Marktplatzangebote
4 Angebote ab € 5,99 €
  • Gebundenes Buch

Ein Fest der Niedertracht Wer in den Niederlanden promoviert, bekommt diesen Klassiker geschenkt - als Warnung. Doch welch ein Vergnügen! Als Roef Dingelam, Professor der Chemie an einer Provinzuniversität in Hollands flachem Norden, eines Samstagmorgens ein Telegramm erhält, kann er es kaum glauben: Er, der neue Nobelpreisträger für Chemie! Es dauert nicht lange, da steht sein beschauliches Leben kopf. Als die Missgunst der engstirnigen Kollegen schließlich groteske Züge annimmt, bleibt Roef Dingelam nur ein einziger Ausweg: die Flucht. "Die niederländische Literatur ist ohne Hermans undenkbar." Cees Nooteboom…mehr

Produktbeschreibung
Ein Fest der Niedertracht
Wer in den Niederlanden promoviert, bekommt diesen Klassiker geschenkt - als Warnung. Doch welch ein Vergnügen! Als Roef Dingelam, Professor der Chemie an einer Provinzuniversität in Hollands flachem Norden, eines Samstagmorgens ein Telegramm erhält, kann er es kaum glauben: Er, der neue Nobelpreisträger für Chemie! Es dauert nicht lange, da steht sein beschauliches Leben kopf. Als die Missgunst der engstirnigen Kollegen schließlich groteske Züge annimmt, bleibt Roef Dingelam nur ein einziger Ausweg: die Flucht.
"Die niederländische Literatur ist ohne Hermans undenkbar." Cees Nooteboom
Autorenporträt
Hermans, Willem Frederik
Willem Frederik Hermans (1921-1995) studierte Physische Geographie, promovierte und lehrte bis 1973 als ordentlicher Professor an der Universität Groningen. Während des Zweiten Weltkriegs begann er zu schreiben und veröffentlichte neben mehreren Romanen Gedichte, Dramen, Erzählungen und Essays. Die zahlreichen Literaturpreise, mit denen er bedacht wurde, lehnte er zumeist ab. Im Aufbau Verlag lieferbar sind seine Romane "Nie mehr schlafen", "Die Dunkelkammer des Damokles" und "Unter Professoren".

Heller, Barbara
Barbara Heller übersetzt vor allem Sachbücher aus dem Englischen und Niederländischen.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Willem Frederik Hermans war ein Misanthrop, der die Welt für eine Hölle hielt. Aber er war auch ein begnadeter Satiriker und in diesem Roman um einen älteren Geologieprofessor, der den Nobelpreis gewinnt, zeigt sich Hermans auf dem Höhepunkt seiner Kunst, freut sich Rezensentin Kristina Maidt-Zinke. So unkorrekt wie man in den Siebzigern nur sein konnte, zielt Hermans auf das akademische Milieu jener Zeit auf, seine Spießigkeit, seine Intrigen- und Klatschsucht. Das hat gelegentlich Längen, aber alles in allem hat sich die Rezensentin prächtig amüsiert.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.03.2017

Der Fortschritt altert würdelos
Willem Frederik Hermans' Roman "Unter Professoren"

In den frühen siebziger Jahren kommt die Nachricht noch per Telegramm. Roef Dingelam, Chemiker an einer niederländischen Provinzuniversität, wird mit dem Nobelpreis ausgezeichnet für die Synthese einer Substanz, die der Menschheit vielfältigen Nutzen zu bringen verspricht: als Weißmacher in Waschmitteln, als Medikament gegen Epilepsie und als Potenzmittel. Zuerst gratuliert ein Landwirt aus der Nachbarschaft. Er schenkt dem Wissenschaftler einen prächtigen Hahn und hegt dabei durchaus Hintergedanken: Einen Teil der Nobelpreissumme hätte er gern geliehen für seinen geplanten Schweinestall. "Unter Professoren" ist ein Campusroman, der mit leicht höhnischem Unterton die Provinzialität der Niederlande zum Leitmotiv macht.

Willem Frederik Hermans (1921 bis 1995) ist ein moderner Klassiker, von dem einige Romane bereits in zuverlässigen deutschen Übersetzungen zu lesen sind, allen voran das kürzlich neu aufgelegte Meisterwerk "Die Dunkelkammer des Damokles": ein düsterer Roman über die Niederlande im Zweiten Weltkrieg, in dem Hermans mit beklemmender Intensität das "sadistische Universum" beschwört, wie seine berühmte poetologische Formel lautet. Er war zudem ein Autor, der den Wissenschaftsbetrieb kannte, denn er lehrte viele Jahre Geologie an der Universität Groningen, bevor er diese wegen "Intrigen" verließ und nach Paris ins "Exil" ging, um sich von dort in harschen Kommentaren über sein Heimatland vernehmen zu lassen.

