Zwei Tage und eine Nacht im Mai in einem aufwendig renovierten Haus am Waldrand: Per und seine Freundin Rafa, erfolgreich und mittleren Alters - Per sucht allerdings gerade eine neue Stelle, und Rafa wohnt nicht bei ihm -, erwarten den Besuch von Pascal, Pers bestem Freund aus früheren Zeiten, und seiner Begleitung, der deutlich jüngeren Spanierin Inita. Es gab einmal eine Situation, in der sich Rafa zwischen Pascal und Per entscheiden mußte und Per gewählt hat. Allerdings erfuhr Per nie, was sich wirklich zwischen Rafa und Pascal abgespielt hat. Jetzt bricht alles wieder auf, treten alte Spannungen zutage und kommen neue hinzu, etwa Pascals Angebote an Rafa und Pers Lust auf die kühle, sehr anziehende Inita. Die zwei Tage dort im Haus werden alles auf den Kopf stellen, ein Junge, der sich immer in der Nähe herumtreibt, wird von sich reden machen und Inita verschwinden ...
In seinem neuen, subtil erzählten und raffiniert, auf zwei Zeitebenen arrangierten Roman schafft Thomas Lang eine Art Laborsituation, er stattet seine Figuren mit dem Sprachgebrauch des Bescheidwissens aus und überantwortet sie einer umso größeren Unwissenheit. Spannend und dicht, atmosphärisch und präzis erzählt "Unter Paaren" von Affären und Beziehungen, von der Liebe in der Jetztzeit, von der Macht der Dingwelt und der Ohnmacht fremd gewordener Gefühle. Ein anspielungsreicher Roman, der eine ganze Tradition anklingen läßt, von den "Wahlverwandtschaften" bis zu Mike Nichols' Film "Hautnah".
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
In seinem neuen, subtil erzählten und raffiniert, auf zwei Zeitebenen arrangierten Roman schafft Thomas Lang eine Art Laborsituation, er stattet seine Figuren mit dem Sprachgebrauch des Bescheidwissens aus und überantwortet sie einer umso größeren Unwissenheit. Spannend und dicht, atmosphärisch und präzis erzählt "Unter Paaren" von Affären und Beziehungen, von der Liebe in der Jetztzeit, von der Macht der Dingwelt und der Ohnmacht fremd gewordener Gefühle. Ein anspielungsreicher Roman, der eine ganze Tradition anklingen läßt, von den "Wahlverwandtschaften" bis zu Mike Nichols' Film "Hautnah".
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.01.2007Ihren Spaß hatten nur die Feuerwanzen
Lustbremse: Thomas Lang rechnet mit seiner Generation ab
Von Tilmann Lahme
Irgendwie provinziell, spießig. Das Häuschen mitten im Bergischen Land, am Rand eines Waldes, überhaupt das Leben seines alten Freundes Per kommt Pascal (reich, spontan, ruhelos) wenig erstrebenswert vor. Anders als die Frau an Pers Seite, Raffa, die sich vor Jahren zwischen den beiden Männern entscheiden musste - und Per wählte, den etwas solideren der beiden. Nun, nach fünfzehn Jahren, trifft man sich wieder, in Pers aufwendig renoviertem Landhaus. Die drei sind inzwischen Anfang vierzig. Zeit für erste Lebensbilanzen und Überlegungen, ob man Entscheidungen nicht noch korrigieren kann. Ist Solidität nicht nahe an Langeweile - und Sprunghaftigkeit als Lebendigkeit reizvoll? Pascals junge Freundin Inita (exakt in jenem Alter, in dem die drei ihre Partnerwahl damals austrugen) ist auch dabei: Ihre Anziehungskraft auf Per bringt zusätzliche Verwirrung in die spannungsgeladene Situation, auch wenn sie ansonsten in der Dreierkonstellation außen vor bleibt. Bald ist Inita weg, rätselhaft verschwunden, ohne dass dies die drei um sich selbst Kreisenden übermäßig beschäftigen würde.
Thomas Langs "Unter Paaren" ist eine Generationenerzählung. Nicht das Schicksal Einzelner, sondern das der über Vierzigjährigen wird hier verhandelt - der Autor selbst ist Jahrgang 1967. Inita, die, obwohl Spanierin, die sprachmächtigste Figur ist, schiebt ohne Mitleid die Lebensschablonen der Großstadtpflanzen, die selbst auf dem Land alle Natürlichkeit meiden (selbst Raffas Naturlocken sehen künstlich aus), schonungslos beiseite: "Spaß ist der Fetisch deiner Generation", sagt sie zu Per. "Ihr wollt für nichts Verantwortung übernehmen. Euer einziges Lebensziel ist es, eure Lust zu bedienen und Unlust zu vermeiden. Das ist nicht das Leben, das ist infantil." Doch nicht einmal diese unreife Spaßsuche funktioniert: Trotz permanenter Bestrebungen wird niemand in dieser Geschichte Sex haben - mit Ausnahme einiger Feuerwanzen.
