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"Bundespräsident Dr. Heuss hatte eine engere Aussprache mit Bundeskanzler Dr. Adenauer über aktuelle innen- und außenpolitische Fragen." Diese kleine Notiz fand der aufmerksame Zeitungsleser im Gründungsjahrzehnt der Bundesrepublik Deutschland häufig unter den Meldungen über das politische Geschehen in Bonn - Einzelheiten aber brachten selbst Kenner der Hauptstadt-Szenerie nicht heraus. Was in den fünfziger Jahren in den Zeitungen stand, ist inzwischen Geschichte - findet aber immer wieder das Interesse an den Persönlichkeiten und der Politik der Gründungsväter. Die neue Adenauer-Heuss-Edition…mehr

Produktbeschreibung
"Bundespräsident Dr. Heuss hatte eine engere Aussprache mit Bundeskanzler Dr. Adenauer über aktuelle innen- und außenpolitische Fragen." Diese kleine Notiz fand der aufmerksame Zeitungsleser im Gründungsjahrzehnt der Bundesrepublik Deutschland häufig unter den Meldungen über das politische Geschehen in Bonn - Einzelheiten aber brachten selbst Kenner der Hauptstadt-Szenerie nicht heraus. Was in den fünfziger Jahren in den Zeitungen stand, ist inzwischen Geschichte - findet aber immer wieder das Interesse an den Persönlichkeiten und der Politik der Gründungsväter. Die neue Adenauer-Heuss-Edition lüftet das langgehütete Geheimnis jener legendären Unterredungen zwischen dem ersten Bundespräsidenten und dem ersten Bundeskanzler. Was sie sich unter vier Augen sagten, wird mit den damals im Präsidialamt angefertigten Originalaufzeichnungen erstmals veröffentlicht. Die Protokolle vom 28. November 1949 bis zum 7. August 1959 ermöglichen eine neue und differenzierte Sicht der "Adenauerzeit".
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.10.1997

Verstand im Kasten
Adenauer und Heuss in ihren Gesprächen

Konrad Adenauer/Theodor Heuss: Unter vier Augen - Gespräche aus den Gründerjahren 1949-1959. Bearbeitet von Hans Peter Mensing. Herausgegeben von Rudolf Morsey und Hans-Peter Schwarz im Auftrag der Stiftung Bundeskanzler-Adenauer-Haus. Siedler Verlag, Berlin 1997. 568 Seiten, 87 Abbildungen, Leinen, 78,- Mark.

Es waren die Jahre des Aufbaus, der schrittweisen Erlangung einer limitierten staatlichen Souveränität und der West-Integration (genaugenommen nicht die "Gründerjahre") der Bundesrepublik Deutschland, welche mit den beiden Amtsperioden des ersten Bundespräsidenten Theodor Heuss - in der Zeit von 1949 bis 1959 - zusammenfielen. Die vorliegenden, aus den Akten des Bundespräsidialamtes veröffentlichten Aufzeichnungen der Gespräche mit dem ersten Bundeskanzler Konrad Adenauer - notiert von den engen Heuss-Mitarbeitern Manfred Klaiber, Karl Theodor Bleek, Hans Bott oder von Heuss höchstpersönlich - können ganz gewiß zu Korrekturen am Bild der beiden Persönlichkeiten beitragen.

So waren die Beziehungen des rheinischen Christdemokraten zu dem württembergischen Liberalen weitaus konfliktreicher, als es auch das von Hans Peter Mensing verfaßte Vorwort der Edition glauben machen will. Schon bei der zweiten Unterredung am 8. Mai 1950 kam es zum großen Dissens, weil Adenauer nach seiner Rede im Berliner Titania-Palast die dritte Strophe des Deutschlandliedes angestimmt hatte. Heuss - auf dessen Anregung die Hymne "An Deutschland" von Rudolf Alexander Schröder geschrieben und von Herrmann Reutter vertont wurde - wollte sich keineswegs "in der Frage der Nationalhymne überfahren" lassen, und er warnte wiederholt - schließlich vergeblich - vor einer Renaissance des Deutschlandliedes.

Bundespräsident mit Oberbefehl

Er scheiterte auch mit seinem Vorschlag, im Grundgesetz den Bundespräsidenten als nationalen Oberbefehlshaber der Bundeswehr zu verankern. Dagegen setzte sich Heuss mit seinem Wunsch durch, daß der erste Nachkriegs-Botschafter beim Vatikan ein Diplomat evangelischer Konfession sein sollte. Gegenüber Adenauer - der seit 1951 auch Außenminister war - rügte Heuss wiederholt Verzögerungen im Auswärtigen Dienst: "Die Einrichtung weiterer deutscher Konsulate im Ausland zögere sich ungebührlich hinaus. Ausländische Diplomaten hätten dem Bundespräsidenten schon verschiedentlich ihr Erstaunen über die mangelnde deutsche Initiative ausgesprochen." (Notiz vom 2. Februar 1951). "Bundespräsident bittet Bundeskanzler erneut, sich bald persönlich damit zu beschäftigen, das Auswärtige Amt zu einer wirklich funktionierenden Behörde zu machen. Wichtige Spitzenstellen wie Generalsekretär, Personalchef, Leiter der Kultur- und Wirtschaftsabeilung seien unbesetzt" (23. Juni 1952).

