Edda lebt auf Föhr. Sie surft für ihr Leben gern und ist am liebsten mit Jasper zusammen, dem Neuen in der Oberstufe. Mit ihm kann sie über Gott und die Welt diskutieren. Aber Edda will ihn auf eine Probe stellen. Sie dreht ihm den Rücken zu um zu sehen, was passiert. Kurz vor dem Abi packt sie ihre Sachen und ist auf und davon. Sie trampt nach Berlin, mitten hinein in die linke Polit-Szene. Edda lässt sich ganz darauf ein ohne Jasper zu vergessen, auf Globalisierungskritik und Engagement für eine gerechtere Welt und auf die Vorbereitungen für die Demo zum G8-Gipfel in Heiligendamm. Dann spitzen sich die Ereignisse zu. Ein Mädchen wird in einer Schlägerei mit der Polizei von einer Kugel tödlich getroffen. Doch die Gruppe hält weiter zusammen und kriegt Verstärkung. Von Jasper. Das hätte Edda sich nicht träumen lassen...
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.05.2007Heiligendamm, mon amour
Rührend: Ein Grünen-Politiker lässt den G-8-Gipfel platzen
Futur II: Das Buch des schleswigschen Autorenehepaars Habeck und Paluch erzählt vom kommenden G-8-Gipfel. Eine Gruppe junger Leute macht sich dorthin auf, um gegen das Weltübel zu demonstrieren, das sie in den dort versammelten Politikern repräsentiert sehen. Unter ihnen Edda aus Föhr, aus deren Sicht die eine Hälfte des Geschehens geschildert wird; die andere trägt Jasper aus Amrum bei, ihr Schulfreund, der sie dort eigentlich nur wiedersehen wollte.
Jugend im Widerstand gegen die Weltverwüstung, das sind: viele politische Phrasen, noch mehr philosophische Fragen über Gott, Liebe, Ich, Debatten über Antigone, über Freiheit und Seitensprünge. Die Autoren versammeln alle Motive, die man so haben kann, um inbrünstig rechthabend "denen da oben", aber auch den Konkurrenten ums Mädchen in den Weg zu treten. Die Protestreise ist ein Bildungserlebnis, das vom Räsonieren in Ernst umschlägt, weil beim Sturm der Demonstranten ein Mädchen aus der Gruppe von der Polizei erschossen wird, wobei die Polizisten insgesamt ganz sympathische Figuren sind. Am Ende ist der Gipfel geplatzt, die Liebenden sind beieinander, der Fanatismus in Politik wie Liebe bleibt widerlegt am Strand zurück, während das Paar in die Nacht hinaussegelt.
Dazu passt, dass sich die Sprache des Buches ausgiebig beim kritischen Kitsch bedient: "Es gab dieses stille Einvernehmen zwischen uns, dieses Bejahen, das ohne Jasagen auskam." Und auch bei der Politikprosa, die engagierte Abiturienten oft im Griff hat: "Meine Generation bekannte sich zur Verantwortung und forderte sie ein von denen" oder "Ich wollte einfach nicht zu einer erbärmlichen Generation gehören, die eine große Koalition über sich bestimmen lässt, ohne dagegen anzugehen". Bloß nicht ja sagen, Verantwortung einfordern und kleine Koalitionen als politisches Diesseits des kapitalistischen Sündenpfuhls - wir hoffen, das sind keine Versatzstücke aus den Reden, die Autor Habeck als Vorsitzender der schleswig-holsteinischen Grünen halten muss, sondern Stilmittel, um die früh altklug gewordene Jugend zu charakterisieren.
Soll man aber glauben, ein Junge, der soeben noch "fett" und "okay für mich" gesagt hat, sei zu einer Verteidigung der Monogamie mit Formulierungen wie der fähig, andernfalls nehme "der Grad der Verletzungen erheblich zu"? Erheblich. Hier sprechen Eltern, keine schlechten Eltern, rührende vielmehr, aber eben nicht Jugendliche. Insofern handelt es sich um klassische Erbauungsliteratur. Genau so hätten Erwachsene aus dem nachhaltigen Milieu ihre Kinder gern, so stellen sie sich deren Reifung vor. Warum nicht? Vielleicht, weil es, so geschildert, eine Jugend ist, die nur noch findet, was ihre Eltern für sie an Ichwerdungspfaden mit eingebauter Unsicherheitsphase schon ausgearbeitet haben.
