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Felix Hartlaub gehört zu jenen künstlerischen Existenzen, die sich jedem gewohnten Schema entziehen: geboren in Bremen, aufgewachsen in Mannheim (der Vater, Direktor der Mannheimer Kunsthalle, wurde 1933 entlassen), Besuch der Odenwaldschule, längere Aufenthalte in Frankreich und Italien, ab 1933 Studium in Heidelberg und dann bis zur Promotion 1939 in Berlin, freundschaftlicher Kontakt zu künstlerisch-politisch oppositionellen Kreisen (besonders intensiv zur Familie Gysi), die dann ab 1938 zunehmend Deutschland verlassen müssen. Hartlaub bleibt, notiert, beobachtet und schreibt, orientiert an…mehr

Produktbeschreibung
Felix Hartlaub gehört zu jenen künstlerischen Existenzen, die sich jedem gewohnten Schema entziehen: geboren in Bremen, aufgewachsen in Mannheim (der Vater, Direktor der Mannheimer Kunsthalle, wurde 1933 entlassen), Besuch der Odenwaldschule, längere Aufenthalte in Frankreich und Italien, ab 1933 Studium in Heidelberg und dann bis zur Promotion 1939 in Berlin, freundschaftlicher Kontakt zu künstlerisch-politisch oppositionellen Kreisen (besonders intensiv zur Familie Gysi), die dann ab 1938 zunehmend Deutschland verlassen müssen. Hartlaub bleibt, notiert, beobachtet und schreibt, orientiert an Marcel Proust, Joseph Conrad, Franz Kafka oder D. H. Lawrence. 1939 eingezogen, kommt er als einfacher Soldat durch eine Kette von Zufällen auf sehr ungewöhnliche Positionen: zuerst im besetzten Paris als Archivar des Auswärtigen Amtes, dann als Sachbearbeiter in den Abteilungen 'Kriegsgeschichte' bzw. 'Kriegstagebuch', die direkt dem Oberkommando der Wehrmacht bzw. dem 'Führerhauptquartier' zugeordnet waren, mitten im Zentrum der Macht. Während dieser Zeit schreibt Hartlaub neben seiner offiziellen Tätigkeit eigene Texte: satirische Reportagen, demaskierende, distanzierte, kühle Beobachtungen, genaue Protokolle eines Krieges, die erst lange nach Hartlaubs rätselhaften Verschwinden (Ende April 1945) und auch dann nur in Bruchstücken veröffentlicht werden, aber sogleich großes Aufsehen erregen.
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Autorenporträt
Monika Marose, 1962 in München geboren, Studium der Literaturwissenschaft in Bochum und Essen; 1989 bis 1999 wissenschaftliche Mitarbeiterin in Essen; 1993 Mitarbeit an der Ausstellung 'Felix Hartlaub - Die Zeichnungen', in der Frankfurter Schirn, 2000 Promotion über Felix Hartlaub. Sie lebt in Essen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.05.2006

Der Morgen, der nie kam
Geheime Dementis: Eine erste Biographie über Felix Hartlaub

Die Texte des 1913 geborenen Felix Hartlaub tauchten erst auf, als die "Gruppe 47" schon die Schaltstellen besetzt hatte, überzeugten aber dann mit stiller Gewalt, obwohl die eigene Familie Stolpersteine angemessener Wirkung in den Weg gelegt hatte. Über den im Untergangschaos des "Dritten Reichs" Verschollenen schrieb Durs Grünbein in dieser Zeitung (F.A.Z. vom 9. Mai 1995): "Kein anderer Schriftsteller seines Alters ist damals erzählerisch so weit vorgedrungen in die innerzivilisatorischen Wüsten der Weltkriegszeit, keiner hat Entwurzelung in solche Hellseherei getrieben." Der junge Historiker Hartlaub hatte seit April 1942 und bis in die letzten Wochen des Kriegs als Kriegstagebuchschreiber im "Sperrkreis II" des Hauptquartiers der Deutschen Wehrmacht (also des "Führerhauptquartiers") gearbeitet, zuletzt unter der Federführung des bekannten Göttinger Historikers Percy Ernst Schramm.

Der Entdeckungs- und Wirkungsgeschichte Hartlaubs spricht die Editionsgeschichte hohn. Die Schwester Geno (Genoveva) Hartlaub, selbst Autorin von Romanen, also literarisch kein Unschuldskind, verdarb in ihrer Ausgabe des "Gesamtwerks" der "Dichtungen und Tagebücher" von 1955 Textteile durch naive philologische Verschlimmbesserung und durch Auslassung vermeintlicher Peinlichkeiten. Der Vater, immerhin ein aufrechter Kunstanwalt der "Neuen Sachlichkeit", den die Nationalsozialisten 1933 aus dem Direktorenamt der Mannheimer Städtischen Kunsthalle gejagt hatten, strich in seiner Ausgabe der Briefe alles, was seinem Verständnis nach der Familienehre abträglich war. Proteste wegen der mehr als tausend Lesefehler in "Kriegsaufzeichnungen, literarische Fragmente und Briefe aus den Jahren 1939 bis 1945" (2002) haben den Suhrkamp Verlag bisher nicht zu einer Neuausgabe bewegen können. So bleibt vorerst die Biographie von Monika Marose der einzige Trost. Karl Corino hat dazu eine gedrängte, souveräne "Vorbemerkung" geschrieben.