"Unter Professoren", 1975 erschienen, ist eine Abrechnung mit den Groninger Zuständen, ein Werk mit einigen Schlüsselromanqualitäten. Der Nobelpreisträger Roef Dingelam lebt zurückgezogen auf dem Land und hegt in aller Stille den Groll auf seinen Fachbereichsleiter Tamstra, der "nie hätte Hochschullehrer werden dürfen". Noch umkämpfter als die Theorien sind an Universitäten die Dienstzimmer, und so nimmt es Dingelam dem Kollegen besonders übel, dass er ihn aus seinem schönen Raum im Laborgebäude vertrieben hat, um seinen eigenen Assistenten hineinzusetzen. Im Lauf von fünfhundert Seiten kriegen viele Professoren ihr Fett ab: Der eine hat sich in ein abseitiges Thema verbohrt, ein anderer hat sich beim Publikum angebiedert und hat verdächtigen publizistischen Erfolg; der Kuratoriumspräsident ist ein unfähiger Zahnmediziner, der immerhin Verwaltung kann. Wie überhaupt die meisten Professoren die wuchernde Universitätsbürokratie klammheimlich begrüßen: lieber "öde" Sitzungen als die Mühen von Forschung und Lehre.

Letztere lohnt sich auch kaum angesichts einer Studentenschaft, die von Hermans noch weniger schmeichelhaft dargestellt wird als der Lehrkörper. Mögen es im Einzelfall liebenswürdige junge Leute sein, im protestierenden Kollektiv erweisen sie sich als komplett zeitgeistverdummt. "Unter Professoren" ist eine Satire auf den politisierten Universitätsbetrieb nach 1968. Das Institut des Nobelpreisträgers wird unter der Parole "Mein Reagenzglas gehört mir" von Studenten besetzt. Die Feier zu Dingelams Ehren muss wegen einer Rauchbombe in der Aula abgebrochen werden. Marx, Mao, Marcuse sind die neuen Heiligen; allerorten wird "repressive Toleranz" gewittert.

Hermans war ein Polemiker, der Skandale genoss. Wegen Beleidigung der holländischen Katholiken hatte er sich in einem Prozess zu verantworten; er lehnte die meisten Literaturpreise ab und wurde von manchen als "paranoider Querulant" bezeichnet. Umso enttäuschender, dass der Biss in "Unter Professoren" auf Dauer doch ziemlich zahnlos wirkt. Oder ist die Kritik am Universitätsbetrieb - intellektuelle Mediokrität, intrigantes Pöstchengerangel, beflissene Anpassung an herrschende Diskurse - inzwischen so selbstverständlich geworden, dass einem die Satire hier bereits klischeehaft vorkommt?

Hermans plädierte für einen Roman, "in dem kein Spatz vom Dach fällt, ohne dass es Folgen hat", an einer Romanfigur dürfe nur das zählen, was für die Handlung entscheidend sei. Psychologische Komplexität interessierte ihn nicht - deshalb vertragen seine Werke aber auch keine Weitschweifigkeit. "Unter Professoren" leidet genau daran: an den allzu weitschweifigen Plaudereien und missgünstigen Sticheleien der Gelehrten, die irgendwann gar in einen Sex-Club wechseln, weil andernorts zu später Stunde keine Getränke mehr zu bekommen sind. In solchen Szenen vergegenwärtigt der Roman die endlich auch das platte Land erreichende Sexwelle der Siebziger.

Allerdings wird der Muff des Jahrzehnts nicht nur thematisiert, er hängt auch selbst über dieser in die Breite gegangenen Romankomödie, die trotz gelungener und witziger Passagen nicht zu Hermans' besten Werken zählt. Das Ende ist erstaunlich freundlich. Nur für den Hahn, der unterdessen zum liebgewordenen Mitbewohner geworden ist, geht es übel aus.

WOLFGANG SCHNEIDER

Willem Frederik Hermans: "Unter Professoren". Roman.

Aus dem Niederländischen von Helga van Beuningen und Barbara Heller. Aufbau Verlag, Berlin 2016. 512 S., geb., 22,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr