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Vor dreißig Jahren erhielt Roger Fouts den Auftrag, Schimpansen die Gebärdensprache der Taubstummen beizubringen. Aus diesem Job wurde ein langjähriges, faszinierendes wissenschaftliches Experiment, das tiefe Erkenntnisse in die Unterschiede und Gemeinsamkeiten des Sozialverhaltens von Menschen und Primaten gebracht, Einblicke in das Denken und Fühlen unserer nächsten stammesgeschichtlichen Verwandten geliefert und zu einer überzeugenden Theorie über den Ursprung unserer Sprache geführt hat. Im Mittelpunkt des Buches steht Fouts' Freundschaft mit der Schimpansendame Washoe.

Produktbeschreibung
Vor dreißig Jahren erhielt Roger Fouts den Auftrag, Schimpansen die Gebärdensprache der Taubstummen beizubringen. Aus diesem Job wurde ein langjähriges, faszinierendes wissenschaftliches Experiment, das tiefe Erkenntnisse in die Unterschiede und Gemeinsamkeiten des Sozialverhaltens von Menschen und Primaten gebracht, Einblicke in das Denken und Fühlen unserer nächsten stammesgeschichtlichen Verwandten geliefert und zu einer überzeugenden Theorie über den Ursprung unserer Sprache geführt hat. Im Mittelpunkt des Buches steht Fouts' Freundschaft mit der Schimpansendame Washoe.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.06.1998

Die Sprache unserer Vettern hat Hand und Fuß
Was Roger Fouts von den Schimpansen lernte und den Menschen mitteilen möchte

Um sein Studium finanzieren zu können, suchte Roger Fouts eine Assistentenstelle. So machte er Bekanntschaft mit dem Schimpansenkind Washoe. Betreut von Wissenschaftlern der University of Nevada, sollte das kleine Schimpansenmädchen unter Menschen aufwachsen und sprechen lernen. Allerdings war nicht geplant, ihm gewöhnliches Amerikanisch beizubringen. Zum einen ist der Kehlkopf eines Schimpansen für Sprachübungen nicht geeignet. Zum anderen sind unsere nächsten Verwandten von Natur aus eher schweigsam. Weit häufiger als mit Lauten verständigen sie sich durch Gesten. Und auch sonst zeigen sie sich fingerfertig: Bekanntlich können sie menschliche Gebärden sehr geschickt nachäffen. Deshalb kam für Washoe nur eine Zeichensprache in Frage, eine Sprache für Gehörlose wie die American Sign Language.

Der Autor wurde aber nicht bloß als Sprachlehrer engagiert. Für Windeln und Töpfchen war er auch zuständig. Und es gab stets alle Hände voll zu tun - nicht nur, weil sie zum Sprechen dienten: Washoe hielt ihre Babysitter auf Trab. Ursprünglich hatte Roger Fouts sich der Psyche von Menschenkindern widmen wollen, nun erkor er das Schimpansenkind zum Akteur in seiner Doktorarbeit.

Mit fünf Jahren beherrschte Washoe schon mehr als hundert Zeichen der American Sign Language und war auch in der Lage, diese Begriffe sinnvoll zu generalisieren. Zum Beispiel machte sie die Gebärde für "Hund", ob sie nun einem Dackel begegnete oder einem Schäferhund, ob sie ein Foto betrachtete oder ob sie den Hund nur bellen hörte. Doch damit nicht genug, Washoe zeigte sich auch verblüffend kreativ und kombinierte die gelernten Zeichen zu neuen Begriffen und Sätzen. In diesem Punkt bleiben manche Fachleute allerdings etwas skeptisch, so auch die Zoologin Marian Dawkins von der Universität Oxford, die daran erinnert, wie schwierig es ist, solche Leistungen objektiv zu beurteilen. Zum einen muß sich der Beobachter davor hüten, zufällig passende Wörter als gezielte Reaktionen zu interpretieren. Zum anderen muß er sicher sein, daß er seinen Zögling nicht unwillentlich beeinflußt. Wer eine Frage formuliert, sollte deshalb jeden Kontakt mit dem Prüfling vermeiden. Und wer die Antworten auswertet, sollte die dazugehörigen Fragen nicht kennen.