Das Buch baut auf den Ereignissen jahrelanger Recherchen auf, zu denen mehrfache Gespräche mit wichtigen Lebenszeugen gehören. So befragte Monika Marose vor allem die engen Freunde in Berlin, Klaus Gysi, den späteren Leiter des Aufbau Verlags, Kulturminister, Botschafter und schließlich Staatssekretär für Kirchenfragen der DDR, und dessen Lebensgefährtin und spätere Frau Irene Lessing. Das Paar stand in Kontakt mit Kreisen der linken Opposition. Ihre Auskünfte brachten Licht in die Frage, wie weit Hartlaub Vermittler geheimer Informationen an innere Widerstandsgruppen sein konnte, wenngleich sie letzte konkrete Schlüsse nicht zulassen. Undenkbar aber, daß Hartlaub, der den größten Teil seiner Urlaubstage in der Villa Lessing in Berlin-Schlachtensee verbrachte, keine Andeutungen über die in der Kriegstagebuch-Abteilung einlaufenden Meldungen und die zunehmende Verdüsterung der Kriegslage gemacht haben sollte.

Verschwörerische Teilnahme am inneren Widerstand indessen ist wohl ausgeschlossen. Sonst hätte Hartlaub im April 1945 auf den Rat seiner Freunde gehört, die ihn verstecken wollten, und wäre nicht als Infanterist in den aussichtslosen Kampf um das eingeschlossene Berlin gezogen. Ein Rest von "Pflichtgefühl" oder Angst vor Entdeckung mögen den Ausschlag gegeben haben. Seine letzte Antwort an die Freunde blieb literarisch. Beim Abschied an der S-Bahn-Station Nikolassee zitierte er Jaroslav Haseks Schwejk: "Wir treffen uns gleich nach dem Krieg. Also dann, bis morgen früh um sechs im Café Kelch." Der Morgen kam nie.

Sind seine gestochen scharfen und in einer luziden dichterischen Prosa geschriebenen Wahrnehmungsprotokolle Fragmente geblieben, weil sie angesichts der großen Erwartungen zu hoch angesetzt waren? Schon im Juni 1933 schreibt der Zwanzigjährige an den Vater über seine bruchstückhaften Texte: "Ich brach die Sachen ab, weil ich mich den bevorstehenden Abschnitten nicht mehr gewachsen fühlte." Doch ist eher anzunehmen, daß er, zumal später, ein Meister der kleinen Form war, etwa der Tagebuchaufzeichnung, und daß nur die spätere schöne Idee, sie zu einem größeren Werk auszuarbeiten, sie als Fragmente erscheinen läßt. Aber Hartlaub fand keine Gelegenheit mehr, die Probe aufs Exempel zu machen. Auf jeden Fall ist die Sprache seiner literarischen Texte Gegensprache zur verlogenen Propagandarede und zum beschönigenden Stil des Kriegstagebuchs, der noch die Niederlage und den Rückzug der deutschen Truppen als Triumphe feiern mußte. Seine literarischen Texte sind geheime Dementis.

In seinen vorhergehenden Aufzeichnungen, aus seiner Zeit als historischer Sachbearbeiter im besetzten Paris (erste Jahreshälfte 1941), kommt er oft der unterkühlten Beobachterprosa Ernst Jüngers nahe. Und doch bleibt bei aller Distanz zum Objekt auch die Distanz zu Jünger: ihn erschrickt "die rasche Abkühlung der menschlichen Sensibilität" im Krieg. Sprache wird zum Korrektiv der bloßen Beobachtung: "Unter dem bißchen Bunt von Knospen, Marquisen und Halstüchern, welche unermeßlichen Tiefen von Leid und Verbrauchtheit." Solche Sensibilitäten für das Leiden scheidet sich dennoch von der Haltung des Erzählers in der Kriegs-, Heimkehrer- und Trümmerprosa von Heinrich Böll, der mit einem Teil seines Selbst in den Hauptpersonen seiner Erzählungen steckt. Und weit entfernt sich Hartlaubs Prosa vom hausbackenen Realismus eines Hans Werner Richter. Aber er versucht auch die Wahrheit der dunklen Jahre nicht mit grotesker Verfremdung herauszumeißeln wie der Autor der "Blechtrommel" und der "Hundejahre". Wäre Felix Hartlaub unter den Überlebenden geblieben, er hätte in der deutschen Nachkriegsliteratur ganz eigene Maßstäbe setzen können.

WALTER HINCK

Monika Marose: "Unter der Tarnkappe - Felix Hartlaub". Eine Biographie. Transit Buchverlag, Berlin 2005. 216 S., geb., 19,80 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Felix Hartlaub wäre wohl einer der interessantesten deutschen Schriftsteller geworden, trauert Rezensent Walter Hinck, wenn er seinen kurzen Kriegseinsatz 1945 überlebt hätte. Zuvor habe er im Führerhauptquartier am offiziellen Kriegstagebuch mitgeschrieben, aber insgeheim seine eigenen tagebuchartigen "Kriegsaufzeichnungen" niedergeschrieben. Der Rezensent sieht in ihnen "geheime Dementis" und eine "Gegensprache zur verlogenen Propagandarede". Hartlaub habe "gestochen scharfe" Protokolle seiner Wahrnehmung hinterlassen. Die Biografie Monika Maroses basiere auf jahrelangen Recherchen und ganz besonders auf den persönlichen Auskünften von Klaus Gysi und seiner Frau Irene Lessing. In ihrem Haus am Berliner Schlachtensee sei Hartlaub häufig zu Gast gewesen. Die nicht bis ins letzte zu klärende Frage, referiert der Rezensent, ob Hartlaub geheime Informationen an Widerstandsgruppen weitergeleitet habe, sei allerdings auch mit diesen Quellen nicht wirklich zu beantworten. Eine "verschwörerische Teilnahme" sei aber wohl auszuschließen. Eingeleitet wird die Biografie von einer "souveränen" Vorbemerkung Karl Corinos.

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