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Romina Nikolic erzählt in so weitschwingenden wie fein ziselierten Versen von Verwurzelung der Menschen mit einer Landschaft, vom sprichwörtlichen "Unterholz" ihrer Herkunft aus dem südlichsten Zipfel Thüringens. Die Autorin, die heute in Jena lebt und u. a. eine Reihe Projekte auf der Literaturburg Ranis koordiniert, fügt dabei scheinbar schwer Vereinbares wie den urigen Sound des Thüringer Walds mit dem von Popsongs, das Märchenhafte wie auch Entwaffnende im Blick auf den Ursprung mit der Ästhetik von Videoclips in eins. Einfühlung und Aufbegehren finden sich in dieser Kunst, gepaart mit Witz und Abgründigkeit.…mehr

Produktbeschreibung
Romina Nikolic erzählt in so weitschwingenden wie fein ziselierten Versen von Verwurzelung der Menschen mit einer Landschaft, vom sprichwörtlichen "Unterholz" ihrer Herkunft aus dem südlichsten Zipfel Thüringens. Die Autorin, die heute in Jena lebt und u. a. eine Reihe Projekte auf der Literaturburg Ranis koordiniert, fügt dabei scheinbar schwer Vereinbares wie den urigen Sound des Thüringer Walds mit dem von Popsongs, das Märchenhafte wie auch Entwaffnende im Blick auf den Ursprung mit der Ästhetik von Videoclips in eins. Einfühlung und Aufbegehren finden sich in dieser Kunst, gepaart mit Witz und Abgründigkeit.
Autorenporträt
Romina Nikoli¿, geb. 1985 in Suhl, wuchs in Schönbrunn/Thür. auf. Studierte Literaturwissenschaft und Philosophie. Seit 2009 neben der eigenen schriftstellerischen Tätigkeit Organisatorin von Lesereihen und diversen literarischen Projekten, u. a. als freie Mitarbeiterin bei der Literarischen Gesellschaft Thüringen oder Mitbegründerin von Love Crime Books, einem Independent-Label für Fanfiction-Anthologien. Zweifache Preisträgerin beim Jungen Literaturforum Hessen-Thüringen, Walter-Dexel-Stipendiatin der Stadt Jena. Lebt als Projektmanagerin, Lyrikerin und Herausgeberin in Jena.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensentin Marica Bodrozic empfindet "poetisches Glück" beim Lesen von Romina Nikolićs Gedicht, das nun unter dem Titel "Unterholz" erschienen sind. Mit dieser Lyrik blickt sie in die Kindheit der Autorin zurück und reist so an einen Erinnerungsort von "funkelnder Kraft". Nicolićs Sprache erzeuge eine nahezu meditative Atmosphäre: Die allerkleinsten Wesen der Fauna sind hier präsent, so die Rezensentin, Käfer und Insekten tummeln sich, die Natur erscheint in von Stille geprägten Bildern als Gegensatz zur Menschenwelt: "Die schattigen Senken, tief im Wald/wo die Schreie schnell verhallen". Ihre Sprache ist dabei von "eigensinniger Schönheit", schwärmt die Kritikerin, fast kann sie das Moos des Waldes riechen. Hinter all dem erschafft die Autorin ein göttliches Wesen als alles durchdringendes Bewusstsein, so die hingerissene Kritikerin.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.11.2023

Auch die Tiere reden mit
Romina Nikolic publiziert mit "Unterholz" Auszüge aus einem Langgedicht und schenkt poetisches Glück

Im wechselnden Licht ihrer Kindheit in Thüringen erschafft Romina Nikolic einen Gedächtnisort von funkelnder Kraft. Doch die Kindheit ist recht besehen gleichzeitig ein Landstrich der inneren Uhren, der ihr im Langgedicht "Unterholz" bei den Anrufungen des Zeitlosen hilft, ganz dem eigenen Blick zu vertrauen und aus der Stille, die allem Erinnern zugrunde liegt, zu schöpfen. Selbst in ihren Kommata, die nicht bloß Setzungen, sondern metaphysische Ankerplätze sind, leuchtet ein schöner Eigensinn, und auch die Ruhe, mit der Nikolic die Lesenden in Erinnerungsräume lotst, hat eine große Kraft. Das muss auch so sein, denn das Wagnis Langgedicht, das die 1985 in Thüringen geborene Lyrikerin auf sich nimmt, braucht einen langen Atem, in dem Chronos und Kairos sich tänzerisch miteinander austauschen.