"Poltrige Art, Taktlosigkeiten"

Unübersehbare Differenzen gab es insbesondere im Sommer 1959 - gegen Ende der Amtszeit von Theodor Heuss -, als dieser erst aus dem Rundfunk von Adenauers Verzicht auf die Präsidentschafts-Kandidatur erfuhr und sich strikt weigerte, auf Adenauers Vorschlag einer Grundgesetzänderung mit dem Ziel einer dritten Amtsperiode einzugehen - einer "Lex Heuss". Doch im ganzen überwog Übereinstimmung. Der CDU-Bundesvorsitzende Adenauer wie der ehemalige FDP-Bundesvorsitzende Heuss beanstandeten den Kurs der Freien Demokraten unter Thomas Dehler. Heuss sympathisierte offensichtlich mit den FDP-Sezessionisten, welche die regierungsfreundliche "Freie Volkspartei" gründeten. Adenauer äußerte sich immer wieder sehr kritisch über seine Minister. Am schlechtesten schneidet wohl der CSU-Politiker Franz Josef Strauß ab. Bei dessen Berufung zum Verteidigungsminister im Oktober 1956 rühmte Adenauer zwar noch "die nötige Rücksichtslosigkeit und Vitalität, sich nach allen Seiten hin durchzusetzen . . ." Doch im Juli 1957 artikulierte der Kanzler bereits seine "große Sorge um Bundesverteidigungsminister Strauß". Im ähnlichen Sinne heißt es am 1. Oktober 1957: "Das Auftreten des Verteidigungsministers (poltrige Art, Taktlosigkeiten, insbesondere nach Alkoholgenuß) bereitet ihm überhaupt große Sorge." Im Dezember darauf zeigte sich der Bundeskanzler "bestürzt darüber, daß das Verteidigungsministerium über den aktuellen Stand der nuklearen und Raketen-Bewaffnung in der Sowjetunion völlig uninformiert" sei. Im Juli 1958 erhielt Strauß erstmals einen Kanzler-Brief mit der Androhung der Entlassung. Im Oktober 1958 entrüstete sich Adenauer über das "unbeherrschte und unnötig grobe Wesen des Ministers", worunter "namentlich die hochqualifizierten Mitarbeiter" litten. Auch die Arbeit von anderen prominenten Mitgliedern der Bundesregierung - wie Außenminister Heinrich von Brentano oder Finanzminister Fritz Schäffer - wird überwiegend negativ kommentiert. Ludwig Erhard - Wirtschaftsminister, Vizekanzler und später selbst Bundeskanzler - hatte gemäß Adenauer einen Verstand für politische Fragen "wie dieser Zigarrenkasten hier".

Der Kanzler sparte auch nicht mit skeptischen Äußerungen über ausländische Politiker. Dem französischen Christdemokraten und Außenminister Georges Bidault "könne er nach seinen bisherigen Erfahrungen nur mißtrauen". Wiederholt beklagte Adenauer die "Inaktivität des US-Präsidenten Dwight D. Eisenhower". Besonders argwöhnisch betrachtete er die britische Politik nach dem Ausscheiden von Winston Churchill, und er bezweifelte, ob Premierminister Anthony Eden "wirklich ein Interesse an der Wiedervereinigung Deutschlands" habe.

Kein Erzfeind linker Demokraten

Der heutzutage noch gelegentlich geäußerte Verdacht, Adenauer selbst sei an der Wiedervereinigung desinteressiert gewesen, wird durch mehrere Notizen entkräftet. Ebenso werden diejenigen widerlegt, die Adenauer starke klerikale Neigungen attestieren. Gegenüber Heuss beteuert er, daß er "den übersteigerten Klerikalismus nicht ausstehen" könne und "für einen großen Fehler" halte. Die allzu militanten und klerusfreundlichen Sonntagsreden von Familienminister Franz-Josef Wuermeling sind ihm ein ständiges Ärgernis. Selbst vor einem aus der katholischen Kirche ausgetretenen ehemaligen Priester vermag der Katholik Adenauer Respekt zu bekunden. Auch die Vorstellung, Adenauer sei sozusagen ein Erzfeind der demokratischen Linken gewesen, ist korrekturbedürftig. Der seinerzeitige DGB-Chef Walter Freitag - selbstverständlich ein alter Sozialdemokrat - zählt zu den ganz wenigen Persönlichkeiten, die von Adenauer ausschließlich positiv gewürdigt werden. Dem SPD-Vorsitzenden Erich Ollenhauer wird bescheinigt, er habe sich "bei der Besprechung mit den Fraktionsvorsitzenden" - im September 1955, vor Adenauers Moskau-Reise - "recht vernünftig gezeigt". Schon im Dezember 1954 befürwortet Adenauer die Auszeichnung Ollenhauers mit dem Verdienstorden der Bundesrepublik. So bildet der vorliegende Band eine Fundgrube der Zeitgeschichte - und überdies eine anregende Lektüre. GISELHER SCHMIDT

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