Das dunkelste Kapitel der DDR-Geschichte
Dieses Buch beleuchtet ein bislang wenig bekanntes Kapitel der DDR-Geschichte: Die politischen Morde der Staatssicherheit an der eigenen Bevölkerung. Freya Klier, selbst Opfer der Stasi, lässt Betroffene und Zeitzeugen zu Wort kommen. Mit ihnen verfolgt sie eine Blutspur, die sich vom Beginn der DDR bis in unsere Tage nachvollziehen lässt.
Ein heimtückischer Mordanschlag
8. November 1987- die Stasi verfolgt uns.Ich fahre ruhig, ohne Probleme. Plötzlich blockiert die Lenkung. Schreiend und völlig gelähmt klammere ich mich am Lenkrad fest. Stephan reißt es noch nach links rüber. Das Auto schleudert, irgendwann kommt es zum Stehen...
Oktober 2019 - das Telefon klingelt. Stephan geht ans Telefon. Ein Mann meldet sich: "Ich bin Ihr Vernehmer von Hohenschönhausen". Ja, das Auto war von der Staatssicherheit manipuliert. Und dieses Attentat war kein Einzelfall in der DDR, bekannte der Mann. Dann bricht der Kontakt ab.
Politische Morde in der DDR - eine Spurensuche
Bis heute leidet Freya Klier an den Folgen dieses Anschlags auf ihr Leben und das ihres damaligen Partners Stephan Krawczyk. Sie begibt sich auf Spurensuche nach weiteren Anschlägen der Staatsführung gegen Dissidenten und Bürgerrechtlerinnen.
Was Freya Klier entdeckt, lässt ihr den Atem stocken. Giftanschläge, Verstrahlungen, Entführungen, heimtückischer Mord - die Palette der Stasi-Maßnahmen um den Widerstand in der eigenen Bevölkerung zu brechen, kennt keine Grenze. Auch nicht die Grenze zwischen Ostdeutschland und Westdeutschland, wie z. B. der Fall von Lutz Eigendorf beweist.
Und die Morde gehen weiter
Mit dem Fall der DDR und des Ostblocks enden die Mordanschläge nicht. Noch in den Nullerjahren kommt es in der Bundesrepublik zu mysteriösen Unfällen. Parallelen zum heutigen Vorgehen autokratischer Regime gegen unliebsame Bürgerinnen und Bürger drängen sich auf, wie die Fälle um Alexei Nawalny, Sergei Skripal, Jamal Khashoggi oder um die Oppositionsbewegung in Belarus zeigen.
Dieses Buch beleuchtet ein bislang wenig bekanntes Kapitel der DDR-Geschichte: Die politischen Morde der Staatssicherheit an der eigenen Bevölkerung. Freya Klier, selbst Opfer der Stasi, lässt Betroffene und Zeitzeugen zu Wort kommen. Mit ihnen verfolgt sie eine Blutspur, die sich vom Beginn der DDR bis in unsere Tage nachvollziehen lässt.
Ein heimtückischer Mordanschlag
8. November 1987- die Stasi verfolgt uns.Ich fahre ruhig, ohne Probleme. Plötzlich blockiert die Lenkung. Schreiend und völlig gelähmt klammere ich mich am Lenkrad fest. Stephan reißt es noch nach links rüber. Das Auto schleudert, irgendwann kommt es zum Stehen...
Oktober 2019 - das Telefon klingelt. Stephan geht ans Telefon. Ein Mann meldet sich: "Ich bin Ihr Vernehmer von Hohenschönhausen". Ja, das Auto war von der Staatssicherheit manipuliert. Und dieses Attentat war kein Einzelfall in der DDR, bekannte der Mann. Dann bricht der Kontakt ab.
Politische Morde in der DDR - eine Spurensuche
Bis heute leidet Freya Klier an den Folgen dieses Anschlags auf ihr Leben und das ihres damaligen Partners Stephan Krawczyk. Sie begibt sich auf Spurensuche nach weiteren Anschlägen der Staatsführung gegen Dissidenten und Bürgerrechtlerinnen.
Was Freya Klier entdeckt, lässt ihr den Atem stocken. Giftanschläge, Verstrahlungen, Entführungen, heimtückischer Mord - die Palette der Stasi-Maßnahmen um den Widerstand in der eigenen Bevölkerung zu brechen, kennt keine Grenze. Auch nicht die Grenze zwischen Ostdeutschland und Westdeutschland, wie z. B. der Fall von Lutz Eigendorf beweist.
Und die Morde gehen weiter
Mit dem Fall der DDR und des Ostblocks enden die Mordanschläge nicht. Noch in den Nullerjahren kommt es in der Bundesrepublik zu mysteriösen Unfällen. Parallelen zum heutigen Vorgehen autokratischer Regime gegen unliebsame Bürgerinnen und Bürger drängen sich auf, wie die Fälle um Alexei Nawalny, Sergei Skripal, Jamal Khashoggi oder um die Oppositionsbewegung in Belarus zeigen.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensent Hermann Wentker stellt fest, dass Freya Klier in ihrem Buch über mögliche Stasi-Morde an Oppositionellen öfters abschweift. Auch scheint ihm die Autorin mitunter übers Ziel hinauszuschießen, etwa wenn sie von einem "suizidalen Klima" in der DDR spricht. Die aufgeführten Verdachtsfälle, mysteriöse Selbstmorde in Bautzen, versuchte Giftmorde, Unfälle, darunter auch ein Autounfall, den die Autorin zusammen mit Stephan Krawczyk selbst erlebte, stimmen Wentker dennoch nachdenklich. Dass Klier bei ihren Überlegungen vorliegende Expertisen zu Vergiftungsversuchen durch die Stasi nicht berücksichtigt, findet Wentker bedauerlich.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.11.2021Sie schreckten vor nichts zurück
Aufschlussreiches über mögliche Anschläge der DDR-Staatssicherheit auf Oppositionelle
Am 8. November 1987 sind die oppositionellen Künstler Freya Klier und Stephan Krawczyk unterwegs zu einem Auftritt in der Kirche von Stendal. Plötzlich kann Klier den Wagen nicht mehr lenken und hält auf einen Brückenpfeiler zu. Nur weil Krawczyk in letzter Sekunde das Steuerrad nach links herumreißt, kommt es nicht zu einem tödlichen Unfall. 32 Jahre danach, im Oktober 2019, meldet sich ein Anrufer bei Krawczyk, gibt sich als dessen Vernehmer im Gefängnis in Hohenschönhausen zu erkennen und will sich entschuldigen. Es kommt zu mehreren Gesprächen, in denen er unter anderem zugibt, dass das Auto 1987 von der Stasi manipuliert gewesen sei.
Dieses Eingeständnis eines Mordanschlags veranlasst Freya Klier zu Recherchen nach weiteren mysteriösen Todesfällen und Unfällen, bei denen die Stasi höchstwahrscheinlich ihre Hand im Spiel hatte. Beweisen kann sie dies nicht, da die Stasi-Akten in diesen Fällen unvollständig sind - sei es, weil das MfS die Details bewusst nicht vermerkte, sei es, weil die Akten 1989/90 "gesäubert" wurden. Jedoch legt sie den Lesern bei den präsentierten Fällen nahe, "die Variante [einer absichtlichen Tötung] und deren Logik zu durchdenken".
Neben dem bereits bekannten, unstrittigen Stasi-Mord an Michael Gartenschläger, der bei seinem dritten Versuch, einen Selbstschussautomaten an der innerdeutschen Grenze abzumontieren, von einem Stasi-Kommando erschossen wurde, geht es vor allem um Unfälle, bei denen das MfS das Auto präparierte oder mit einem fremden Wagen das Opfer rammte. Aber auch hinter dem Unfall des abtrünnigen Skispringers Klaus Tuchscherer, bei dem sich während eines Sprungs die Bindung eines Skis löste und der sich beim Aufprall schwer verletzte, vermutet Klier wohl zu Recht die Stasi. Zahlreiche Autounfälle von ehemaligen DDR-Oppositionellen ereigneten sich noch in den frühen 1990er-Jahren. Auch dahinter standen Klier zufolge kleine Gruppen ehemaliger MfS-Mitarbeiter.
Morde und Mordversuche ereigneten sich nach Auffassung der Autorin auch in der Stasi-Haftanstalt Bautzen II - wie viele, könne man aufgrund der systematischen Vernichtung aller Spuren durch die Stasi nicht mehr sagen. Aber Berichte der ehemals Inhaftierten Bodo Strehlow und André Baganz legen nahe, dass das MfS versuchte, diese zu vergiften. Ein weiterer Häftling, der Doppelagent Horst Garau, beging laut dem Anstaltsleiter "Suizid durch Strangulation"; mit dieser Behauptung sollte jedoch nur eine Tötung verheimlicht werden. In der Stasi-Untersuchungshaftanstalt Gera schließlich kam der Jenaer Matthias Domaschk zu Tode. Er habe sich, so das MfS, "an einem Heizungsrohr erhängt". Ein nachträgliches Gutachten anhand der Dokumente äußerte Zweifel an dieser Version und legte nahe, dass Domaschk durch "Erdrosseln von hinten" zu Tode gekommen sei.
Zu den von der Stasi Ermordeten zählt Klier überdies ihren Bruder, der 1966 inhaftiert und zu vier Jahren Strafvollzug verurteilt wurde, weil er mit zwei Freunden auf offener Straße Musik gemacht hatte. Nach der Haft war er psychisch am Ende; er kam zeitweilig in eine Nervenheilanstalt und sah offensichtlich keinen anderen Ausweg, als sich selbst im Alter von 30 Jahren das Leben zu nehmen. Die Stasi, so das Fazit, war hier und in anderen Fällen indirekt für den Suizid Unschuldiger verantwortlich. In diesem Zusammenhang von einem systembedingten "suizidalen Klima" in der DDR zu sprechen widerspricht jedoch dem Forschungsstand, dem zufolge die hohe Suizidrate in Ostdeutschland schon seit dem 19. Jahrhundert stets überdurchschnittlich war.
Einen großen Teil des Buches nehmen versuchte und erfolgreiche Giftmorde ein. Ausgangspunkt ist hier die Beobachtung, dass auffallend viele Oppositionelle und Bürgerrechtler nach 1990 an Krebs starben, obwohl sie weit unter 70 Jahre alt waren. Ehemalige Häftlinge wiesen auch andere Krankheitssymptome auf, die Mediziner oft vor unlösbare Rätsel stellten. Für Klier ist die Sache klar: Die Stasi verabreichte diesen Menschen toxische Substanzen, die anschließend kaum mehr nachweisbar waren und zum Tode führten. Sie verweist auf die 1987 im Auftrag der MfS-Führung angefertigte "TOXDAT"-Studie, in der solche Substanzen und ihre Wirkungen aufgeführt wurden.
Die Studie ist seit 20 Jahren bekannt. Eine damalige Expertise der Forschungsabteilung der BStU, die vor allem der Frage nachging, ob Häftlinge von der Stasi gezielt verstrahlt wurden, kam zu dem Ergebnis, dass dafür konkrete Hinweise nicht vorlägen. Auch die "TOXDAT"-Studie lasse sich "nicht einfach [...] als wirksame Hilfe bzw. als Anleitung zu schwerer Körperverletzung oder gar zum Mord interpretieren". Die Expertise räumt aber ein, dass das MfS an Oppositionellen zur schnellen Wiedererkennung radioaktive Markierungen vornahm, die zu gesundheitlichen Schäden führen konnten. Leider geht Klier auf diese Forschungen nicht ein, sondern beschränkt sich auf die Schilderung der zahlreichen ihr bekannten Fälle, wie etwa den von Jürgen Fuchs.
Dieser Einwand soll nicht das Verdienst der Autorin schmälern, die Aufmerksamkeit darauf gelenkt zu haben, dass die Stasi bei der Verfolgung ihr nicht genehmer Personen letztlich vor keinem Mittel zurückschreckte. Das verweist wiederum darauf, dass die DDR bis zu ihrem Ende eine menschenverachtende Diktatur war. Aber da das Buch laut Titel "die politischen Morde der Staatssicherheit" behandelt, ist es mehr als irritierend, wenn darin Vorgänge zur Sprache kommen, die dieses Thema kaum berühren. So beginnt es mit Todesurteilen sowjetischer Militärtribunale sowie mit Verhaftungen von Oberschülern, Pazifisten und unangepassten Kommunisten in den 1950er-Jahren, von denen die allermeisten nicht zu Tode kamen. Auch die Entführung von Karl Wilhelm Fricke hatte nicht dessen Tod zum Ziel. Und die Tötung Benno Ohnesorgs durch den Polizisten und Stasi-IM Karl-Heinz Kurras war kein Auftragsmord der Stasi. Unklar bleibt auch, warum die gelungene Flucht Hans-Karl von Schnitzlers über die Ostsee erwähnt wird oder die kurzzeitige Verhaftung von Bärbel Bohley und Ulrike Poppe. Mehr Konzentration auf das eigentliche Thema hätte dem Buch gutgetan. HERMANN WENTKER
Freya Klier: Unter mysteriösen Umständen. Die politischen Morde der Staatssicherheit.
