fürsorgeverhältnisse um. Zwangsläufig kommen die Stadtkinder mit der Dorfbevölkerung zu Füßen des Hügels in Kontakt. Im Edeka freunden sie sich mit dem Jungen mit Pilzkopffrisur, Felix, an.
Als mentale Vorbereitung auf die Suche nach dem legendären Waldgoldschatz gibt er Nick Übungen auf, etwa: im leer stehenden alten Hausteil zu übernachten oder Honig aus dem Bienenstock zu ernten. Agda, auf die Felix ein Auge geworfen hat, soll "Bezeugerin" der Mutproben sein. Der Roman erzählt von aufkeimenden Gefühlen, Sommergewittern und "wetterleuchtenden" Erkenntnissen, Schauder und Wonne und der als bedrohlich wie bedroht skizzierten Natur. So wechselt das Buch etwa einmal empathisch zum Blickwinkel eines Hechts, der, kurz bevor Nick ihn angelt, stolz Bahnen durchs Schilf zieht.
Und die Autorin spielt mit Kinderbuchklassikern: Auf dem Weg zum in einem Bergwerk vermuteten Waldgoldschatz hat Nick inspiriert von Jonathan Löwenherz und der Katla-Höhle die Idee, einen verborgenen Eingang zum unterirdischen System zu erkunden. Zwischen Traum und Ratio, Selbstüberschätzung und Selbstermächtigung wird die Suche zum Leitmotiv im Lebenslabyrinth. Das nach Nicks erratischer Schatzsuche und glücklicher Rückkehr vom Vater ausgegebene "Freudenfest zu Ehren des Sommers und des Lebens" krönt die Initiationsgeschichte.
Eine besondere Figur ist der schrullige Landstreicher Pepe, der sich zum Schrecken und Gewinn der Wohlstandskinder heimlich im Dachboden des alten Hausteils einquartierte. Denn eine Lektion dieses Bildungsromans ist Toleranz und die Fähigkeit zum Umdenken: Die Helikoptermutter übt das Loslassen, die Kinder lernen, auf sich und die Umwelt nachhaltig aufzupassen, der Vater lernt, Minderwertigkeitskomplexe als unmännlicher Vater abzulegen, und Agda, dass ihr Idol Bruce Lee, der sie "jede Sekunde beschützen" würde, gerade darum kein guter Vater wäre. Und die ganze Großstadtfamilie begreift, wie wenig es doch braucht, um "in der Welt zu sein".
All dies macht aus "Unser Sommer am See" eine meisterliche Abschiedserzählung von den uneinnehmbaren Luftschlössern der Jugend, von Schätzen am Ende des Regenbogens. Und von den Refugien der Phantasie. STEFFEN GNAM
Nikola Huppertz: "Unser Sommer am See". Roman.
Thienemann-Verlag, Stuttgart 2022. 272 S., geb., 15,- Euro. Ab 10 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main