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Keine der Straßen Berlins verbindet man bis heute so sehr mit der Geschichte Preußens und seiner Hauptstadt wie Unter den Linden. Der "unheilbare Flaneur" (NZZ) Günter de Bruyn führt uns auf die ihm eigene, unnachahmliche Weise durch die bewegte Vergangenheit des Boulevards und seiner Bewohner. Der literarische Spaziergang führt vom Lustgarten über das Forum Fridericianum bis zum Hotel Adlon und zum Pariser Platz. Durch Geschichten, die sich mit Bauten und Bäumen verbinden, macht de Bruyn einige Jahrhunderte preußisch-deutscher Geschichte lebendig. "Eine herrliche Handreichung für alle, die…mehr

Produktbeschreibung
Keine der Straßen Berlins verbindet man bis heute so sehr mit der Geschichte Preußens und seiner Hauptstadt wie Unter den Linden. Der "unheilbare Flaneur" (NZZ) Günter de Bruyn führt uns auf die ihm eigene, unnachahmliche Weise durch die bewegte Vergangenheit des Boulevards und seiner Bewohner. Der literarische Spaziergang führt vom Lustgarten über das Forum Fridericianum bis zum Hotel Adlon und zum Pariser Platz. Durch Geschichten, die sich mit Bauten und Bäumen verbinden, macht de Bruyn einige Jahrhunderte preußisch-deutscher Geschichte lebendig. "Eine herrliche Handreichung für alle, die nicht blind über die Linden tapern." Haug von Kuenheim, Die Zeit
Autorenporträt
Günter de Bruyn, 1926 in Berlin geboren, lebt heute als freier Schriftsteller in einem märkischen Dorf. Seine beiden autobiografischen Bücher "Zwischenbilanz" und "Vierzig Jahre" machten Furore. Zu Günter de Bruyns zahlreichen Auszeichnungen zählen der Heinrich-Mann-Preis, der Thomas- Mann-Preis, der Große Literaturpreis der Bayerischen Akademie der Künste, der Jean-Paul-Preis, der Deutsche Nationalpreis, der Jacob-Grimm-Preis, der Hoffmann-von-Fallersleben-Preis und 2011 der Johann-Heinrich-Merck-Preis für literarische Kritik und Essay.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.03.2003

Wrangel fürchtet um keine Frau
Diskrete Skepsis: Günter de Bruyn besichtigt Berlins Linden

Berlins, ja Deutschlands berühmtestes Tor ist das Friedenstor. So sagte man heute, hätte das Brandenburger Tor, dessen neue Gestalt Carl Gotthard Langhans entworfen hatte, nicht zur Einweihung 1791 den Namen seines unscheinbaren Vorgängers beibehalten. König Friedrich Wilhelm III., der den Bau gerne dem Frieden geweiht hätte, entschädigte sich mit der berühmten, von der Göttin des Friedens gelenkten Quadriga, die, entworfen von Johann Gottfried Schadow, 1793 auf die Attika gehievt wurde. Allen dreien war nicht bewußt, daß sie ein Bauwerk von Weltrang geschaffen hatten. Langhans lobte zwar die Lage als "ohnstreitig schönste der Welt", Schadow aber mäkelte, das Tor, den Propyläen von Athen nachempfunden, beweise als "Wiederholung eines anerkannten Meisterwerks" der Antike den Mangel an eigenen Ideen.

Ein politisches Ereignis hob denn auch das Tor schlagartig in das allgemeine Bewußtsein: Napoleon begründete den Ruhm des Tores. Er wählte 1806 "das Brandenburger Tor als heroische Kulisse" des Einmarschs seiner Truppen. Die Quadriga ließ er nach Paris schaffen, von wo sie, von Schinkel um das bekränzte Eiserne Kreuz mit Adler bereichert, nach den Befreiungskriegen als Gespann der triumphierenden Siegesgöttin Viktoria zurückkam. Der Rest ist allgemein bekannt: die pompösen Paraden der Hohenzollern, der Fackelzug der SA nach Hitlers Wahlsieg, die Schließung, als der Kalte Krieg begann, der Freudentaumel zur Wende.

Weniger bekannt ist, daß im Mai 1945 ein "Elendszug deutscher Soldaten durch das Tor nach Osten in langjährige Gefangenschaft getrieben wurde". An diesen verzweifelt trägen Marsch erinnert Günter de Bruyn. Auch die eben nacherzählten Ereignisse schildert er und vieles mehr, was sich zwischen Lustgarten und Pariser Platz ereignete. Geschichten von Bauten und Menschen, immer eins aus dem anderen hervorgehend: das Genre hat eine große Tradition. Heinrich Heine, Theodor Fontane, Walter Kiaulehn fallen einem ein, und natürlich Franz Hessel, dessen "Spazieren in Berlin" de Bruyn als Meisterwerk erwähnt. Von Fontane wiederum stammt die teils verärgerte, teils erschreckte Wendung, Berlin sei immer im Werden. In ihr ist die Begründung des gerade in Berlin so häufigen literarischen Flanierens enthalten: Es lebt vom Drang, wenigstens schriftlich zu bewahren, was sich fortwährend verflüchtigt.

