In «Feuer und Zorn» hatte Michael Wolff die chaotischen ersten Monate von Donald Trumps Prasidentschaft dokumentiert. Nun ist die Lage ganz anders: Trump hat die fähigsten Berater entlassen, die Weltmacht USA ist endgültig seinen impulsiven Instinkten unterworfen. Gleichzeitig ist er unter Beschuss, von Freund und Feind, von seiner radikalen Basis und dem politischen Establishment in Washington. Wolff schildert in seinem packenden neuen Buch einen amerikanischen Präsidenten, der sich permanent verfolgt fühlt und der sich dabei immer wieder an den Rand der Selbstzerstörung bringt: einen Trump, der rasend ums politische Überleben kämpft.
Wolffs Buch ist eine Tragikkomödie und ein großes politisches Drama. Er macht deutlich, wie sehr die amerikanische Außenpolitik mit den Geschäftsinteressen seines Schwiegersohns verquickt ist und warum Trump dem Sonderermittler Robert Mueller noch einmal entkommen konnte; dass Trump Nordkorea nicht auf der Karte finden könnte und Melaniawieder bei ihren Eltern wohnt. Und im Zentrum von allem ein Weißes Haus, in dem jeder gegen jeden steht - und alle sich fragen: Wann fliegt uns das hier um die Ohren?
"Unter Beschuss" ist das detailreichste Porträt jenes außergewöhnlichen Mannes, der trotz allem noch immer Präsident der Vereinigten Staaten ist.
Wolffs Buch ist eine Tragikkomödie und ein großes politisches Drama. Er macht deutlich, wie sehr die amerikanische Außenpolitik mit den Geschäftsinteressen seines Schwiegersohns verquickt ist und warum Trump dem Sonderermittler Robert Mueller noch einmal entkommen konnte; dass Trump Nordkorea nicht auf der Karte finden könnte und Melaniawieder bei ihren Eltern wohnt. Und im Zentrum von allem ein Weißes Haus, in dem jeder gegen jeden steht - und alle sich fragen: Wann fliegt uns das hier um die Ohren?
"Unter Beschuss" ist das detailreichste Porträt jenes außergewöhnlichen Mannes, der trotz allem noch immer Präsident der Vereinigten Staaten ist.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 04.06.2019Katastrophen-Faszination
Nach „Feuer und Zorn“ setzt Michael Wolff seine Live-Geschichtsschreibung fort.
An diesem Dienstag erscheint „Unter Beschuss“ – ein Buch voller Fehler und Verkürzungen
VON MATTHIAS KOLB
Eines kann man Michael Wolff nicht vorwerfen: Dass er die Leser über seine Motive im Ungewissen lassen würde. 17 Monate, nachdem er in „Feuer und Zorn“ als Erster das Chaos im Weißen Haus unter Donald Trump in eine stimmige Erzählung gepackt hat, legt der 65-Jährige nach. „Unter Beschuss“, das am Dienstag gleichzeitig in den USA und Deutschland erscheint, soll nichts weniger sein als „eine Live-Geschichte dieser außerordentlichen Zeiten, denn sollten wir sie erst im Nachhinein verstehen, ist es vielleicht zu spät“.
So steht es in der „Vorbemerkung“, mit der Wolff deutlich machen will, was ihn für die Aufgabe prädestiniert: „Tatsächlich dürfte Trump ein viel besseres Thema für Schriftsteller sein, die sich für menschliche Fähigkeiten und Defekte interessieren, als für die Mehrzahl der Reporter und Autoren, die regelmäßig aus Washington berichten und sich in erster Linie mit dem Streben nach Macht und Erfolg befassen.“ Das Ergebnis ist ein 480 Seiten langes Buch, das anstrengt und die Leser trotz der Vorwarnung mitunter verärgern dürfte: Wolff präsentiert zu viele belanglose Details über Episoden, die völlig zu Recht vergessen sind – etwa über die Intrigen, um den Aufstieg von Trumps Leibarzt Ronny Jackson zum Minister zu verhindern.
