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Begonnen hatte die Geschichte dieser Straße schon unter den Kurfürsten, aber geprägt wurde sie von den ersten vier preußischen Königen. Vom Schloss ausgehend, wuchs die Allee gemeinsam mit dem Anwachsen des Königreichs, um gegen Ende des 18. Jahrhunderts mit dem Brandenburger Tor ihren Abschluss zu finden. Den Centralpunkt der eleganten Welt nennt das Zedlitsche Conversationshandbuch von 1834 den westlichen Teil der Straße. Auch im bürgerlichen Zeitalter und als Promenade der Müßiggänger behielten die Linden ihren Charakter als Staatsstraße. Sie repräsentierte Preußen, und zwar sowohl das…mehr

Produktbeschreibung
Begonnen hatte die Geschichte dieser Straße schon unter den Kurfürsten, aber geprägt wurde sie von den ersten vier preußischen Königen. Vom Schloss ausgehend, wuchs die Allee gemeinsam mit dem Anwachsen des Königreichs, um gegen Ende des 18. Jahrhunderts mit dem Brandenburger Tor ihren Abschluss zu finden. Den Centralpunkt der eleganten Welt nennt das Zedlitsche Conversationshandbuch von 1834 den westlichen Teil der Straße. Auch im bürgerlichen Zeitalter und als Promenade der Müßiggänger behielten die Linden ihren Charakter als Staatsstraße. Sie repräsentierte Preußen, und zwar sowohl das militärische, das sich im Zeughaus in aller Pracht zeigte, als auch das geistig-künstlerische, wofür früh schon das Opernhaus stand.

Mit Günter de Bruyn begegnen wir dem jungen Heinrich Heine bei seinem Bummel Unter den Linden. Preußens Luise hält hier ihren Einzug; der alte Kaiser zeigt sich am historischen Eckfenster; und der Aufzug der Königswache lockt viele Besucher an. Der literarische Sprgang führt vom Lustgarten über das Forum Fridericianum bis zum Hotel Adlon und dem Pariser Platz mit seinem berühmten Bewohner Max Liebermann, der am 30. Januar 1933 die SA-Kolonnen durch das Brandenburger Tor marschieren sieht. Der Leser erlebt, als ein selbstverschuldetes Ende, die Zerstörung der Prachtstraße durch die Bomben des Zweiten Weltkriegs, ihre Verstümmelung durch Stacheldraht und Mauer und ihren noch immer nicht vollendeten Wiederaufbau.
Durch Geschichten, die sich mit Bauten und Bäumen verbinden, macht Günter de Bruyn einige Jahrhunderte preußisch-deutscher Geschichte lebendig.

Autorenporträt
Günter de Bruyn, 1926 in Berlin geboren, lebt seit 1961 als freier Schriftsteller in Berlin und in einem märkischen Dorf. Zu seinen zahlreichen Auszeichnungen zählen der Heinrich-Mann-Preis, der Thomas-Mann-Preis, der Heinrich-Böll-Preis, der Große Literaturpreis der Bayrischen Akademie der Künste und der Jean-Paul-Preis. Zuletzt machte er mit seinen beiden autobiographischen Büchern "Zwischenbilanz" und "Vierzig Jahre" Furore.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.03.2003

Wrangel fürchtet um keine Frau
Diskrete Skepsis: Günter de Bruyn besichtigt Berlins Linden

Berlins, ja Deutschlands berühmtestes Tor ist das Friedenstor. So sagte man heute, hätte das Brandenburger Tor, dessen neue Gestalt Carl Gotthard Langhans entworfen hatte, nicht zur Einweihung 1791 den Namen seines unscheinbaren Vorgängers beibehalten. König Friedrich Wilhelm III., der den Bau gerne dem Frieden geweiht hätte, entschädigte sich mit der berühmten, von der Göttin des Friedens gelenkten Quadriga, die, entworfen von Johann Gottfried Schadow, 1793 auf die Attika gehievt wurde. Allen dreien war nicht bewußt, daß sie ein Bauwerk von Weltrang geschaffen hatten. Langhans lobte zwar die Lage als "ohnstreitig schönste der Welt", Schadow aber mäkelte, das Tor, den Propyläen von Athen nachempfunden, beweise als "Wiederholung eines anerkannten Meisterwerks" der Antike den Mangel an eigenen Ideen.