Überhaupt die Tiere. Es wuselt in "Unter Paaren" von Insekten, Bienen, Hasen, Katzen, Hunden und Pferden, die als Elemente der Natur den Menschen gegenüberstehen, die sich dank Designersonnenbrille, von Zwei-Phasen-Cremes "balsamierten" Körpern und Angeberautos für zivilisiert halten. In den beschränkten, phrasenhaften Dialogen werden laufend Tiervergleiche angestellt ("Letztlich sind wir Tiere. Tiere mit schicken Klamotten"; Pers Frösche sind seine "seelischen Klassensprecher"). Aber eben Tiere, also natürliche Wesen, sind die drei gerade nicht, sondern stehen mit ihrer ichbesessenen Haltung des Weltunterwerfens sich selbst im Weg. Da hilft kein Tanz um Statussymbole, kein Mord der Kinderlosen an kleinen Katzen, keine unmenschliche Überheblichkeit einem geistig beschränkten Nachbarsjungen gegenüber ("Kinder wie dieses muss es heute nicht mehr geben").
Es endet mit dem größtmöglichen Unglück für alle Coolen: der Lächerlichkeit. Der selbstgewisse Pascal wird zum ziellosen, aggressiven Stotterer. Und selbst das scheinbare Happy End zwischen Per und Raffa ist nur ein oberflächliches, künstliches Glück, symbolisch gebrochen. Sinnbild ihrer scheinbar erfrischten Liebe: das bislang unrenovierte Zimmer im Landhaus, das nun weiß gestrichen wird. Aber Unschuld und Frische gewinnt man nicht zurück, wenn man dumme Phrasen drischt ("Liebe bedeutet, sich einen gemeinsamen Erfahrungshorizont zu schaffen und das als schön zu erleben"); und auch nicht, wenn man einen erigierten Penis weiß anstreicht. Eine Beziehung will auf diese Weise nur ein Einfallspinsel renovieren.
"Unter Paaren" ist kein Roman, auch wenn der Verlag ebenso hartnäckig insistiert wie bei "Am Seil", der vorherigen Erzählung des Bachmann-Preisträgers Thomas Lang. Es wäre ein belangloser Streit ums Etikett, wenn sich daran nicht ein Grundproblem des Lang'schen Erzählens spiegeln würde: Sosehr er sich in dieser zornigen Abrechnung mit der hohlen Spaßkultur seiner Generation abmüht, so wenig entsteht daraus eine Geschichte, die in irgendeiner Hinsicht eine Sogwirkung entfaltet. Thomas Mann formulierte einmal seine Zweifel daran, "ob preußische Lieutnants je so anmutigen Geistes gewesen sind" wie jene in Theodor Fontanes "Stechlin". Hier ist es umgekehrt. Man fragt sich, was uns das hohle Gequatsche eigentlich, auch literarisch, angeht.
"Alles muss raus!" Die Sonderverkaufsbotschaft steht als Motto voran. Es steht zu hoffen, dass sie für Thomas Lang selbst gilt. Dass nun aller Ballast abgeworfen ist. Vielleicht schreibt er jetzt einmal einen Roman.
- Thomas Lang: "Unter Paaren". Roman. C.H. Beck Verlag, München 2007. 200 S., geb., 17,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Lustbremse: Thomas Lang rechnet mit seiner Generation ab
Von Tilmann Lahme
Irgendwie provinziell, spießig. Das Häuschen mitten im Bergischen Land, am Rand eines Waldes, überhaupt das Leben seines alten Freundes Per kommt Pascal (reich, spontan, ruhelos) wenig erstrebenswert vor. Anders als die Frau an Pers Seite, Raffa, die sich vor Jahren zwischen den beiden Männern entscheiden musste - und Per wählte, den etwas solideren der beiden. Nun, nach fünfzehn Jahren, trifft man sich wieder, in Pers aufwendig renoviertem Landhaus. Die drei sind inzwischen Anfang vierzig. Zeit für erste Lebensbilanzen und Überlegungen, ob man Entscheidungen nicht noch korrigieren kann. Ist Solidität nicht nahe an Langeweile - und Sprunghaftigkeit als Lebendigkeit reizvoll? Pascals junge Freundin Inita (exakt in jenem Alter, in dem die drei ihre Partnerwahl damals austrugen) ist auch dabei: Ihre Anziehungskraft auf Per bringt zusätzliche Verwirrung in die spannungsgeladene Situation, auch wenn sie ansonsten in der Dreierkonstellation außen vor bleibt. Bald ist Inita weg, rätselhaft verschwunden, ohne dass dies die drei um sich selbst Kreisenden übermäßig beschäftigen würde.