Gleichzeitig enthält „Unter Beschuss“ mitreißende Kapitel, die in Erinnerung rufen, was in Vergessenheit zu geraten droht: Etwa den Sommer 2018, als John McCain seine Beerdigung zur Anti-Trump-Zeremonie machte oder die New York Times den Gastbeitrag eines anonymen „hochrangigen Beamten“ aus dem Weißen Haus druckte, der sich als Teil jener Widerstandsgruppe outete, die „von innen heraus daran arbeiten, Trumps schlimmsten Neigungen entgegenzuwirken“. Manche Details schockieren auch abgebrühte Beobachter: Das Briefing-Material für Trump vor dem Gipfeltreffen mit Russlands Präsident Wladimir Putin im Juli 2018 umfasste nur eine Seite, weil Golfspielen in Schottland schlicht wichtiger war.
„Unter Beschuss“ enthält alle Zutaten, die „Feuer und Zorn“ zum Weltbestseller gemacht haben. Der New Yorker Wolff schert sich als Außenseiter der Washingtoner Politblase nicht um deren Regeln. Also verbreitet er wieder viele Details und Indiskretionen, die aber kaum mehr überraschen. Alle im Weißen Haus halten Trump demnach für „verrückt“, Jared Kushner beschreibt seinen Schwiegervater als „hyperaktives Kind“, Medienmogul Rupert Murdoch hält Trump ebenso für einen „Clown“ wie Sean Hannity, den größten Star seines Kabelsenders Fox News, der täglich ein halbes Dutzend Mal mit dem Präsidenten telefoniert, „um diesen zu beruhigen“. Trump selbst nennt seinen Vize Mike Pence einen „religiösen Spinner“ und fürchtet sich vor dessen ultragläubiger Ehefrau Karen.
Auch Stephen Bannon wird mit harten Urteilen zitiert: Trump „lebe noch in der Steinzeit“ und sei „gestört und unfähig“. Nancy Pelosi, die mächtigste Demokratin, ist für Bannon „eine Pistolenkugel mit Stahlspitze, die genau auf Trump zielt“. Erneut ist es Trumps Ex-Wahlkampfmanager, der Wolff mit Informationen füttert. Und genau hier beginnen die Probleme. Während der Recherche für „Fire and Fury“ hatte Wolff unbegrenzten Zugang zum Weißen Haus. Also lungerte er dort wochenlang auf den Gängen herum oder saß in Bannons Büro. Als dieser im August 2017 als Top-Berater gefeuert wurde, endeten auch Wolffs Privilegien.
Heutzutage weiß fast jeder, egal ob er Trump verehrt oder verachtet, wie sprunghaft, aufbrausend, faul und uninteressiert an größeren Zusammenhängen dieser 45. US-Präsident ist. Wolff müsste also viele Neuigkeiten bieten, um seinen herausgehobenen Status als Trump-Chronist zu verteidigen – und diese endlich nachvollziehbar belegen. Hier gehen die Mängel weiter: „Unter Beschuss“ hat zwar ein Personenregister (ein Zugeständnis an die Washingtoner Politblase, deren Mitglieder gerne die Passagen über sich und ihre Feinde lesen und die Werke dann ins Regal zurückstellen), aber keine Quellenangaben. Diese sind für Sachbücher eigentlich Standard; Bob Woodwards „Furcht“ listete auf 37 Seiten Belege und Gesprächspartner auf.
Wie bei „Feuer und Zorn“ haben US-Journalisten in den vergangenen Tagen bereits ein Dutzend Sachfehler identifiziert, obwohl Wolff dieses Mal sogar zwei Factchecker angeheuert hat. Aber im Zweifel verlässt er sich lieber auf Stephen Bannon, in dessen „Breitbart Embassy“ er Dauergast war. Explizit dankt er Bannon „für sein Vertrauen und die Zusammenarbeit“ und nennt ihn sogleich einen „Dr. Frankenstein mit seinen zwiespältigen Gefühlen für das Monster, das er erschaffen hat“. An sich ist es legitim, als Trump-Berichterstatter engen Kontakt zu Bannon zu pflegen – das tun Reporter von Washington Post oder Vanity Fair auch – aber Wolff liefert kaum Einordnung oder hinterfragt dessen Spin. Bannon wird als meisterhafter Stratege beschrieben, der Europa erobern werde und angeblich dafür verantwortlich sei, dass in Italien die Lega von Matteo Salvini und die Fünf-Sterne-Bewegung eine Regierung gebildet haben. Gewiss: Dass Bannons auch in deutschen Medien verbreitete Angeberei, die Europawahl werde für ein „politisches Erdbeben“ sorgen, so nicht zutraf, konnte Wolff nicht wissen, dessen Buch Ende März 2019 endet. Aber mit seinem geringen Anteil an Analyse bietet das Buch in Sachen Bannon nur das Porträt eines Getriebenen, der zurück will ins Weiße Haus zu Trump – und genau weiß, dass dies nicht geschehen wird, weil dieser US-Präsident dafür zugeben müsste, sich geirrt zu haben. Dazu ist Trump nicht fähig.