Herder Verlag, Freiburg 2021. 303 S., 26,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Aufschlussreiches über mögliche Anschläge der DDR-Staatssicherheit auf Oppositionelle
Am 8. November 1987 sind die oppositionellen Künstler Freya Klier und Stephan Krawczyk unterwegs zu einem Auftritt in der Kirche von Stendal. Plötzlich kann Klier den Wagen nicht mehr lenken und hält auf einen Brückenpfeiler zu. Nur weil Krawczyk in letzter Sekunde das Steuerrad nach links herumreißt, kommt es nicht zu einem tödlichen Unfall. 32 Jahre danach, im Oktober 2019, meldet sich ein Anrufer bei Krawczyk, gibt sich als dessen Vernehmer im Gefängnis in Hohenschönhausen zu erkennen und will sich entschuldigen. Es kommt zu mehreren Gesprächen, in denen er unter anderem zugibt, dass das Auto 1987 von der Stasi manipuliert gewesen sei.
Dieses Eingeständnis eines Mordanschlags veranlasst Freya Klier zu Recherchen nach weiteren mysteriösen Todesfällen und Unfällen, bei denen die Stasi höchstwahrscheinlich ihre Hand im Spiel hatte. Beweisen kann sie dies nicht, da die Stasi-Akten in diesen Fällen unvollständig sind - sei es, weil das MfS die Details bewusst nicht vermerkte, sei es, weil die Akten 1989/90 "gesäubert" wurden. Jedoch legt sie den Lesern bei den präsentierten Fällen nahe, "die Variante [einer absichtlichen Tötung] und deren Logik zu durchdenken".
Neben dem bereits bekannten, unstrittigen Stasi-Mord an Michael Gartenschläger, der bei seinem dritten Versuch, einen Selbstschussautomaten an der innerdeutschen Grenze abzumontieren, von einem Stasi-Kommando erschossen wurde, geht es vor allem um Unfälle, bei denen das MfS das Auto präparierte oder mit einem fremden Wagen das Opfer rammte. Aber auch hinter dem Unfall des abtrünnigen Skispringers Klaus Tuchscherer, bei dem sich während eines Sprungs die Bindung eines Skis löste und der sich beim Aufprall schwer verletzte, vermutet Klier wohl zu Recht die Stasi. Zahlreiche Autounfälle von ehemaligen DDR-Oppositionellen ereigneten sich noch in den frühen 1990er-Jahren. Auch dahinter standen Klier zufolge kleine Gruppen ehemaliger MfS-Mitarbeiter.
Morde und Mordversuche ereigneten sich nach Auffassung der Autorin auch in der Stasi-Haftanstalt Bautzen II - wie viele, könne man aufgrund der systematischen Vernichtung aller Spuren durch die Stasi nicht mehr sagen. Aber Berichte der ehemals Inhaftierten Bodo Strehlow und André Baganz legen nahe, dass das MfS versuchte, diese zu vergiften. Ein weiterer Häftling, der Doppelagent Horst Garau, beging laut dem Anstaltsleiter "Suizid durch Strangulation"; mit dieser Behauptung sollte jedoch nur eine Tötung verheimlicht werden. In der Stasi-Untersuchungshaftanstalt Gera schließlich kam der Jenaer Matthias Domaschk zu Tode. Er habe sich, so das MfS, "an einem Heizungsrohr erhängt". Ein nachträgliches Gutachten anhand der Dokumente äußerte Zweifel an dieser Version und legte nahe, dass Domaschk durch "Erdrosseln von hinten" zu Tode gekommen sei.