Derart auf die Probe gestellt, ließ sich Washoe keineswegs beirren. Die Testergebnisse bezeugen zweifelsfrei einen beachtlichen Wortschatz. Auch wenn nicht jede Anekdote wissenschaftlichen Maßstäben standhalten kann - daß Schimpansen eine Begabung für Fremdsprachen haben, ist nicht zu leugnen. Denn Washoe blieb kein Einzelfall; andere junge Schimpansen zeigten sich ebenso gelehrig und setzten die gelernten Gebärden auch im Umgang mit Artgenossen ein. Sprache ist offenbar kein Privileg des Menschen. Vermutlich gehört die Neigung, mit den Händen zu reden und so miteinander ins Gespräch zu kommen, zum gemeinsamen Erbe von Mensch und Schimpanse.

Bei aller Liebe zu Washoe und ihresgleichen wurde der Autor dann doch noch Kinderpsychologe. Die Sprache der Gebärden wurde sein Schlüssel zur hermetisch abgeschlossenen Welt autistischer Kinder. Manche Kinder fanden auf dem Umweg über die Zeichen sogar ihre Stimme und meisterten das gesprochene Wort. Seine Schimpansen hat Roger Fouts aber nicht aufgegeben: Wer in einer amerikanischen Familie aufgewachsen ist, mit Kühlschrank und Cola, den kann man nicht einfach in den Urwald zurückschicken.

Seine Schützlinge zur medizinischen Forschung abzuschieben war für Fouts genauso undenkbar. Selbst wenn sie von schmerzhaften Experimenten verschont geblieben wären, hätte die Schimpansen dort ein ziemlich trostloses Schicksal erwartet: Bis vor wenigen Jahren war es noch allgemein üblich, ihresgleichen als Forschungsobjekte möglichst platzsparend zu verstauen, in einem engen Käfig, hygienisch einwandfrei, aber trist wie eine leere Duschkabine. Und mitunter mußten die Insassen dieser Behältnisse ihre Tage vollkommen einsam verbringen. Dieses Los sollte Washoe und ihren Gefährten erspart bleiben. Mit großer Energie setzte sich Roger Fouts für seine Schimpansen ein, auch auf Kosten seiner wissenschaftlichen Karriere. Empört über die Zustände in vielen Forschungslabors, hat sich der streitbare Autor zum Anwalt aller Schimpansen gemacht, die im Dienste der Wissenschaft ihr Leben fristen. Nicht zuletzt gilt seine Sorge aber auch Washoes Artgenossen in Afrika, die dort noch frei in den Wäldern umherstreifen. Wo die Regenwälder verschwinden, sieht es schlecht aus für ihre Bewohner.

Ungemein engagiert, aber nicht ohne Humor gibt Roger Fouts einen Einblick in die Freuden und Mühen von dreißig Jahren Schimpansenforschung. Seine Erinnerungen sind zu einem sehr persönlichen Bericht zusammengefügt, stets kurzweilig und mitunter geradezu dramatisch. Offenbar versteht Stephen Tukel Mills, als Koautor fürs Stilistische zuständig, sein Handwerk. An einzelnen Punkten scheint die Vereinfachung jedoch ein wenig zu weit zu gehen. Zum Beispiel werden der grauen und der weißen Substanz der Großhirnrinde streng getrennte Rollen bei der Informationsverarbeitung zugeschrieben: "Die graue Substanz ist für die sequentielle Verarbeitung zuständig, die weiße für die simultane." Ganz so simpel ist es wohl nicht. Die weiße Substanz besteht zwar aus Nervenfasern, die verschiedene Regionen des Gehirns miteinander verknüpfen. Doch für sich allein genommen, leitet sie die Informationspakete nur weiter, ohne sie zu verarbeiten. Solche Kleinigkeiten können das Lesevergnügen aber kaum schmälern. Allzu faszinierend ist die Geschichte eines einzigartigen Dialogs zwischen Mensch und Schimpanse. DIETMUT KLÄRNER

Roger Fouts mit Stephen Tukel Mills: "Unsere nächsten Verwandten". Von Schimpansen lernen, was es heißt, ein Mensch zu sein. Mit einem Vorwort von Jane Goodall. Aus dem Amerikanischen von Barbara Schaden. Limes Verlag, München 1998. 495 S., Abb., geb., 48,- DM.

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