Breiten Raum nehmen Robert Muellers Ermittlungen ein. Der Sonderermittler ist bei Wolff ein spießiger, „vorsichtiger und unentschlossener Bürokrat“, der lange mit sich gerungen habe, ob er Trump anklagen solle. Angeblich formulierte ein Mueller-Stellvertreter im März 2018 den Entwurf einer Anklage, Wolff habe ihn gesehen. Dies wurde vergangene Woche von Muellers Büro dementiert, und die New York Times beschrieb genau, dass die von Wolff zitierten Passagen nicht dem Duktus solcher Dokumente entsprechen würden. Andere Reporter interpretierten die Formulierung des Mueller-Statements („Die beschriebenen Dokumente existieren nicht“) so, dass die Papiere vielleicht zerstört wurden, als klar war, dass sie nicht benutzt werden. Wolff betont in Interviews nur, seine Quelle sei „unfehlbar“, und freut sich, dass die Kontroverse ihm Aufmerksamkeit bringt.
Mittlerweile polarisiert Wolff ähnlich stark wie Trump. Die Fans des Präsidenten werden alle Details als „erfunden“ abtun, während das liberale Amerika dem Buch zum Erfolg verhelfen dürfte. Die „Katastrophen-Faszination“ durch den Präsidenten, die Gewissheit, dass Trump „sich am Ende selbst zerstören wird“, ist weltweit verbreitet. Überraschend ist Bannons Lob für die Demokratin Nancy Pelosi, sie sei Trump in Sachen Inszenierung ebenbürtig. Ihre Entscheidung, Trump wegen des Shutdowns das Recht zu verweigern, vor dem Kongress zu sprechen, kommentiert er auf seine typisch vulgäre Art: „Sie hat diesen Wichser vernichtet.“
Aufschlussreich sind Wolffs Beschreibungen, wie Mitch McConnell als Chef des Senats Trumps Agenda untergräbt und versucht, eine republikanische Kandidatin für die Wahl 2020 aufzubauen: die ehemalige UN-Botschafterin Nikki Haley. Dass diese das von Wolff verbreitete Gerücht, sie habe eine Affäre mit Trump gehabt, schon 2018 zurückwies, hält diesen nicht davon ab, es als „Männergerede in der Umkleide“ zu wiederholen.
Wer Jahr zwei der Trump-Präsidentschaft chronologisch nachlesen will, findet zurzeit kein aktuelleres Werk; nur sollten sich die Leser bewusst sein, wie schlampig Wolff mitunter arbeitet. Ihn interessiert nicht, welch dramatische Folgen Trumps chaotische Art für Millionen Amerikaner hat. Der Wirtschaftsjournalist Michael Lewis hat diese meisterhaft in „Erhöhtes Risiko“ (Campus Verlag, 2018) beschrieben: Wegen fehlender oder inkompetenter Führung können die US-Ministerien ihre Aufgaben immer schlechter bewältigen. Aber solche Themen schaffen es weiterhin kaum, gegen Trumps Lügen und Tweets zu bestehen – oder gegen Wolffs Gerüchte.
Michael Wolff: Unter Beschuss. Trumps Kampf im Weißen Haus. Aus dem Englischen von Gisela Fichtl, Hainer Kober, Elisabeth Liebl, Silvia Morawetz, Stefanie Römer, Werner Schmitz, Jan Schönherr, Karsten Singelmann, Peter Torberg und Henriette Zeltner. Rowohlt Verlag, Hamburg 2019. 480 Seiten, 22 Euro.
Als Außenseiter schert
sich Wolff nicht um die Regeln
der Washingtoner Politblase
Bannon lobt Nancy Pelosi:
„Sie hat diesen
Wichser vernichtet“
Er hat eine Weltmacht seinen Impulsen und Instinkten unterworfen: Donald Trump grüßt einen Marine, Mai 2019.