Zu den von der Stasi Ermordeten zählt Klier überdies ihren Bruder, der 1966 inhaftiert und zu vier Jahren Strafvollzug verurteilt wurde, weil er mit zwei Freunden auf offener Straße Musik gemacht hatte. Nach der Haft war er psychisch am Ende; er kam zeitweilig in eine Nervenheilanstalt und sah offensichtlich keinen anderen Ausweg, als sich selbst im Alter von 30 Jahren das Leben zu nehmen. Die Stasi, so das Fazit, war hier und in anderen Fällen indirekt für den Suizid Unschuldiger verantwortlich. In diesem Zusammenhang von einem systembedingten "suizidalen Klima" in der DDR zu sprechen widerspricht jedoch dem Forschungsstand, dem zufolge die hohe Suizidrate in Ostdeutschland schon seit dem 19. Jahrhundert stets überdurchschnittlich war.
Einen großen Teil des Buches nehmen versuchte und erfolgreiche Giftmorde ein. Ausgangspunkt ist hier die Beobachtung, dass auffallend viele Oppositionelle und Bürgerrechtler nach 1990 an Krebs starben, obwohl sie weit unter 70 Jahre alt waren. Ehemalige Häftlinge wiesen auch andere Krankheitssymptome auf, die Mediziner oft vor unlösbare Rätsel stellten. Für Klier ist die Sache klar: Die Stasi verabreichte diesen Menschen toxische Substanzen, die anschließend kaum mehr nachweisbar waren und zum Tode führten. Sie verweist auf die 1987 im Auftrag der MfS-Führung angefertigte "TOXDAT"-Studie, in der solche Substanzen und ihre Wirkungen aufgeführt wurden.
Die Studie ist seit 20 Jahren bekannt. Eine damalige Expertise der Forschungsabteilung der BStU, die vor allem der Frage nachging, ob Häftlinge von der Stasi gezielt verstrahlt wurden, kam zu dem Ergebnis, dass dafür konkrete Hinweise nicht vorlägen. Auch die "TOXDAT"-Studie lasse sich "nicht einfach [...] als wirksame Hilfe bzw. als Anleitung zu schwerer Körperverletzung oder gar zum Mord interpretieren". Die Expertise räumt aber ein, dass das MfS an Oppositionellen zur schnellen Wiedererkennung radioaktive Markierungen vornahm, die zu gesundheitlichen Schäden führen konnten. Leider geht Klier auf diese Forschungen nicht ein, sondern beschränkt sich auf die Schilderung der zahlreichen ihr bekannten Fälle, wie etwa den von Jürgen Fuchs.
Dieser Einwand soll nicht das Verdienst der Autorin schmälern, die Aufmerksamkeit darauf gelenkt zu haben, dass die Stasi bei der Verfolgung ihr nicht genehmer Personen letztlich vor keinem Mittel zurückschreckte. Das verweist wiederum darauf, dass die DDR bis zu ihrem Ende eine menschenverachtende Diktatur war. Aber da das Buch laut Titel "die politischen Morde der Staatssicherheit" behandelt, ist es mehr als irritierend, wenn darin Vorgänge zur Sprache kommen, die dieses Thema kaum berühren. So beginnt es mit Todesurteilen sowjetischer Militärtribunale sowie mit Verhaftungen von Oberschülern, Pazifisten und unangepassten Kommunisten in den 1950er-Jahren, von denen die allermeisten nicht zu Tode kamen. Auch die Entführung von Karl Wilhelm Fricke hatte nicht dessen Tod zum Ziel. Und die Tötung Benno Ohnesorgs durch den Polizisten und Stasi-IM Karl-Heinz Kurras war kein Auftragsmord der Stasi. Unklar bleibt auch, warum die gelungene Flucht Hans-Karl von Schnitzlers über die Ostsee erwähnt wird oder die kurzzeitige Verhaftung von Bärbel Bohley und Ulrike Poppe. Mehr Konzentration auf das eigentliche Thema hätte dem Buch gutgetan. HERMANN WENTKER
Freya Klier: Unter mysteriösen Umständen. Die politischen Morde der Staatssicherheit.
Herder Verlag, Freiburg 2021. 303 S., 26,- Euro.
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