JÜRGEN KAUBE
Robert Habeck, Andrea Paluch: "Unter dem Gully liegt das Meer". Sauerländer Verlag, Düsseldorf 2007. 165 Seiten, geb., 13,90 [Euro]. Ab 14 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Rührend: Ein Grünen-Politiker lässt den G-8-Gipfel platzen
Futur II: Das Buch des schleswigschen Autorenehepaars Habeck und Paluch erzählt vom kommenden G-8-Gipfel. Eine Gruppe junger Leute macht sich dorthin auf, um gegen das Weltübel zu demonstrieren, das sie in den dort versammelten Politikern repräsentiert sehen. Unter ihnen Edda aus Föhr, aus deren Sicht die eine Hälfte des Geschehens geschildert wird; die andere trägt Jasper aus Amrum bei, ihr Schulfreund, der sie dort eigentlich nur wiedersehen wollte.
Jugend im Widerstand gegen die Weltverwüstung, das sind: viele politische Phrasen, noch mehr philosophische Fragen über Gott, Liebe, Ich, Debatten über Antigone, über Freiheit und Seitensprünge. Die Autoren versammeln alle Motive, die man so haben kann, um inbrünstig rechthabend "denen da oben", aber auch den Konkurrenten ums Mädchen in den Weg zu treten. Die Protestreise ist ein Bildungserlebnis, das vom Räsonieren in Ernst umschlägt, weil beim Sturm der Demonstranten ein Mädchen aus der Gruppe von der Polizei erschossen wird, wobei die Polizisten insgesamt ganz sympathische Figuren sind. Am Ende ist der Gipfel geplatzt, die Liebenden sind beieinander, der Fanatismus in Politik wie Liebe bleibt widerlegt am Strand zurück, während das Paar in die Nacht hinaussegelt.
Dazu passt, dass sich die Sprache des Buches ausgiebig beim kritischen Kitsch bedient: "Es gab dieses stille Einvernehmen zwischen uns, dieses Bejahen, das ohne Jasagen auskam." Und auch bei der Politikprosa, die engagierte Abiturienten oft im Griff hat: "Meine Generation bekannte sich zur Verantwortung und forderte sie ein von denen" oder "Ich wollte einfach nicht zu einer erbärmlichen Generation gehören, die eine große Koalition über sich bestimmen lässt, ohne dagegen anzugehen". Bloß nicht ja sagen, Verantwortung einfordern und kleine Koalitionen als politisches Diesseits des kapitalistischen Sündenpfuhls - wir hoffen, das sind keine Versatzstücke aus den Reden, die Autor Habeck als Vorsitzender der schleswig-holsteinischen Grünen halten muss, sondern Stilmittel, um die früh altklug gewordene Jugend zu charakterisieren.
Soll man aber glauben, ein Junge, der soeben noch "fett" und "okay für mich" gesagt hat, sei zu einer Verteidigung der Monogamie mit Formulierungen wie der fähig, andernfalls nehme "der Grad der Verletzungen erheblich zu"? Erheblich. Hier sprechen Eltern, keine schlechten Eltern, rührende vielmehr, aber eben nicht Jugendliche. Insofern handelt es sich um klassische Erbauungsliteratur. Genau so hätten Erwachsene aus dem nachhaltigen Milieu ihre Kinder gern, so stellen sie sich deren Reifung vor. Warum nicht? Vielleicht, weil es, so geschildert, eine Jugend ist, die nur noch findet, was ihre Eltern für sie an Ichwerdungspfaden mit eingebauter Unsicherheitsphase schon ausgearbeitet haben.
JÜRGEN KAUBE
Robert Habeck, Andrea Paluch: "Unter dem Gully liegt das Meer". Sauerländer Verlag, Düsseldorf 2007. 165 Seiten, geb., 13,90 [Euro]. Ab 14 J.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Jürgen Kaube kommentiert Robert Habecks und Andrea Paluchs Jugendbuch über eine Gruppe Jugendlicher, die zum G-8-Gipfel in Heiligendamm fährt, um gegen die Weltherrschaft des Kapitalismus demonstrieren, süffisant als "rührend". Wirklich ernst nehmen mag er die Geschichte über eine Protestreise, die für die Jugendlichen zum Bildungserlebnis wird, nicht. Dafür haben die Autoren für seinen Geschmack zu dick aufgetragen, zu viele Phrasen über Verantwortung und philosophische Diskussionen über Gott, Liebe und das Ich eingearbeitet. Die Sprache des Buchs rückt er in die Nähe des "kritischen Kitschs". Überhaupt scheinen ihm aus den Jugendlichen nicht Jugendliche zu sprechen, sondern besorgte Eltern aus dem "nachhaltigen Milieu". Insofern betrachtet er das Buch auch als "klassische Erbauungsliteratur".
© Perlentaucher Medien GmbH
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