In den Lücken zwischen Zeit und Zeitlosigkeit entstehen eindrückliche Kippfiguren der Wahrnehmung, die in ihrem Wagemut an die Gedichte von Paulus Böhmer erinnern. Gebären und Sterben, Leben und Ableben, davon hat diese Lyrikerin Kenntnis, doch stellt sie kein Wissen aus. Vielmehr gibt sie sogar den Hinweis, es handele sich bei dem lyrisch Umkreisten um "Auszüge". Nie die ganze Wirklichkeit treffen zu können, sondern Teile von ihr zu verlebendigen, das ist seit jeher die Aufgabe der Poesie. Darin unterscheidet sich die Arbeit der Dichterin von einer, die im Außen für sich Totalität von Zeit und Welt beansprucht.

Überhaupt wird in diesen Streifzügen durch Leben und Landschaft deutlich, wie wenig es Romina Nikolic um Besitzen und Verteidigen geht. Vielmehr ist hier eine Freude des Teilens am Werk, ein Sprechen in großer Klarheit. Es ist bemerkenswert, in einem heutigen Gedichtband einen immer wieder eingestreuten und in eigenen Miniaturen mitgrüßenden Dialekt jenseits von Kitsch zu erleben - das "Itzgründische", wie aus dem schönen Nachwort von André Schinkel zu lernen ist. Die dialektalen Einbringungen erscheinen hier optisch als kleine Gemälde, die das Unterholz der Erinnerung plötzlich ganz anders stützen und den Eindruck übermitteln, dass es immer Leerstellen des Verstehens geben wird, dass wir niemals das Gedächtnis im Sinne einer chronologischen Wahrheit betreten können.

Doch einen musikalischen Augenblick lang gibt es das Schweben des Erinnerungstanzes, die Anrufung einzelner Sekunden, in denen alles mündet, was Welt sein kann. Dieser Urzustand des poetischen Sprechens ist nie seiner gewiss, wird immer wieder neu erschaffen. In diesem Langgedicht erscheint das Kleine, fast Nebensächliche als Einladung, den Trugbildern des scheinbar Großen nicht zu verfallen, sondern sich mit dem Winzigschönen zufriedenzugeben, es so zu sehen, wie es in seinem Anfang gemeint ist. Ein Käfer etwa ist dabei ein Zuarbeiter der anderen Iris, und überhaupt sind Insekten und zahllose Tiere omnipräsent. So fliegt und redet die Fauna mit, wird begleitet in einer geduldigen Präsenz, während die Trauer und die Wut der Menschen sichtbar wird, "die schattigen Senken, tief im Wald, / wo die Schreie schnell verhallen" und die "Flussufer, wenn Flößer außer Sicht", in aller Stille ins Bild treten. Gott besitzt dann offenbar eine Schere wie die Nornen in der nordischen Mythologie, die damit befasst sind, das Leben der Menschen nach einem bestimmten Muster zu gestalten. Die erste Norne spinnt den Lebensfaden, die zweite verknüpft ihn mit dem Lebensfaden anderer Menschen, und die dritte schneidet ihn irgendwann entzwei.

Der Schnitt ist der Augenblick, in dem für Romina Nikolic der Beginn einer möglichen Erzählung einsetzt - wie fragmentarisch auch immer diese ist. Mit großer Verve wird das als sicher Angesehene durchtrennt. Während das eine geboren wird, stirbt das andere, und im Gleichklang von beidem entstehen Bilder von eigensinniger Schönheit. "Erinnere ich mich wirklich?", heißt es einmal, und die Wildnis, die keine Antwort gibt, aber das Gehen wagt, bringt Kälber und Katzen, einen "sanft grollenden Unmut / hinter Spitzenvorhängen" hervor, und sogleich sieht man ein Dorf, sieht man echtes Leben, echte Menschen vor sich, die Körper werden, weil das lyrische Ich gelernt hat, "still zu stehen".

Ähnlich wie bei der italienischen Schriftstellerin Marisa Madieri, die wie Romina Nikolic ihr Sehen in einer Grenzregion geübt hat, erscheint in dieser Erinnerungsarbeit "Gott" als "das große Gedächtnis", ein allumfassend sehendes Bewusstsein, dem Geheimnisse, Ungewissheiten und ein leises Klagen der Sterbenden innewohnt. Morsch und mulchig ist die Wildnis, die hier beschrieben wird, fast moosig im Geruch das geheimnisvolle "Unterholz" der Erinnerung, die diese Worte transportieren. Und uns Lesenden das einfache, aber alles verändernde Wissen schenken, dass man als Mensch nur im Gesang fündig werden kann und erst dann behalten darf, was nicht festzuhalten ist. MARICA BODROZIC

Romina Nikolic: "Unterholz". Auszüge aus einem Langgedicht.

Edition Muschelkalk / Wartburg Verlag, Weimar 2023. 72 S., br., 14,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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