Foto: Andrew Harnik/dpa
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Nach „Feuer und Zorn“ setzt Michael Wolff seine Live-Geschichtsschreibung fort.
An diesem Dienstag erscheint „Unter Beschuss“ – ein Buch voller Fehler und Verkürzungen
VON MATTHIAS KOLB
Eines kann man Michael Wolff nicht vorwerfen: Dass er die Leser über seine Motive im Ungewissen lassen würde. 17 Monate, nachdem er in „Feuer und Zorn“ als Erster das Chaos im Weißen Haus unter Donald Trump in eine stimmige Erzählung gepackt hat, legt der 65-Jährige nach. „Unter Beschuss“, das am Dienstag gleichzeitig in den USA und Deutschland erscheint, soll nichts weniger sein als „eine Live-Geschichte dieser außerordentlichen Zeiten, denn sollten wir sie erst im Nachhinein verstehen, ist es vielleicht zu spät“.
So steht es in der „Vorbemerkung“, mit der Wolff deutlich machen will, was ihn für die Aufgabe prädestiniert: „Tatsächlich dürfte Trump ein viel besseres Thema für Schriftsteller sein, die sich für menschliche Fähigkeiten und Defekte interessieren, als für die Mehrzahl der Reporter und Autoren, die regelmäßig aus Washington berichten und sich in erster Linie mit dem Streben nach Macht und Erfolg befassen.“ Das Ergebnis ist ein 480 Seiten langes Buch, das anstrengt und die Leser trotz der Vorwarnung mitunter verärgern dürfte: Wolff präsentiert zu viele belanglose Details über Episoden, die völlig zu Recht vergessen sind – etwa über die Intrigen, um den Aufstieg von Trumps Leibarzt Ronny Jackson zum Minister zu verhindern.
Gleichzeitig enthält „Unter Beschuss“ mitreißende Kapitel, die in Erinnerung rufen, was in Vergessenheit zu geraten droht: Etwa den Sommer 2018, als John McCain seine Beerdigung zur Anti-Trump-Zeremonie machte oder die New York Times den Gastbeitrag eines anonymen „hochrangigen Beamten“ aus dem Weißen Haus druckte, der sich als Teil jener Widerstandsgruppe outete, die „von innen heraus daran arbeiten, Trumps schlimmsten Neigungen entgegenzuwirken“. Manche Details schockieren auch abgebrühte Beobachter: Das Briefing-Material für Trump vor dem Gipfeltreffen mit Russlands Präsident Wladimir Putin im Juli 2018 umfasste nur eine Seite, weil Golfspielen in Schottland schlicht wichtiger war.
„Unter Beschuss“ enthält alle Zutaten, die „Feuer und Zorn“ zum Weltbestseller gemacht haben. Der New Yorker Wolff schert sich als Außenseiter der Washingtoner Politblase nicht um deren Regeln. Also verbreitet er wieder viele Details und Indiskretionen, die aber kaum mehr überraschen. Alle im Weißen Haus halten Trump demnach für „verrückt“, Jared Kushner beschreibt seinen Schwiegervater als „hyperaktives Kind“, Medienmogul Rupert Murdoch hält Trump ebenso für einen „Clown“ wie Sean Hannity, den größten Star seines Kabelsenders Fox News, der täglich ein halbes Dutzend Mal mit dem Präsidenten telefoniert, „um diesen zu beruhigen“. Trump selbst nennt seinen Vize Mike Pence einen „religiösen Spinner“ und fürchtet sich vor dessen ultragläubiger Ehefrau Karen.
Auch Stephen Bannon wird mit harten Urteilen zitiert: Trump „lebe noch in der Steinzeit“ und sei „gestört und unfähig“. Nancy Pelosi, die mächtigste Demokratin, ist für Bannon „eine Pistolenkugel mit Stahlspitze, die genau auf Trump zielt“. Erneut ist es Trumps Ex-Wahlkampfmanager, der Wolff mit Informationen füttert. Und genau hier beginnen die Probleme. Während der Recherche für „Fire and Fury“ hatte Wolff unbegrenzten Zugang zum Weißen Haus. Also lungerte er dort wochenlang auf den Gängen herum oder saß in Bannons Büro. Als dieser im August 2017 als Top-Berater gefeuert wurde, endeten auch Wolffs Privilegien.
