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In seinem neuen Erzählungsband knüpft Amos Oz an seine großen Erfolge an und kehrt zu seinen Wurzeln zurück, zu der Zeit, die ihn am meisten inspiriert hat: seine Kibbuz-Jahre. Die acht Erzählungen spielen im fiktiven Kibbuz Ikat und zeichnen prägnante und feinfühlige Porträts von Frauen und Männern, die ihren ganz eigenen Träumen und ihrem eigenen Schmerz nachhängen, immer im Schatten des großen Traums vom Kollektiv. Da ist Zvi, der pessimistische Gärtner, der alle im Kibbuz mit aktuellen Katastrophenmeldungen versorgt; David, der Lehrer, der die Frauen liebt; Nina, eine eigensinnige junge…mehr

Produktbeschreibung
In seinem neuen Erzählungsband knüpft Amos Oz an seine großen Erfolge an und kehrt zu seinen Wurzeln zurück, zu der Zeit, die ihn am meisten inspiriert hat: seine Kibbuz-Jahre. Die acht Erzählungen spielen im fiktiven Kibbuz Ikat und zeichnen prägnante und feinfühlige Porträts von Frauen und Männern, die ihren ganz eigenen Träumen und ihrem eigenen Schmerz nachhängen, immer im Schatten des großen Traums vom Kollektiv. Da ist Zvi, der pessimistische Gärtner, der alle im Kibbuz mit aktuellen Katastrophenmeldungen versorgt; David, der Lehrer, der die Frauen liebt; Nina, eine eigensinnige junge Frau, die es keine Nacht mehr mit ihrem Mann aushält; und Martin, ein Schuster, der den Holocaust überlebt hat. Oz tastet sich behutsam an seine Figuren heran, beobachtet sie, ihre Ängste, Hoffnungen und Sehnsüchte mit nüchternem Blick und mit großer Empathie. Jede dieser Geschichten ist ein literarisches Kleinod, alle zusammen ergeben sie ein Porträt einer großen Idee und einer ganz spezifischen Zeit.
Autorenporträt
Oz, Amos
Amos Oz wurde am 4. Mai 1939 in Jerusalem geboren. 1954 trat er dem Kibbuz Chulda bei und nahm den Namen Oz an, der auf Hebräisch Kraft, Stärke bedeutet. Seit dem 6-Tage Krieg ist er in der israelischen Friedensbewegung aktiv und befürwortet eine Zwei-Staaten-Bildung im israelisch-palästinensichen Konflikt. Er ist Mitbegründer und herausragender Vertreter der seit 1977 bestehenden Friedensbewegung Schalom achschaw (Peace now). Sein Werk wurde vielfach ausgezeichnet (Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 1992, Goethe-Preis der Stadt Frankfurt am Main 2005, Siegfried Lenz Preis 2014). Eine Geschichte von Liebe und Finsternis wurde in alle Weltsprachen übersetzt und 2016 als Film adaptiert.

Pressler, Mirjam
Mirjam Pressler, geboren 1940 in Darmstadt, ist eine der namhaftesten Übersetzerinnen des Hebräischen. Sie hat Werke von Aharon Appelfeld, Lizzie Doron, Batya Gur und David Grossman übersetzt. Ihre große, sprachlich wie literarisch weite Erfahrung ist von größtem Wertauch für die Erschließung der israelischen Lebenswelt, wie Amos Oz sie überliefert.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Mit viel Lob versieht Rezensentin Felicitas von Lovenberg den neuen Roman von Amos Oz. Sie liest hier acht in den fünfziger und sechziger Jahren spielende Geschichten aus dem fiktiven Kibbuz Jikhat, die immer wieder von Einsamkeit und Sehnsucht nach Nähe und Geborgenheit in dem auf Abhärtung, Disziplin und Pflichterfüllung ausgelegten Kibbuz-Kollektiv handeln. Der Kritikerin begegnet etwa der kleine Juva, der im Kinderhaus jede Nacht ins Bett macht, von seinen Altersgenossen gehänselt wird und auch von seinen Eltern keine Zuneigung erwarten kann. Berührt liest Lovenberg auch von dem Schicksal des Gärtners Zvi, der aus Menschenscheu vor seiner Liebe zu der verwitweten Lehrerin Luna flieht und sich lieber mit Katastrophenmeldungen ablenkt. Wieder einmal gelinge es Oz ebenso kunstvoll wie respekt- und liebevoll zu erzählen, schwärmt die Kritikerin, die in jedem der wunderbar "schlichten" Sätze des Autors ein wahres "Kleinod" entdeckt.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.03.2013

Liebe deinen Nächsten, wenn er dich denn lässt

Als Israel noch jung war: In acht Geschichten beschreibt Amos Oz das Leben im Kibbuz als Schule der Entbehrung, in der das Kollektiv stets mehr zählt als alle Sehnsüchte des Einzelnen.

