"Es war einmal ..." - So beginnen nicht nur Märchen, so beginnt auch jede Geschichtsforschung. Und so beginnen auch die "historischen Erkundungen" der Karikaturistin Barbara Henniger: "Aufgewachsen in Ruinen", war sie Zeugin - und eine unter Millionen Probanden - des vielleicht größten Feldversuchs der Menschheitsgeschichte: des "zukunftszugewandten" Aufbaus einer sozialistischen Mustergesellschaft. Was war das noch? Wie war das noch? Mit ironischer Feder zeichnet sie in beispielhaften Episoden die ganz normalen Absurditäten und Skurrilitäten des sozialistischen Alltags nach. Die Bildergeschichten aus dem Jenseits erzählen von Plattenbauten und Wartegemeinschaften, von 1.-Mai-Feiern und Gartenpartys, von Pionier- und Sportsgeist, von Bespitzelung und privater Nische, von den sozialistischen Bruderländern und der ersten Westreise. "Es war einmal..." Die kolorierten Einblicke, die Barbara Henniger gewährt, sind aber weder Historien-Comics noch nostalgische Reminiszenzen. Stets gelingt es ihr, Vergangenes als eine Art Scheinwerfer zu nutzen, der die Gegenwart erhellt. Und was wir in diesem Lichte sehen, ist ebenso betörend wie verstörend. Es gab ein reales Leben im real existierenden Sozialismus, es wurde sogar geliebt und gelacht. Dennoch muß die Abschaffung der DDR durchaus nicht betrauert werden. Unsere Deutsche Demokratische Republik ist zwar abgewickelt und planiert. Aber unterm Pflaster lebt sie weiter, sie führt eine außerstaatliche, menschliche, allzu menschliche Existenz.