Ein politisches Ereignis hob denn auch das Tor schlagartig in das allgemeine Bewußtsein: Napoleon begründete den Ruhm des Tores. Er wählte 1806 "das Brandenburger Tor als heroische Kulisse" des Einmarschs seiner Truppen. Die Quadriga ließ er nach Paris schaffen, von wo sie, von Schinkel um das bekränzte Eiserne Kreuz mit Adler bereichert, nach den Befreiungskriegen als Gespann der triumphierenden Siegesgöttin Viktoria zurückkam. Der Rest ist allgemein bekannt: die pompösen Paraden der Hohenzollern, der Fackelzug der SA nach Hitlers Wahlsieg, die Schließung, als der Kalte Krieg begann, der Freudentaumel zur Wende.

Weniger bekannt ist, daß im Mai 1945 ein "Elendszug deutscher Soldaten durch das Tor nach Osten in langjährige Gefangenschaft getrieben wurde". An diesen verzweifelt trägen Marsch erinnert Günter de Bruyn. Auch die eben nacherzählten Ereignisse schildert er und vieles mehr, was sich zwischen Lustgarten und Pariser Platz ereignete. Geschichten von Bauten und Menschen, immer eins aus dem anderen hervorgehend: das Genre hat eine große Tradition. Heinrich Heine, Theodor Fontane, Walter Kiaulehn fallen einem ein, und natürlich Franz Hessel, dessen "Spazieren in Berlin" de Bruyn als Meisterwerk erwähnt. Von Fontane wiederum stammt die teils verärgerte, teils erschreckte Wendung, Berlin sei immer im Werden. In ihr ist die Begründung des gerade in Berlin so häufigen literarischen Flanierens enthalten: Es lebt vom Drang, wenigstens schriftlich zu bewahren, was sich fortwährend verflüchtigt.

Wie von selbst spinnen sich daraus auch bei de Bruyn Erzählstränge, die sich weit ins Gestern verästeln: Raschdorffs bombastischer neobarocker Dom am Lustgarten gibt ihm Gelegenheit, von Schinkels herrlich maßvollem Vorgängerbau zu erzählen, dessen beide zierliche überkuppelte Turmaufsätze Heinrich Heine als "Vogelkörbe" bespöttelte. Heines Bonmot von einer "vielbewegten Menschenmasse" aus "Bekennern des Alten und des Neuen Testaments" aufgreifend, die sich, "Habsucht in jedem Muskel", vor dem Dom bewegte, führt de Bruyn zur Börse, die damals direkt neben dem Dom stand. Der Aktienhandel war nur die letzte vieler Bestimmungen des edlen Kuppelbaus. Entstanden nämlich war er als "Lusthaus" des Großen Kurfürsten, war dann von dessen pragmatischen Nachfolgern zur Tapetenfabrik umgewidmet worden und endete, als Berlin eine neue protzige Börse baute, unter der Abrißbirne.

Poesie und Prosa, Glanz und Elend mischt de Bruyn ebenso souverän, wenn er von den Bauten zu den Bewohnern der Lindenallee kommt. Zu General von Wrangel zum Beispiel, dem Unterdrücker der Revolution von 1848, der seine Dienstwohnung am Pariser Platz hatte. Im Falle einer Besetzung Berlins durch seine Truppen hatten die Revolutionäre dem Abwesenden mit Rache an seiner Frau gedroht. Beim Einritt durch das Brandenburger Tor soll er dann, auf sein Haus blickend, seinem Adjutanten ein "Ob se ihr woll schon uffjehängt hamm?" zugeworfen haben.

