Marktplatzangebote
5 Angebote ab € 2,50 €
  • Gebundenes Buch

Die ganze Schaffenskraft von Tobias Wolff umfasst sein neuer Erzählungsband: einige der schönsten frühen Erzählungen und zehn neue Storys, die nun erstmals auf Deutsch zu lesen sind - eingeführt von einem Vorwort von Jakob Arjouni.
Von geheimen Sehnsüchten, Tagträumen und Selbst- täuschung erzählt Tobias Wolff in seinen neuen Storys, von Einzelgängern und Eigenbrötlern, von notori- schen Lügnern, missratenen Söhnen und missgünsti- gen Nachbarn. Die Weisheit eines ganzen Lebens und tiefe Menschenkenntnis sprechen aus diesen Erzählun- gen. Das Gespür, mit dem Wolff die Sehnsüchte seiner…mehr

Produktbeschreibung
Die ganze Schaffenskraft von Tobias Wolff umfasst sein neuer Erzählungsband: einige der schönsten frühen Erzählungen und zehn neue Storys, die nun erstmals auf Deutsch zu lesen sind - eingeführt von einem Vorwort von Jakob Arjouni.
Von geheimen Sehnsüchten, Tagträumen und Selbst-
täuschung erzählt Tobias Wolff in seinen neuen Storys, von Einzelgängern und Eigenbrötlern, von notori-
schen Lügnern, missratenen Söhnen und missgünsti-
gen Nachbarn. Die Weisheit eines ganzen Lebens und tiefe Menschenkenntnis sprechen aus diesen Erzählun-
gen. Das Gespür, mit dem Wolff die Sehnsüchte seiner Figuren ergründet, verborgene Leben hinter den wirk-
lichen enthüllt, Schlüsselbegegnungen in Szene setzt, ist aufs Neue verblüff end. Unsere Geschichte beginnt.
"Meisterhaft, wie im Alltag ein Spalt aufreißt
und dahinter der Abgrund eines Lebensdramas
klafft." Literarische Welt
Autorenporträt
Tobias Wolff, geboren 1945 in Alabama, wuchs im Nordwesten der USA auf und studierte in New York und Stanford. Er wurde vielfach ausgezeichnet, u. a. mit dem P.E.N./Faulkner Award und im Jahr 2014 mit dem Stone Award for Lifetime Literary Achievement. Er lebt in Palo Alto, Kalifornien und lehrt an der Stanford University.
Rezensionen
"Seine Erzählungen sind niemals didaktisch oder belehrend. Manche sind komisch, manche jagen einem einen Schauer über den Rücken. Aber nicht eine von ihnen wird uns unberührt lassen." -- RAYMOND CARVER

"Tobias Wolff zu lesen ist wie in den bequemen Sitzen von Großvaters altem Buick zu versinken und sich auf eine Reise in die kleinen Städte Amerikas zu begeben, mitten hinein in die kleinen Freuden, die kleinen Kämpfe, die kleinen Verzweiflungen." -- NEW YORK TIMES

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.03.2011

Eskorte für einen Taschendieb

Dieser Mann ist unfähig, eine wolkige Zeile zu schreiben: Neue Storys des amerikanischen Erzählers Tobias Wolff.

Von Paul Ingendaay

Ein Strafverteidiger aus San Francisco fliegt an die Ostküste, um einen kleinen Fall zu bearbeiten, der zu einer Frage des Ehrgeizes wird. In der Mittagspause spaziert der Mann in dem Nest umher, mustert die verkommenen Gebäude und macht sich allgemeinere Gedanken über die Zukunft seines Landes. Ein Bus hält, nur ein Mädchen steigt aus, der Mann folgt dem Mädchen die Straße hinauf und kommt ihm dabei näher als beabsichtigt, aber was weiß er schon von seinen Absichten? "Auf der Rückseite ihrer rechten Wade saß ein dunkler Fleck, etwa pfenniggroß - vielleicht ein Muttermal oder ein Schlammklecks." Ein paar Minuten später wird der Anwalt es mit der Polizei zu tun haben.