Heutzutage weiß fast jeder, egal ob er Trump verehrt oder verachtet, wie sprunghaft, aufbrausend, faul und uninteressiert an größeren Zusammenhängen dieser 45. US-Präsident ist. Wolff müsste also viele Neuigkeiten bieten, um seinen herausgehobenen Status als Trump-Chronist zu verteidigen – und diese endlich nachvollziehbar belegen. Hier gehen die Mängel weiter: „Unter Beschuss“ hat zwar ein Personenregister (ein Zugeständnis an die Washingtoner Politblase, deren Mitglieder gerne die Passagen über sich und ihre Feinde lesen und die Werke dann ins Regal zurückstellen), aber keine Quellenangaben. Diese sind für Sachbücher eigentlich Standard; Bob Woodwards „Furcht“ listete auf 37 Seiten Belege und Gesprächspartner auf.
Wie bei „Feuer und Zorn“ haben US-Journalisten in den vergangenen Tagen bereits ein Dutzend Sachfehler identifiziert, obwohl Wolff dieses Mal sogar zwei Factchecker angeheuert hat. Aber im Zweifel verlässt er sich lieber auf Stephen Bannon, in dessen „Breitbart Embassy“ er Dauergast war. Explizit dankt er Bannon „für sein Vertrauen und die Zusammenarbeit“ und nennt ihn sogleich einen „Dr. Frankenstein mit seinen zwiespältigen Gefühlen für das Monster, das er erschaffen hat“. An sich ist es legitim, als Trump-Berichterstatter engen Kontakt zu Bannon zu pflegen – das tun Reporter von Washington Post oder Vanity Fair auch – aber Wolff liefert kaum Einordnung oder hinterfragt dessen Spin. Bannon wird als meisterhafter Stratege beschrieben, der Europa erobern werde und angeblich dafür verantwortlich sei, dass in Italien die Lega von Matteo Salvini und die Fünf-Sterne-Bewegung eine Regierung gebildet haben. Gewiss: Dass Bannons auch in deutschen Medien verbreitete Angeberei, die Europawahl werde für ein „politisches Erdbeben“ sorgen, so nicht zutraf, konnte Wolff nicht wissen, dessen Buch Ende März 2019 endet. Aber mit seinem geringen Anteil an Analyse bietet das Buch in Sachen Bannon nur das Porträt eines Getriebenen, der zurück will ins Weiße Haus zu Trump – und genau weiß, dass dies nicht geschehen wird, weil dieser US-Präsident dafür zugeben müsste, sich geirrt zu haben. Dazu ist Trump nicht fähig.
Breiten Raum nehmen Robert Muellers Ermittlungen ein. Der Sonderermittler ist bei Wolff ein spießiger, „vorsichtiger und unentschlossener Bürokrat“, der lange mit sich gerungen habe, ob er Trump anklagen solle. Angeblich formulierte ein Mueller-Stellvertreter im März 2018 den Entwurf einer Anklage, Wolff habe ihn gesehen. Dies wurde vergangene Woche von Muellers Büro dementiert, und die New York Times beschrieb genau, dass die von Wolff zitierten Passagen nicht dem Duktus solcher Dokumente entsprechen würden. Andere Reporter interpretierten die Formulierung des Mueller-Statements („Die beschriebenen Dokumente existieren nicht“) so, dass die Papiere vielleicht zerstört wurden, als klar war, dass sie nicht benutzt werden. Wolff betont in Interviews nur, seine Quelle sei „unfehlbar“, und freut sich, dass die Kontroverse ihm Aufmerksamkeit bringt.
Mittlerweile polarisiert Wolff ähnlich stark wie Trump. Die Fans des Präsidenten werden alle Details als „erfunden“ abtun, während das liberale Amerika dem Buch zum Erfolg verhelfen dürfte. Die „Katastrophen-Faszination“ durch den Präsidenten, die Gewissheit, dass Trump „sich am Ende selbst zerstören wird“, ist weltweit verbreitet. Überraschend ist Bannons Lob für die Demokratin Nancy Pelosi, sie sei Trump in Sachen Inszenierung ebenbürtig. Ihre Entscheidung, Trump wegen des Shutdowns das Recht zu verweigern, vor dem Kongress zu sprechen, kommentiert er auf seine typisch vulgäre Art: „Sie hat diesen Wichser vernichtet.“
Aufschlussreich sind Wolffs Beschreibungen, wie Mitch McConnell als Chef des Senats Trumps Agenda untergräbt und versucht, eine republikanische Kandidatin für die Wahl 2020 aufzubauen: die ehemalige UN-Botschafterin Nikki Haley. Dass diese das von Wolff verbreitete Gerücht, sie habe eine Affäre mit Trump gehabt, schon 2018 zurückwies, hält diesen nicht davon ab, es als „Männergerede in der Umkleide“ zu wiederholen.