Thomas Langs "Unter Paaren" ist eine Generationenerzählung. Nicht das Schicksal Einzelner, sondern das der über Vierzigjährigen wird hier verhandelt - der Autor selbst ist Jahrgang 1967. Inita, die, obwohl Spanierin, die sprachmächtigste Figur ist, schiebt ohne Mitleid die Lebensschablonen der Großstadtpflanzen, die selbst auf dem Land alle Natürlichkeit meiden (selbst Raffas Naturlocken sehen künstlich aus), schonungslos beiseite: "Spaß ist der Fetisch deiner Generation", sagt sie zu Per. "Ihr wollt für nichts Verantwortung übernehmen. Euer einziges Lebensziel ist es, eure Lust zu bedienen und Unlust zu vermeiden. Das ist nicht das Leben, das ist infantil." Doch nicht einmal diese unreife Spaßsuche funktioniert: Trotz permanenter Bestrebungen wird niemand in dieser Geschichte Sex haben - mit Ausnahme einiger Feuerwanzen.
Überhaupt die Tiere. Es wuselt in "Unter Paaren" von Insekten, Bienen, Hasen, Katzen, Hunden und Pferden, die als Elemente der Natur den Menschen gegenüberstehen, die sich dank Designersonnenbrille, von Zwei-Phasen-Cremes "balsamierten" Körpern und Angeberautos für zivilisiert halten. In den beschränkten, phrasenhaften Dialogen werden laufend Tiervergleiche angestellt ("Letztlich sind wir Tiere. Tiere mit schicken Klamotten"; Pers Frösche sind seine "seelischen Klassensprecher"). Aber eben Tiere, also natürliche Wesen, sind die drei gerade nicht, sondern stehen mit ihrer ichbesessenen Haltung des Weltunterwerfens sich selbst im Weg. Da hilft kein Tanz um Statussymbole, kein Mord der Kinderlosen an kleinen Katzen, keine unmenschliche Überheblichkeit einem geistig beschränkten Nachbarsjungen gegenüber ("Kinder wie dieses muss es heute nicht mehr geben").
Es endet mit dem größtmöglichen Unglück für alle Coolen: der Lächerlichkeit. Der selbstgewisse Pascal wird zum ziellosen, aggressiven Stotterer. Und selbst das scheinbare Happy End zwischen Per und Raffa ist nur ein oberflächliches, künstliches Glück, symbolisch gebrochen. Sinnbild ihrer scheinbar erfrischten Liebe: das bislang unrenovierte Zimmer im Landhaus, das nun weiß gestrichen wird. Aber Unschuld und Frische gewinnt man nicht zurück, wenn man dumme Phrasen drischt ("Liebe bedeutet, sich einen gemeinsamen Erfahrungshorizont zu schaffen und das als schön zu erleben"); und auch nicht, wenn man einen erigierten Penis weiß anstreicht. Eine Beziehung will auf diese Weise nur ein Einfallspinsel renovieren.
"Unter Paaren" ist kein Roman, auch wenn der Verlag ebenso hartnäckig insistiert wie bei "Am Seil", der vorherigen Erzählung des Bachmann-Preisträgers Thomas Lang. Es wäre ein belangloser Streit ums Etikett, wenn sich daran nicht ein Grundproblem des Lang'schen Erzählens spiegeln würde: Sosehr er sich in dieser zornigen Abrechnung mit der hohlen Spaßkultur seiner Generation abmüht, so wenig entsteht daraus eine Geschichte, die in irgendeiner Hinsicht eine Sogwirkung entfaltet. Thomas Mann formulierte einmal seine Zweifel daran, "ob preußische Lieutnants je so anmutigen Geistes gewesen sind" wie jene in Theodor Fontanes "Stechlin". Hier ist es umgekehrt. Man fragt sich, was uns das hohle Gequatsche eigentlich, auch literarisch, angeht.
"Alles muss raus!" Die Sonderverkaufsbotschaft steht als Motto voran. Es steht zu hoffen, dass sie für Thomas Lang selbst gilt. Dass nun aller Ballast abgeworfen ist. Vielleicht schreibt er jetzt einmal einen Roman.
- Thomas Lang: "Unter Paaren". Roman. C.H. Beck Verlag, München 2007. 200 S., geb., 17,90 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Nicht Sex, nein, das Präsens sei das Problem in diesem Roman, hat Rezensentin Meike Fessmann herausgefunden. Anders gesagt, das, was Thomas Lang in seinem "Thesenroman" vielleicht sagen möchte, könne er wegen "handwerklicher" Probleme gar nicht sagen. So das strenge Urteil der Rezensentin, die auch auf die beiden anderen Präsens-Romane des Autors verweist als einer möglichen ästhetischen Sackgasse. So könnten nur Dialoge Auskunft über die Figuren geben, in diesem Fall ein vermeintlich generationstypisches, neureiches und natürlich gelangweiltes Pärchen um die vierzig, das durch ein Treffen mit einem Freund aus alten Zeiten in seiner seelischen Tristesse gespiegelt werde. Thomas Lang, so die Rezensentin, könne rein technisch nicht anders, als Lifestyle-Bilder wie aus Werbebroschüren aneinander zu reihen, und "verstecke" sich damit letztlich hinter den Aussagen seiner Figuren. Und wenn die Rezensentin sein implizites "Verdikt" über das Pärchen samt Generation richtig erahne, dann falle auch der Roman darunter: Unentschiedenheit.
© Perlentaucher Medien GmbH
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