Nicht minder drastisch konnte sich Max Liebermann ausdrücken, der Malerfürst, dessen flirrender Impressionismus großbürgerliche Kultur verklären, aber auch soziales Elend durchleuchten konnte. Als die grölenden SA-Leute im Januar 1933 an seinem Palais neben dem Brandenburger Tor vorbeizogen, quittierte der Vornehme das mit einem: "So ville kann ick gar nich essen, wie ick kotzen möchte." Lakonisch und deshalb ergreifend, erzählt de Bruyn das Ende: "Bei seinem Begräbnis auf dem jüdischen Friedhof in der Schönhauser Allee waren (1935) nur zwölf Menschen anwesend, darunter Ferdinand Sauerbruch und Käthe Kollwitz. Seine Witwe, die noch bis 1943 am Pariser Platz wohnte, vergiftete sich, als die Deportation drohte."

In seinen "Unsichtbaren Städten" schreibt Italo Calvino von einer Stadt, in der Reisende eingeladen würden, sie zu besichtigen und "zugleich gewisse alte Ansichtskarten zu betrachten, die zeigen, wie sie früher war: genau derselbe Platz mit einem Huhn anstelle des Autobusbahnhofs, dem Musikpavillon anstelle der Unterführung, (so daß man) mit Nostalgie an das denken kann, was sie gewesen ist". Der Einband von de Bruyns Buch, auf dem hübsch kolorierte Ansichten der Allee zu sehen sind, auch der angenehm plaudernde Ton seiner Schilderungen lassen anfangs eine ähnlich nostalgische Besichtigungstour vermuten. Doch bald mischt sich diskrete Kritik ein, Skepsis, Mokanz, Abstand alles in allem gegenüber der Gegenwart, aber auch der Vergangenheit.

An der Neubebauung des Pariser Platzes beispielsweise lobt de Bruyn, daß durch Günter Behnischs künftige Akademie der Künste und die beiden Botschaften "nicht nur das große Geld hier seine Macht demonstriert". Von Berlins verschwundenem Stadtschloß, das zur Zeit in einer mehr als nostalgischen Gloriole funkelt, verzeichnet er nicht nur Hoffeste und Staatsakte, sondern auch, daß 1848 "im Schloßhof der König gezwungen wurde, den gefallenen Barrikadenkämpfern seine Ehrerbietung zu erweisen". Gelegentlich aber geht der Urteilssichere doch seiner Liebe und seiner Trauer angesichts versunkener Berliner Schönheit und Kultur auf den Leim: Das Nikolaiviertel, jene als "Traditionsinsel" in DDR-Zeiten zusammengestellte Collage aus Repliken historischer Bauten, nennt er verächtlich "Betonattrappe", um wenige Zeilen weiter zu erklären: "Nur der Wiederaufbau der Schlüterschen Schloßfassade kann die häßliche Lücke in der Mitte Berlins füllen." Doch auch diese Fassade wird einen Betonbau verhüllen.