Aus dieser alltäglichen Szene entwickelt der amerikanische Erzähler Tobias Wolff, Jahrgang 1945, eine seiner beunruhigenden Geschichten, in denen die vertraute Welt plötzlich zu zittern beginnt und der Held sich fragt, was gerade mit ihm geschieht. Und wenn nicht der Held, dann zumindest der Leser. Der Wahrheit von Berufs wegen verpflichtet, stößt der Anwalt in einem unbewachten Augenblick auf Züge seiner selbst, die er als Teil seiner eigenen Wahrheit akzeptieren müsste. Wenn er denn wollte. Wenn er denn könnte. Tobias Wolff liebt es, das moralische Dilemma, in das er seine Figuren schubst, nicht mit einem donnernden Ja oder Nein zu beantworten, sondern sie ein bisschen damit allein zu lassen und dann sanft die Tür zu schließen. Das beste Mittel, sie unvergesslich zu machen.

So ziehen sie in schmerzhafter Deutlichkeit, doch auch in großer Ruhe an uns vorbei, Heldinnen und Helden des gewöhnlichen Lebens: der Mann, dessen Mutter im Sterben liegt und der während seines Gesprächs mit der Bestattungsunternehmerin entscheiden muss, ob er mit der Lady eine kurze Affäre riskieren soll oder nicht ("Bis auf die Knochen"); der Amerikaner in Rom, der einen Taschendieb im Taxi nach Hause bringt und sich im Rausch der Fremdheit mit sich selbst gleich noch einmal bestehlen lässt ("Im Zweifel für den Angeklagten"); die leider nur mittelmäßige Akademikerin, die bei einer sinnlosen Probevorlesung zumindest ihre Würde bewahren will ("Im Garten der nordamerikanischen Märtyrer"); oder die ehemalige Soldatin, die in der Zigarettenpause viel mehr von ihrer Kunstprofessorin erfährt, als ihr lieb ist ("Eine erwachsene Studentin"). All das ist mitten aus dem Leben gegriffen, mit der Welthaltigkeit, den Eigenheimen, Landstraßen und unaufregenden Kleinstädten, die man vom amerikanischen Erzählen kennt. Aber es gibt niemals vor, nur ein beliebiger Ausschnitt des Allergewöhnlichsten zu sein, als käme es auf Differenzierungen nicht an. Dieser Autor ist ein Wunder an Konzentration und unfähig, eine wolkige Zeile zu schreiben.

Tobias Wolff wird zusammen mit seinem verstorbenen Freund Raymond Carver, Richard Ford und anderen zur Schule des "dirty realism" gezählt, ein von der Literaturzeitschrift "Granta" geprägter Begriff, der auch bei längerem Daraufstarren bedeutungsfrei bleibt. Denn entweder ist die Wirklichkeit schmutzig, dann müsste die Darstellungsform etwas von diesem Schmutz annehmen; oder sie es nicht, dann wäre der literarisch erzeugte Dreck nur Verzierung. Näher kommt man der Kunst dieses ungewöhnlichen Autors (der in Frank Heibert einen engagierten Übersetzer und im Berlin Verlag schon seit längerem eine verlässliche Verlagsheimat gefunden hat), wenn man sein Verfahren genauer betrachtet. Abgesehen von einer frühen Geschichte in Ich-Form arbeitet Wolff nur noch mit der personalen Perspektive: Der Erzähler steht gewissermaßen dicht hinter der Figur und empfindet mit, was ihr durch den Kopf geht, kommt aber nicht mit ihr zur Deckung und kann sogar ironischen Abstand zu ihr erkennen lassen. Diese Methode zwingt zu Klarheit und Disziplin, sorgt aber für den größten Spielraum in der psychologischen Nuancierung.

