Interview mit Alex Beer zum „Unter Wölfen: Der verborgene Feind“
„Unter Wölfen“ erzählt mit den Mitteln des Kriminalromans vom dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte. Wie kamen Sie auf diese Idee? Es heißt, je schlimmer der Widersacher, desto größer die Spannung. Eines schönen Abends habe ich also versucht, mir den bösartigsten und skrupellosesten Antagonisten auszudenken, den es je gab, habe es aber nicht geschafft, Charaktere wie z. B. Hannibal Lecter oder Professor Moriarty zu toppen. Dann kam mir die Idee, meinem Helden nicht eine einzelne Person gegenüberzustellen, sondern ein ganzes System – und so bin ich schließlich beim Dritten Reich gelandet. Und wer eignet sich besser, sich diesem System in den Weg zu stellen, als ein Jude?
Was reizt Sie besonders an der Figur des Isaak Rubinstein? Isaak ist ein Held wider Willen, ein einfacher Antiquar, der durch äußere Umstände dazu gezwungen wird, über sich selbst hinauszuwachsen. Durch
Intelligenz und die Kenntnis der Kriminalromane von Sir Arthur Conan Doyle und Edgar Allan Poe versucht er, seine Tarnung als Sonderermittler Adolf Weissmann aufrechtzuerhalten. Mich reizt die Tatsache,…mehr Interview mit Alex Beer zum „Unter Wölfen: Der verborgene Feind“
„Unter Wölfen“ erzählt mit den Mitteln des Kriminalromans vom dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte. Wie kamen Sie auf diese Idee?
Es heißt, je schlimmer der Widersacher, desto größer die Spannung. Eines schönen Abends habe ich also versucht, mir den bösartigsten und skrupellosesten Antagonisten auszudenken, den es je gab, habe es aber nicht geschafft, Charaktere wie z. B. Hannibal Lecter oder Professor Moriarty zu toppen. Dann kam mir die Idee, meinem Helden nicht eine einzelne Person gegenüberzustellen, sondern ein ganzes System – und so bin ich schließlich beim Dritten Reich gelandet. Und wer eignet sich besser, sich diesem System in den Weg zu stellen, als ein Jude?
Was reizt Sie besonders an der Figur des Isaak Rubinstein?
Isaak ist ein Held wider Willen, ein einfacher Antiquar, der durch äußere Umstände dazu gezwungen wird, über sich selbst hinauszuwachsen. Durch Intelligenz und die Kenntnis der Kriminalromane von Sir Arthur Conan Doyle und Edgar Allan Poe versucht er, seine Tarnung als Sonderermittler Adolf Weissmann aufrechtzuerhalten. Mich reizt die Tatsache, dass er ein ganz normaler Mensch ist, kein routinierter Polizist, kein gut ausgebildeter Geheimagent und auch kein abgebrühter Detektiv.
Warum haben Sie Nürnberg als Schauplatz gewählt?
Dass die zerbombte Altstadt wieder rekonstruiert wurde, machte natürlich vieles einfacher, allem voran wollte ich aber nicht schon wieder Wien als Schauplatz bedienen. Nürnberg fand ich eine gute Wahl, da die Stadt, was Themen wie das Dritte Reich und die Judenverfolgung anbelangt, sehr symbolträchtig ist. Es ist die Stadt der Reichsparteitage, eine Lieblingsstadt Hitlers. Vieles begann mit den Nürnberger Rassengesetzen und fand einen Abschluss in den Nürnberger Prozessen. Außerdem habe ich durch meine Großmutter Wurzeln in der Region.
Hat sich der gegenwärtig wieder verstärkt zeigende Antisemitismus, z. B. der Anschlag in Halle, auf Ihr Schreiben ausgewirkt?
Ich finde es schockierend und beschämend, dass der Antisemitismus wieder auf dem Vormarsch ist, weshalb ich es für eine gute Idee hielt, in einem Unterhaltungsroman einmal einen jüdischen Helden zu etablieren. Isaak ist ein ganz normaler Mensch, der dieselben Sorgen und Ängste, dieselben Träume und Wünsche hat, wie alle anderen auch. Was sein Denken und Fühlen anbelangt, unterscheidet ihn rein gar nichts von den „Ariern“ – trotzdem wird er verfolgt und mit dem Tod bedroht. Mir war es wichtig, das aufzuzeigen.
Sie haben in der Werbebranche gearbeitet und Archäologie studiert. Haben Ihre früheren Berufe Sie zum Schreiben angeregt bzw. profitieren Sie von diesen anderen beruflichen Erfahrungen?
Ich denke, dass jegliche Erfahrung – sei sie beruflicher oder privater Natur – beim Schreiben hilft, so auch meine früheren Jobs. Sowohl die Werbebranche als auch die Archäologie setzen sich z. B. intensiv mit der menschlichen Natur auseinander. Beide Disziplinen versuchen Motivationen und alltägliche Abläufe zu rekonstruieren und zu verstehen.
Unter Ihrem bürgerlichen Namen Daniela Larcher haben Sie ab 2008 zunächst Krimis um den berufsmüden Wiener Chefinspektor Otto Morell veröffentlicht. Warum führten Sie dann für Ihre August-Emmerich-Reihe das Pseudonym Alex Beer ein?
Morell ist ein freundlicher Kerl, der kein Blut sehen kann, die Welt, in der er lebt, ist betulich, und die Geschichten sind gewürzt mit einer Prise Humor. Die Fälle von August Emmerich und Isaak Rubinstein sind ganz anders geartet, viel düsterer und härter. Um die Reihen klar voneinander abzugrenzen, habe ich mich für ein Pseudonym entschieden. Bei der Auswahl ging es mir in erster Linie darum, einen Namen zu finden, der kurz und knackig ist, der einen guten Klang hat und den man sich gut merken kann. Außerdem wollte ich gern eine „weiße Leinwand“, einen Namen, der alles sein kann: männlich, weiblich; alt, jung; deutschsprachig, international … Ich wollte, dass die Geschichten überzeugen, nicht irgendein Name.
Eine Rahmenhandlung spielt im Jahr 1939 und variiert das Scheherazade-Motiv aus „1001 Nacht“: Isaak Rubinstein versucht, dem sicheren Tod mit einer Erzählung zu entgehen. Glauben Sie, dass Geschichten Leben retten können? Was bedeutet Ihnen Literatur?
Ich bin fest davon überzeugt, dass Bücher und Geschichten Leben retten können – vielleicht nicht immer wortwörtlich, aber im übertragenen Sinn auf jeden Fall. Geschichten spenden Trost, sie eröffnen neue Perspektiven, entführen in unbekannte Welten, schaffen Verständnis und lehren die eine oder andere Lektion. Literatur bedeutet mir alles. Sie ist mein Beruf, mein liebstes Hobby und meine größte Leidenschaft.
Interview: Literaturtest, 2020