Wer Jahr zwei der Trump-Präsidentschaft chronologisch nachlesen will, findet zurzeit kein aktuelleres Werk; nur sollten sich die Leser bewusst sein, wie schlampig Wolff mitunter arbeitet. Ihn interessiert nicht, welch dramatische Folgen Trumps chaotische Art für Millionen Amerikaner hat. Der Wirtschaftsjournalist Michael Lewis hat diese meisterhaft in „Erhöhtes Risiko“ (Campus Verlag, 2018) beschrieben: Wegen fehlender oder inkompetenter Führung können die US-Ministerien ihre Aufgaben immer schlechter bewältigen. Aber solche Themen schaffen es weiterhin kaum, gegen Trumps Lügen und Tweets zu bestehen – oder gegen Wolffs Gerüchte.
Michael Wolff: Unter Beschuss. Trumps Kampf im Weißen Haus. Aus dem Englischen von Gisela Fichtl, Hainer Kober, Elisabeth Liebl, Silvia Morawetz, Stefanie Römer, Werner Schmitz, Jan Schönherr, Karsten Singelmann, Peter Torberg und Henriette Zeltner. Rowohlt Verlag, Hamburg 2019. 480 Seiten, 22 Euro.
Als Außenseiter schert
sich Wolff nicht um die Regeln
der Washingtoner Politblase
Bannon lobt Nancy Pelosi:
„Sie hat diesen
Wichser vernichtet“
Er hat eine Weltmacht seinen Impulsen und Instinkten unterworfen: Donald Trump grüßt einen Marine, Mai 2019.
Foto: Andrew Harnik/dpa
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.07.2019Die Beweislage ist nicht besser geworden
Unerschütterlich: Michael Wolff setzt seine Trump-Beobachtung fort
Ein Buch, das nicht nur in Washington, sondern weltweit für Aufregung sorgte, braucht nach den Gesetzen des Buchmarkts einen Nachfolger. Nach "Feuer und Zorn: Im Weißen Haus von Donald Trump" (2018) liefert der amerikanische Journalist Michael Wolff nun sein zweites Buch über den amerikanischen Präsidenten Donald Trump und dessen Zeit im Weißen Haus. "Unter Beschuss: Trumps Kampf im Weißen Haus" setzt ein paar Monate nach dem ersten Band ein. Endete "Feuer und Zorn" im August 2017, also nach Trumps ersten sieben Monaten im Amt, beginnt "Unter Beschuss" im Januar 2018 und soll "eine lesbare und anschauliche Erzählung sein, dann aber auch so etwas wie eine Live-Geschichte dieser außerordentlichen Zeiten", schreibt Wolff.
Er gehe damit seiner "Katastrophen-Faszination" von Trump weiter nach, schreibt er - und setzt darauf, dass auch seine potentiellen Leser dieser unterliegen. Wie schon im ersten Band basiert vieles von dem, was der fünfundsechzigjährige Wolff nun präsentiert, auf den Einlassungen von Steve Bannon, dem früheren Chefstrategen von Donald Trump.
Das Problem an diesem "Vergil, den als Führer beim Abstieg in die Trump-Welt zu haben jeder sich glücklich schätzen darf", ist jedoch, dass er im August 2017 aus dem Weißen Haus ausschied und nach dem Erscheinen von "Feuer und Zorn" von Trump öffentlich exkommuniziert wurde, also keinen Zugang mehr zu Regierungszentrale und zur Umgebung um Trump hat.
Wolff stützt sich auf viele Informanten, die auch vor seinem ersten Buch mit ihm gesprochen haben, auch wenn einige von ihnen ihre früheren Posten mittlerweile verlassen haben. Das setzt hinter die Begebenheiten, die Wolff beschreibt, häufig ein Fragezeichen. Denn woher er seine Einsichten hat, gibt er meist nicht preis. Hatte er für "Feuer und Zorn" noch Zugang zum Westflügel des Weißen Hauses, war damit nach der Veröffentlichung des Buches Schluss. Wolff selbst sagt, er fühle sich als Buchautor nicht an die strengen Vorgaben gebunden, die ein Journalist einhalten müsse.