Wie von selbst spinnen sich daraus auch bei de Bruyn Erzählstränge, die sich weit ins Gestern verästeln: Raschdorffs bombastischer neobarocker Dom am Lustgarten gibt ihm Gelegenheit, von Schinkels herrlich maßvollem Vorgängerbau zu erzählen, dessen beide zierliche überkuppelte Turmaufsätze Heinrich Heine als "Vogelkörbe" bespöttelte. Heines Bonmot von einer "vielbewegten Menschenmasse" aus "Bekennern des Alten und des Neuen Testaments" aufgreifend, die sich, "Habsucht in jedem Muskel", vor dem Dom bewegte, führt de Bruyn zur Börse, die damals direkt neben dem Dom stand. Der Aktienhandel war nur die letzte vieler Bestimmungen des edlen Kuppelbaus. Entstanden nämlich war er als "Lusthaus" des Großen Kurfürsten, war dann von dessen pragmatischen Nachfolgern zur Tapetenfabrik umgewidmet worden und endete, als Berlin eine neue protzige Börse baute, unter der Abrißbirne.

Poesie und Prosa, Glanz und Elend mischt de Bruyn ebenso souverän, wenn er von den Bauten zu den Bewohnern der Lindenallee kommt. Zu General von Wrangel zum Beispiel, dem Unterdrücker der Revolution von 1848, der seine Dienstwohnung am Pariser Platz hatte. Im Falle einer Besetzung Berlins durch seine Truppen hatten die Revolutionäre dem Abwesenden mit Rache an seiner Frau gedroht. Beim Einritt durch das Brandenburger Tor soll er dann, auf sein Haus blickend, seinem Adjutanten ein "Ob se ihr woll schon uffjehängt hamm?" zugeworfen haben.

Nicht minder drastisch konnte sich Max Liebermann ausdrücken, der Malerfürst, dessen flirrender Impressionismus großbürgerliche Kultur verklären, aber auch soziales Elend durchleuchten konnte. Als die grölenden SA-Leute im Januar 1933 an seinem Palais neben dem Brandenburger Tor vorbeizogen, quittierte der Vornehme das mit einem: "So ville kann ick gar nich essen, wie ick kotzen möchte." Lakonisch und deshalb ergreifend, erzählt de Bruyn das Ende: "Bei seinem Begräbnis auf dem jüdischen Friedhof in der Schönhauser Allee waren (1935) nur zwölf Menschen anwesend, darunter Ferdinand Sauerbruch und Käthe Kollwitz. Seine Witwe, die noch bis 1943 am Pariser Platz wohnte, vergiftete sich, als die Deportation drohte."

In seinen "Unsichtbaren Städten" schreibt Italo Calvino von einer Stadt, in der Reisende eingeladen würden, sie zu besichtigen und "zugleich gewisse alte Ansichtskarten zu betrachten, die zeigen, wie sie früher war: genau derselbe Platz mit einem Huhn anstelle des Autobusbahnhofs, dem Musikpavillon anstelle der Unterführung, (so daß man) mit Nostalgie an das denken kann, was sie gewesen ist". Der Einband von de Bruyns Buch, auf dem hübsch kolorierte Ansichten der Allee zu sehen sind, auch der angenehm plaudernde Ton seiner Schilderungen lassen anfangs eine ähnlich nostalgische Besichtigungstour vermuten. Doch bald mischt sich diskrete Kritik ein, Skepsis, Mokanz, Abstand alles in allem gegenüber der Gegenwart, aber auch der Vergangenheit.

An der Neubebauung des Pariser Platzes beispielsweise lobt de Bruyn, daß durch Günter Behnischs künftige Akademie der Künste und die beiden Botschaften "nicht nur das große Geld hier seine Macht demonstriert". Von Berlins verschwundenem Stadtschloß, das zur Zeit in einer mehr als nostalgischen Gloriole funkelt, verzeichnet er nicht nur Hoffeste und Staatsakte, sondern auch, daß 1848 "im Schloßhof der König gezwungen wurde, den gefallenen Barrikadenkämpfern seine Ehrerbietung zu erweisen". Gelegentlich aber geht der Urteilssichere doch seiner Liebe und seiner Trauer angesichts versunkener Berliner Schönheit und Kultur auf den Leim: Das Nikolaiviertel, jene als "Traditionsinsel" in DDR-Zeiten zusammengestellte Collage aus Repliken historischer Bauten, nennt er verächtlich "Betonattrappe", um wenige Zeilen weiter zu erklären: "Nur der Wiederaufbau der Schlüterschen Schloßfassade kann die häßliche Lücke in der Mitte Berlins füllen." Doch auch diese Fassade wird einen Betonbau verhüllen.

DIETER BARTETZKO

Günter de Bruyn: "Unter den Linden". Siedler Verlag, Berlin 2002. 192 S., 90 Abb., geb., 18,- [Euro].

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"Als schriebe Fontane über Kultur und Geschichte Preußens."
(Wolf Jobst Siedler)

"Wer sich de Bruyn anvertraut und in seinem jüngsten Buch schmökert, ist wohl aufgehoben, wenn er hinter das Geheimnis von Berlins einstiger Prachtstraße kommen will."
(Haug von Kuenheim, Die Zeit)

",Unter den Linden' ist eine als historische Topographie getarnte Respektbezeugung an Berlins ersten Boulevard - und zugleich eine Liebeserklärung an die bewegte Geschichte der Straße."
(Rheinischer Merkur)