Von Felicitas von Lovenberg

Der Klempner Boas hat seine Frau Osnat, die in der Wäscherei arbeitet, für Ariela, die Kuratorin des Kulturausschusses, verlassen. Osnat schreibt Ariela daraufhin einen Zettel, auf dem sie die von Boas einzunehmenden Medikamente auflistet, ein Akt der Fürsorge im Gewand der sachlichen Mitteilung. Doch der Welle an Zuneigung und Vertrauen, die Ariela ihr daraufhin entgegenbringt, kann Osnat nur mit Schweigen begegnen. Der Gärtner Zvi, ein Junggeselle mittleren Alters, weiß stets über Erdbeben, Flugzeugabstürze und Überschwemmungen Bescheid. Mit den Katastrophenmeldungen lenkt er ab von seiner Menschenscheu. Doch als er sich behutsam mit Luna, der verwitweten Lehrerin, anfreundet, ist Zvis Angst davor, berührt zu werden, stärker als der Wunsch nach Nähe.

All diese Menschen leben im fiktiven Kibbuz Jikhat und werden durch ihre Aufgaben im Dienst des Kollektivs definiert. Es sind die fünfziger und sechziger Jahre, Aufbruchs- und Aufbauzeit des noch jungen Staates Israel. Doch schon zeigt sich, dass die Ziele der Gemeinschaft und die individuellen Sehnsüchte oft weit auseinanderliegen. Der Junge Mosche, der als Halbwaise in die Gemeinschaft kommt, begreift durch seine einsamen Lektüren in der Bibliothek, "dass die meisten Menschen mehr Zuneigung brauchten, als zu finden war". Von diesem existentiellen Mangel und seinen Folgen erzählt Amos Oz in seinem neuen Buch.

"Unter Freunden" versammelt acht scheinbar einfache Geschichten von scheinbar einfachen Menschen in einer scheinbar schlichten Sprache. Doch da es sich um ein Werk des großen israelischen Schriftstellers handelt, verbirgt sich in jedem Kiesel ein Kleinod. Das Gewöhnliche ist immer auch das Besondere, denn es sind gerade nicht die lärmenden Dramen, sondern die stillen Gesten, denen das Augenmerk dieses Autors gilt. So schaut er zum Beispiel auf die siebzehnjährige Edna und ihren Vater, den vorsichtigen, zurückhaltenden Elektriker Nachum, der nicht weiß, wie er seiner Verstörung und Scham darüber Ausdruck geben kann, dass sein Altersgenosse David Dagan, der Lehrer und Charismatiker des Kibbuz, seine Tochter verführt hat. Solange Edna und er denken können, waren Vater und Tochter "stillschweigend übereingekommen, Gefühle nicht zu berühren und auch einander nicht zu berühren". Als Nachum endlich die Konfrontation mit David wagt und ihm dieser unter Freundschaftsbeteuerungen "die breite Hand auf die Schulter legt", ahnt man, dass der schüchterne Mann seinen Mut umsonst zusammengenommen hat.

Die Scheu vor der Berührung ist ein Leitmotiv dieses Buches. Jeder in Jikhat sehnt sich nach Nähe, doch kaum einer wagt es, sie unter den Argusaugen des Kollektivs zu suchen. Die Prinzipien des Kibbuz, Abhärtung, Disziplin und Pflichterfüllung, dulden keine Weichheit.

Für Amos Oz war der Kibbuz in vielfacher Hinsicht prägend. Als Fünfzehnjähriger verließ er seine Familie im Jerusalemer Einwandererviertel Kerem Avraham und zog in den Kibbuz Hulda. Dort tauschte er seinen Geburtsnamen Klausner gegen Oz, den hebräischen Ausdruck für Kraft und Stärke. Nach dreijährigem Wehrdienst und dem Studium in Jerusalem kehrte er 1963 nach Hulda zurück. Erst Mitte der achtziger Jahre verließ er den Kibbuz und zog mit seiner Familie nach Arad in die Negev-Wüste. In seinem großen autobiographischen Roman "Eine Geschichte von Liebe und Finsternis" hat sich Oz auch an seine Jahre als Kibbuznik erinnert. Jetzt eröffnet uns sein Lupenblick ein Panorama, in dem jedes einzelne Schicksal exemplarische Gültigkeit besitzt. Insofern bilden die lose verbundenen Kibbuz-Porträts von "Unter Freunden" ein eindrucksvolles Pendant zu den Dorfgeschichten aus dem fiktiven Tel Ilan, in denen der Schriftsteller 2009 ebenfalls scheinbar beiläufige Begebenheiten zu einem Kosmos der israelischen Gesellschaft fügte.