Kein Wunder also, dass manche von Wolffs Behauptungen schon Zurückweisungen provoziert haben. Seine größte Enthüllung, Sonderermittler Robert Mueller habe eine Anklageschrift gegen Donald Trump verfasst, diese jedoch zum Ende seiner Untersuchungen verworfen, rief eine der seltenen offiziellen Stellungnahme des Mueller-Teams hervor: Dieses Papier habe es nie gegeben.
Grundiert wird das Buch von Wolffs "Gewissheit, dass Trump sich am Ende selbst zerstören wird" - und die Hoffnung, dass die Untersuchung des Sonderermittlers Robert Mueller dazu beiträgt. Im Epilog - der spät angefügt worden sein muss, ist der Mueller-Bericht doch erst im März, also drei Monate vor der Veröffentlichung von "Unter Beschuss", erschienen - kommt deutlich Wolffs Enttäuschung zum Ausdruck, dass Mueller keine Anklage erhoben und der Bericht des Sonderermittlers Trump erst einmal keinen weiteren Schaden zugefügt hat. "Entkommen, wenn man es so nennen konnte, war er noch lange nicht", schreibt Wolff, was er damit meint, bleibt unklar.
"Unter Beschuss" liefert nichts substantiell Neues, vielmehr Gerüchte, die über Trump kursieren - Trump könne keine Treppe hinuntergehen, habe keine Ahnung von Mathematik, sei launenhaft, breche oft in Wutanfälle aus, beleidige alle Menschen um ihn herum, während alle anderen, wohl bis auf die eigenen Kinder, ihn verachteten. Das alles kolportiert von Leuten, die aus dem Trump-Kosmos herausgefallen sind, aber nicht von ihrem vormaligen Zentralgestirn lassen können.
Ferndiagnosen über den Geisteszustand des Präsidenten wird viel Raum gegeben. So zitiert Wolff Bannon mit den Worten: "Wer sich selbst hasst, muss letzten Endes natürlich jeden hassen, der ihn zu lieben scheint."
Wolff selbst kommt zu dem Schluss: "Er war nicht paranoid. Er bemitleidete sich selbst und war melodramatisch, aber er war nicht auf der Hut." Demgegenüber berichtet er allerdings - wiederum ohne Beleg -, der Präsident glaube, Secret-Service-Agenten säßen mit geschwärzten Gesichtern in den Bäumen um das Weiße Haus und zielten mit Maschinenpistolen auf ihn. Das wiederum dürfte auf die meisten Leser doch ziemlich paranoid wirken. Den Widerspruch scheint Wolff allerdings nicht zu erkennen oder zumindest zu ignorieren.
OLIVER KÜHN
Michael Wolff: "Unter Beschuss: Trumps Kampf im Weißen Haus".
Aus dem Englischen von Werner Schmitz, Hainer Kober, Peter Torberg, Silvia Morawetz u.a.
Rowohlt Verlag, Hamburg 2019. 480 S., geb., 22,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Unerschütterlich: Michael Wolff setzt seine Trump-Beobachtung fort
Ein Buch, das nicht nur in Washington, sondern weltweit für Aufregung sorgte, braucht nach den Gesetzen des Buchmarkts einen Nachfolger. Nach "Feuer und Zorn: Im Weißen Haus von Donald Trump" (2018) liefert der amerikanische Journalist Michael Wolff nun sein zweites Buch über den amerikanischen Präsidenten Donald Trump und dessen Zeit im Weißen Haus. "Unter Beschuss: Trumps Kampf im Weißen Haus" setzt ein paar Monate nach dem ersten Band ein. Endete "Feuer und Zorn" im August 2017, also nach Trumps ersten sieben Monaten im Amt, beginnt "Unter Beschuss" im Januar 2018 und soll "eine lesbare und anschauliche Erzählung sein, dann aber auch so etwas wie eine Live-Geschichte dieser außerordentlichen Zeiten", schreibt Wolff.