DIETER BARTETZKO

Günter de Bruyn: "Unter den Linden". Siedler Verlag, Berlin 2002. 192 S., 90 Abb., geb., 18,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Eine Straße in Berlin
"Die Linden" sind keine gewöhnliche Straße. 350 Jahre gibt es sie schon. Friedrich Wilhelm, der Große Kurfürst, hatte sie als Jagd- und Reitweg anlegen lassen. Das war kurz nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges. Auf diesem Weg, der das königliche Schloss mit dem Tiergarten verband, ließ er die berühmten Linden anpflanzen.
Im Brennpunkt der Geschichte
Günter de Bruyn, Schriftsteller und exzellenter Kenner der preußischen Geschichte, führt den Leser die Linden entlang und zeigt ihm jedes Haus - oder das, was von der Originalbebauung noch übrig ist. Dabei bedient er sich der Aufzeichnungen eines anderen Flaneurs: Heinrich Heine. Die Straße "Unter den Linden" bietet ein Panorama der preußischen und deutschen Geschichte. So wohnte am östlichen Ende der Monarch, am westlichen Ende hingegen lebte und arbeitete ein Protagonist des bürgerlichen, anti-aristokratischen Berlins: der Maler Max Liebermann. Nach seinem Wohnort am Pariser Platz gefragt, pflegte Liebermann zu sagen: "Wenn man nach Berlin reinkommt, gleich links." Bevor es aber zum Pariser Platz und zum Brandenburger Tor geht, zeigt de Bruyn dem Leser noch das Schloss und das Kommandantenhaus (beide stehen nicht mehr); die Universität, wo Geistesgrößen wie Leibniz und Hegel unterrichteten; die Oper; die ehemalige Königliche Bibliothek (wegen ihres Aussehens "Kommode" genannt). "Mulis et musis", so Leibniz - den Maultieren und den Musen - sei das Gebäude gewidmet, in dem sich die Akademie der Wissenschaften und der Marstall zunächst die Räume teilten. An der Friedrichstraße verläuft die Grenze zwischen dem aristokratischen und dem bürgerlichen Teil der Linden - mit berühmten Cafés, Hotels und Amüsierbetrieben unterschiedlichster Couleur.
Blick zurück in Wehmut
Dass ihm aus architektonischer Sicht manches aus der alten Zeit mehr behagte, verhehlt de Bruyn nicht. Beispiele sind die Vergrößerung der russischen Botschaft und das gigantische Hotel Adlon, das vor nicht allzu langer Zeit wiedereröffnet wurde. Über ein Gebäude aber dürfte Einigkeit herrschen: Das Brandenburger Tor, dessen Viergespann, die Quadriga, von Napoleon "entführt" worden war, ist zu einem unverwechselbaren Wahrzeichen der Stadt geworden. Hier verlief 28 Jahre lang die Mauer. Heute ist das Tor offen und ein beliebter Treffpunkt der Berliner und ihrer Gäste. Heute sind die Linden ein Ort der Weltläufigkeit: "In ihr wird der wie ein Kleinstädter an seinen Ortsteil gebundene Großstädter zum Hauptstädter."
(Mathias Voigt, literaturtest.de)
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Dass Napoleon 1806 das Brandenburger Tor in Berlin als "heroische Kulisse" des Einmarschs seiner Truppen wählte, ist allgemein bekannt. Weniger bekannt ist, dass im Mai 1945 ein "Elendszug deutscher Soldaten durch das Tor nach Osten in langjährige Gefangenschaft getrieben wurde". Beide Ereignisse und vieles mehr, was sich Unter den Linden zwischen Lustgarten und Pariser Platz zugetragen hat, schildert Günter de Bruyn nach Auskunft von Rezensent Dieter Bartetzko in seinem Buch "Unter den Linden". Mit seinen Geschichten von Bauten und Menschen steht de Bruyn in einer großen Tradition, hält Bartetzko fest und nennt mit Heinrich Heine, Theodor Fontane, Walter Kiaulehn und Franz Hessel einige bedeutende Vorgänger - Vorgänger vor denen sich de Bruyn mit seiner Besichtigung der Prachtstraße nicht zu verstecken brauchte. Ob Bauten oder Bewohner, de Bruyn mischt Poesie und Prosa, Glanz und Elend gleichermaßen souverän, lobt Bartetzko. Eine "nostalgische Besichtigungstour", wie der Einband des Buchs und der "angenehm plaudernde Ton seiner Schilderungen" vermuten lassen, ist de Bruyns Buch nach Einschätzung des Rezensenten indes nicht. "Bald mischt sich diskrete Kritik ein, Skepsis, Mokanz, Abstand alles in allem gegenüber der Gegenwart, aber auch der Vergangenheit", vermeldet der Rezensent. Was nicht verhindere, dass de Bruyn, der "Urteilssichere", gelegentlich seiner Liebe und seiner Trauer angesichts versunkener Berliner Schönheit und Kultur auf den Leim gehe.

© Perlentaucher Medien GmbH
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