Ohne die Gründungsideale der Kibbuz-Bewegung zu denunzieren, macht Oz ein ums andere Mal deutlich, dass es im Kibbuz-Kollektiv keine Privatheit und darum auch keine Geborgenheit geben kann. Der Nachtwächter Joav, der einst als erstes Kind im Kibbuz Jikhat zur Welt kam, denkt auf seiner Runde darüber nach, dass es für Alleinstehende im Kibbuz sogar schwerer ist als anderswo, "weil es kein geeignetes Mittel gegen Einsamkeit gab. Schlimmer als das: Von der Grundidee her verneinte unsere Gesellschaftsform die Einsamkeit." Später kommt Oz auf die zentrale Erkenntnis des Jungen Mosche zurück: "Barfuß stand Osnat am offenen Fenster und sagte sich, dass vermutlich die meisten Menschen mehr Wärme und Zuneigung brauchten, als die anderen ihnen je geben konnten, und dass kein Kibbuz-Ausschuss je dieses Defizit zwischen Bedürfnis und Erfüllung decken konnte."

Bestürzend führt das die Geschichte "Ein kleiner Junge" vor. Der fünfjährige Juval macht jede Nacht ins Bett, weshalb er von den anderen im Kinderhaus verhöhnt und von den Erzieherinnen ständig ermahnt wird. Sein Zuhause bietet ihm keinen Trost, denn Juvals Mutter Lea verweigert "Umarmungen und Küsse und glaubte daran, dass die Kinder unserer neuen Gesellschaft stark und abgehärtet zu sein hatten". Sein Vater, der Schlosser Roni, ist ganz anders; er küsst und umarmt seinen Sohn - aber nur, wenn seine Frau, vor der er sich fürchtet, es nicht sieht. Juvals einziger Gefährte in seiner völligen Isolation mitten im lärmenden Kinderhaus ist seine Gummi-Ente. Als die anderen Kinder sie ihm eines Abends kaputt machen, flieht Juval in höchster Not aus dem Schlafsaal nach Hause. Lea ist nicht da, so dass sein Vater seiner Zärtlichkeit für sein Kind freien Lauf lässt - wie auch seiner Wut auf diejenigen, die es drangsaliert haben. Daraufhin wird Roni vom ganzen Kibbuz abgekanzelt, und Lea entzieht ihm jegliche Verantwortung für seinen Sohn, der "zu seinem eigenen Wohl" ins Kinderhaus zurückkehren muss. Später heißt es beiläufig, dass der Vorstoß mehrerer Eltern, die ihre Kinder nachts wieder zu Hause bei sich haben wollten, von der Kibbuz-Verwaltung abgeblockt wurde. Die Familie, die der Kibbuz Jikhat in der ersten Zeit nach seiner Gründung war, ist längst heillos zerstritten. "Keiner liebte mehr seinen Nächsten." Mit den Bedürfnissen erstickt das Kollektiv auch die guten Eigenschaften seiner Mitglieder.

"Unter Freunden" erzählt davon mit der Würde und Einfachheit großer Kunst. Die Literatur von Amos Oz besticht durch eine Aufmerksamkeit, mit der sich nicht nur Respekt verbindet, sondern auch Liebe und Fürsorge. Obwohl jeder der Charaktere auf seine jeweils eigene Weise untröstlich ist, bewirkt die Lektüre des Buchs das Gegenteil. Denn dadurch, dass wir Boas und Osnat und Zvi und Luna und Nachum und Juval durch die gütigen Augen von Amos Oz sehen und ihre Traurigkeit so auch ein wenig die unsere wird, erfahren wir Zuneigung. Und davon kann man bekanntlich nie genug bekommen.

Amos Oz: "Unter Freunden".

Aus dem Hebräischen von Mirjam Pressler. Suhrkamp Verlag, Berlin 2013. 216 S., geb., 17,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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" Unter Freunden ist ein großes Werk, ruhig, beharrlich, kraftvoll, anrührend, ein Buch, dem man viele Leserwünscht, die ihre Gedanken mit ihm schweifen lassen."
Meike Fessmann, Süddeutsche Zeitung 06.05.2013