Und man spürt tatsächlich, wie Wolff seinen Figuren folgt, respektvoll, hartnäckig und mit unstillbarer Neugierde. Was, so scheinen die Gesten dieses Erzählers zu fragen, werden meine Figuren in Situationen, die so gar nicht die Aura von Schlüsselszenen haben, aus sich machen? Wie reagieren sie unter Druck? Erkennen sie überhaupt, was ihnen vor Augen steht? In "Nachtigall" hat ein Mann seinen Sohn gerade in einer Militärakademie abgeliefert, es ist der erste Tag, und während er wartet und die Einrichtungen betrachtet, wird ihm klar, dass seine Entscheidung viel mehr mit ihm selbst zu tun hat als mit seinem Sohn. Man darf das den "Wolff-Augenblick" nennen, denn dieser Autor ist, ohne jeden Bombast, auf Erkenntnis aus: ein Philosoph ohne Lehre, ein Alchimist, den man niemals im Kittel ertappt.

Die Originalausgabe dieses Bandes erschien 2008 unter dem Titel "Our Story Begins" und enthält gut doppelt so viel Textmasse wie die deutsche - die zehn neuen sowie einundzwanzig ausgewählte Geschichten aus den letzten dreißig Jahren. So viel Kurzprosa kann man dem deutschsprachigen Markt offenbar nicht zumuten, also hat der Berlin Verlag außer den neuen Erzählungen einfach die ersten vier der "Selected Stories" dazugepackt und einen handlichen Band daraus gemacht. Natürlich ergäbe in dieser Zusammensetzung das kurze Vorwort des Autors keinen Sinn mehr, also fehlt es auch. Dort erklärt Wolff etwas für seine Kunst Fundamentales: dass er seine Geschichten nicht als heilig ansehe, sondern über die Jahrzehnte hinweg immer wieder daran feile und sie auf den neuesten Stand seiner eigenen Ästhetik bringe.

Und das merkt man. Lesend befindet man sich in der Gesellschaft eines formsicheren Erzählers, der genau weiß, was er zeigen und was er verschweigen muss. Wie Geschichten, die oft erzählt wurden und deren Form sich in der wirkungsvollsten Version kristallisiert hat, wirken auch Wolffs Texte absolut natürlich, ja zwangsläufig. Es ist die angestrebte Einfachheit - vielleicht die Schwester der Weisheit -, die Tobias Wolff zu so einem herausragenden Erzähler macht, und es könnte sein, dass seine Vorbilder Maupassant und Tschechow heißen.

Tobias Wolff: "Unsere Geschichte beginnt". Erzählungen.

Aus dem Amerikanischen von Frank Heibert. Berlin Verlag, Berlin 2011. 224 S., geb., 22,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Tobias Wolff ist einfach ein "Könner". Das muss Rezensent Christoph Schröder auch nach der Lektüre von "Unsere Geschichte beginnt", dem neuesten Band von Short-Stories des an der Stanford University "Kreatives Schreiben" lehrenden Autors, feststellen. Wie es Wolff gelingt, nur einen winzigen Ausschnitt aus dem Leben seiner Protagonisten zu erzählen und dennoch damit das Große und Ganze auszudrücken, findet Schröder schlicht "großartig". In "leisen" Texten berichte er von den "Selbsttäuschungen und Lebenslügen" seiner Figuren, so etwa, wenn ein der Fettsucht verfallener Mann sich irgendwann eingestehen muss, nicht die Schilddrüsen, sondern seine Gefräßigkeit sei die Ursache für seinen Zustand. Lügen aus purem Selbstschutz oder auch aus reiner Bösartigkeit - irgendwann entlade sich immer der Druck der Vergangenheit über seinen Helden, denen zwar die Aussicht auf Erlösung verwehrt bleibt, aber die von Wolff immer voller Respekt behandelt werden, so der Kritiker.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 22.08.2011