Er gehe damit seiner "Katastrophen-Faszination" von Trump weiter nach, schreibt er - und setzt darauf, dass auch seine potentiellen Leser dieser unterliegen. Wie schon im ersten Band basiert vieles von dem, was der fünfundsechzigjährige Wolff nun präsentiert, auf den Einlassungen von Steve Bannon, dem früheren Chefstrategen von Donald Trump.
Das Problem an diesem "Vergil, den als Führer beim Abstieg in die Trump-Welt zu haben jeder sich glücklich schätzen darf", ist jedoch, dass er im August 2017 aus dem Weißen Haus ausschied und nach dem Erscheinen von "Feuer und Zorn" von Trump öffentlich exkommuniziert wurde, also keinen Zugang mehr zu Regierungszentrale und zur Umgebung um Trump hat.
Wolff stützt sich auf viele Informanten, die auch vor seinem ersten Buch mit ihm gesprochen haben, auch wenn einige von ihnen ihre früheren Posten mittlerweile verlassen haben. Das setzt hinter die Begebenheiten, die Wolff beschreibt, häufig ein Fragezeichen. Denn woher er seine Einsichten hat, gibt er meist nicht preis. Hatte er für "Feuer und Zorn" noch Zugang zum Westflügel des Weißen Hauses, war damit nach der Veröffentlichung des Buches Schluss. Wolff selbst sagt, er fühle sich als Buchautor nicht an die strengen Vorgaben gebunden, die ein Journalist einhalten müsse.
Kein Wunder also, dass manche von Wolffs Behauptungen schon Zurückweisungen provoziert haben. Seine größte Enthüllung, Sonderermittler Robert Mueller habe eine Anklageschrift gegen Donald Trump verfasst, diese jedoch zum Ende seiner Untersuchungen verworfen, rief eine der seltenen offiziellen Stellungnahme des Mueller-Teams hervor: Dieses Papier habe es nie gegeben.
Grundiert wird das Buch von Wolffs "Gewissheit, dass Trump sich am Ende selbst zerstören wird" - und die Hoffnung, dass die Untersuchung des Sonderermittlers Robert Mueller dazu beiträgt. Im Epilog - der spät angefügt worden sein muss, ist der Mueller-Bericht doch erst im März, also drei Monate vor der Veröffentlichung von "Unter Beschuss", erschienen - kommt deutlich Wolffs Enttäuschung zum Ausdruck, dass Mueller keine Anklage erhoben und der Bericht des Sonderermittlers Trump erst einmal keinen weiteren Schaden zugefügt hat. "Entkommen, wenn man es so nennen konnte, war er noch lange nicht", schreibt Wolff, was er damit meint, bleibt unklar.
"Unter Beschuss" liefert nichts substantiell Neues, vielmehr Gerüchte, die über Trump kursieren - Trump könne keine Treppe hinuntergehen, habe keine Ahnung von Mathematik, sei launenhaft, breche oft in Wutanfälle aus, beleidige alle Menschen um ihn herum, während alle anderen, wohl bis auf die eigenen Kinder, ihn verachteten. Das alles kolportiert von Leuten, die aus dem Trump-Kosmos herausgefallen sind, aber nicht von ihrem vormaligen Zentralgestirn lassen können.
Ferndiagnosen über den Geisteszustand des Präsidenten wird viel Raum gegeben. So zitiert Wolff Bannon mit den Worten: "Wer sich selbst hasst, muss letzten Endes natürlich jeden hassen, der ihn zu lieben scheint."
Wolff selbst kommt zu dem Schluss: "Er war nicht paranoid. Er bemitleidete sich selbst und war melodramatisch, aber er war nicht auf der Hut." Demgegenüber berichtet er allerdings - wiederum ohne Beleg -, der Präsident glaube, Secret-Service-Agenten säßen mit geschwärzten Gesichtern in den Bäumen um das Weiße Haus und zielten mit Maschinenpistolen auf ihn. Das wiederum dürfte auf die meisten Leser doch ziemlich paranoid wirken. Den Widerspruch scheint Wolff allerdings nicht zu erkennen oder zumindest zu ignorieren.
OLIVER KÜHN
Michael Wolff: "Unter Beschuss: Trumps Kampf im Weißen Haus".
Aus dem Englischen von Werner Schmitz, Hainer Kober, Peter Torberg, Silvia Morawetz u.a.
Rowohlt Verlag, Hamburg 2019. 480 S., geb., 22,- [Euro].
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