Frühe Lügen
„Unsere Geschichte beginnt“ – vierzehn amerikanische Erzählungen des ironischen Meisters Tobias Wolff
„Dirty realism“ nennt man in Amerika die literarische Praxis des 1945 geborenen Schriftstellers Tobias Wolff. Der Begriff unterstellt eine frivole Lust am „realistischen Schmutz“. Ob man Wolffs Talent, die Charakterzüge der Menschen und ihre oft katastrophalen Auswirkungen niederträchtig oder nicht eindeutig hellsichtig nennen sollte, ist Ermessenssache. Unangenehm ist es schon mit anzusehen, wie muntere Kumpels ihren Freund auf der Ladefläche ihres Pick-ups verrecken lassen. So drastisch wie „Jäger im Schnee“ sind allerdings die wenigsten der vierzehn Erzählungen, aufdeckend sind sie alle. Mit dem Ehrgeiz eines Bergsteigers hat Tobias Wolff sein Ziel vor Augen: Die skrupellose Erforschung diffuser Begriffe wie Wahrhaftigkeit und Fühlen. Kaum eine Erzählung des 2008 in Amerika und jetzt bei uns erschienenen Bandes „Unsere Geschichte beginnt“ spart diese Fragen aus. Immer gibt es den Punkt, an dem die Geschichte vom Jetzt in die biographische Vergangenheit über den Abgrund springt und versucht, der „Wahrheit“ und dabei sich selbst näher zu kommen.
Tobias Wolffs literarisches Lebensthema ist nicht Sex, Krieg, Politik, ihn interessieren die Auswirkungen familiärer Strukturen auf das spätere Leben des Menschen – überhaupt alles, was in der Jugend geschieht und sich wie ein Bazillus durchs Dasein schleicht und irgendwann virulent wird. Obwohl oder gerade wegen seiner Leidenschaft für psychologische Deutungen, hat der Mann, der in der Erzählung „Bis auf die Knochen“ am Totenbett seiner Mutter sitzt und dem weiß Gott was alles durch den Kopf geht, der sogar auf den Gedanken verfällt, dass Gott persönlich ihn beim Leben beobachtet, einen Wutausbruch. Es ärgert ihn, dass er Mitwirkender in „Freuds Spiel“ ist, dass ihn dieser „Wiener Klugscheißer“ durchschaut, weil er wie ein Freud’sches Mustermännlein die Angst vor Thanatos mit Eros zu vertreiben sucht. Er fühlt sich bei seinen Phantasien ertappt, vom Ledersitz eines roten Coupés aus, die Hinterteile steiler Mädchen zu taxieren, anstatt alle Gedanken auf seine sterbende Mutter zu konzentrieren. Wolffs Personal ist reflektiert und störungsanfällig, die jungen Kerle sind dreist, sie lügen, dass es selbst dem Autor den Magen umdreht. Ihr Unrechtsbewusstsein ist mehr als mangelhaft. Den älter gewordenen Männern tun diese frühen Lügen leid, sie können es aber nicht mehr ändern. Kein Augenblick lässt sich auslöschen, kein Kuss sich Jahrzehnte später wiederholen („Der Kuß“).
Tobias Wolff hat in den achtziger Jahren zusammen mit Raymond Carver an der Syracuse University Englisch und Creative Writing gelehrt und ging 1997 an die Stanford University. Wolffs Jugend, sein Aufwachsen in der Südstaaten-Provinz (Birmingham, Alabama), das ganze Zubehör von der Tankstelle zur Mainstreet, von der Kirche zur Schule stehen ihm zur Verfügung, aber Wolff beschränkt sich auf die inneren Dramen und hilft sich über die Abgründe mit Ironie. Der Autor benutzt anders als Carver wenig patriotisches Kolorit. Man nahm es ihm sogar übel, dass er so unamerikanisch ist und in seinem mit Robert De Niro und Leonardo Di Caprio verfilmten Roman „His Boy’s Life“ über ein Ostküsteninternat während der sechziger Jahre Namen wie Kennedy, Martin Luther King oder den Hippie-Heiligen Kerouac ausließ und sich auf einen aufmüpfigen Jungen konzentrierte, der durch ein Stipendium in ein Oberklassen-Internat geraten war, dort auffiel, nicht weil ihm die intellektuellen Fähigkeiten abgingen, wohl aber die richtige Klassenzugehörigkeit. Er gewinnt bei einem Literatur-Wettbewerb, ein Triumph, bis er als Plagiator enttarnt wird, weil er einfach den Text eines anderen Autors sehr viel besser als seinen eigenen fand.
Tobias Wolff selbst hat etwas ähnliches erlebt. Als Stipendiat eines Internats sah er sich mit dem sozialen Minderwertigkeitsgefühl und dem daraus folgenden Scheitern konfrontiert.
„Der Lügner“ ist der zentrale Text des Erzählungsbandes „Unsere Geschichte beginnt“. Ein Junge lügt alle an, seine Mutter und seine Freunde, er lügt das Blaue vom Himmel herunter, in den sein Vater gerade gefahren ist. Seine Mutter behandelt das Lügen wie eine Krankheit, hofft, ihr Sohn werde bald „geheilt“. Der Doktor verspricht, „irgendwann“ würde der Sechzehnjährige da herauswachsen. Aber was, „wenn er nur immer besser darin wird?“ In vielen der Geschichten geht es um den frühen Tod der Väter und die zurückbleibende emotionale Lücke. Die Folgen sind Selbsthass, Lügen als Sport, die Erkenntnis, dass ein Leben nur eine Art „Lampenfieber“ vor dem Sterben ist, dass man eigentlich alles leidlich im Griff hat, bis man plötzlich entdeckt, nur noch Zuschauer seiner eigenen „träumerischen Rutschpartie in den Abgrund“ zu sein. Der Junge blamiert seine Mutter vor dem Lehrer und den Eltern seines Freundes. Im Bus nach Los Angeles in der Hoffnung auf ein anderes Leben fällt er in das alte Schema und lügt sich in die Biographie eines Jungen, der an tibetischen Flüchtlingen Gutes tut.
Wenn Tobias Wolff den Kindheitsschauplatz verlässt, wechselt er in Universitätshörsäle und Schulkorridore. Auch dort geht es grausam zu. Die Professorin Mary verliert, weil sich der Finanzdezernent ihres Colleges verzockt hat, ihre Stelle. Sie kommt in Oregon unter, wo die Landschaft schön, aber verregnet ist. Dass Louise ihre alte Freundin Mary mit ihrer Bewerbungsaufforderung an eine bessere Uni nur benutzt, dass sie Mary perfide reinlegt und demütigt, ist schlimm, der Grund? Louise selbst steckt in einem großen Schlamassel und ist im Begriff, an der eigenen Egozentrik zu ersticken.
Der Tod, der Name eines Kollegen, der Blick eines frühreifen Mädchens, die Hand eines Taschendiebs in der Hosentasche, der Besuch in einer Kadettenanstalt, Tobias Wolff stellt die Frage: Wann sind Gefühle echt und nicht gespielt, warum ist die Wahrheit unter so viel Lebensschutt begraben. Weil das so ist, geht es nicht gut aus, jedenfalls für die meisten Personen nicht. Sie haben sich festgezurrt, „Jungen wurden zu Männern und verirrten sich“, den Frauen geht es auch nicht besser. Der Wiener Klugscheißer, zur Hölle mit ihm. Wahrscheinlich hat den jungen österreichischen Schriftsteller Clemens Setz die Geschichte vom jugendlichen „Lügner“ elektrisiert, er hat jedenfalls in der Zeit Tobias Wolff eine entflammte und mit Eigenhinweisen durchsetzte Eloge geschrieben. Wenn die lesende Community doch endlich einsehen würde, dass Kurzgeschichten oder Short Storys ideale Kompaktromane sind. Jedenfalls solch hellsichtige und gut komponierte. Die menschliche Psyche legt Tobias Wolff nackt zwischen die Seiten. Das tut er mit schamloser Schamhaftigkeit. Ein Widerspruch, der so viel Wahrheit enthält, dass man beginnt, sich ernsthaft mit ihr zu beschäftigen.
VERENA AUFFERMANN
TOBIAS WOLFF: Unsere Geschichte beginnt. Erzählungen. Aus dem Englischen von Frank Heibert. Berlin Verlag, 2011. 224 Seiten. 22 Euro.
Hellsichtig und gut komponiert
– Wolffs Kurzgeschichten sind
ideale Kompaktromane
Auch die Busfahrt nach Los Angeles ist bei Tobias Wolff „eine träumerische Rutschpartie in den Abgrund“. Foto: Josef Hoflehner/Gallerystock.com
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
…mehr