1867 rüstete Großbritannien eine gewaltige Strafexpedition aus. Mit 60 000 Mann und 30 000 Lasttieren landete eine britisch-indische Armee in Äthiopien, um gegen die Bergfestung Magdala vorzurücken. Dort hielt der äthiopische Kaiser Theodor II. einige britische Diplomaten und europäische Geiseln, darunter Deutsche und Schweizer, fest. Die Militäraktion sollte die Gefangenen befreien und das beschädigte Prestige Englands als führender Weltmacht wiederherstellen. Dieses in Deutschland kaum bekannte "Unternehmen Magdala" mit seinem immensen logistischen Aufwand ist ein frühes Beispiel für die Industrialisierung des Krieges, die "Einbettung" von Journalisten und die Rechtfertigung militärischen Eingreifens als "humanitäre Intervention". Volker Matthies behandelt die Vorgeschichte der Militärexpedition, schildert ihren dramatischen Verlauf und zieht eine kritische Bilanz der politischen und kulturellen Folgen des kolonialen Unternehmens. Der Band enthält zahlreiche zeitgenössische Illustrationen und seltene Fotos, die diese europäische Macht demonstration in Afrika veranschaulichen.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.04.2010Frühe Einbettung
In den letzten Monaten des Jahres 1867 zog eine schwerbewaffnete Expedition der britisch-indischen Armee von der Küstenebene des Roten Meeres in das äthiopische Hochland. Ziel dieses Marsches war die Bergfestung Magdala. Dort hielt der äthiopische Kaiser Theodor II. einige britische Diplomaten und andere europäische Geiseln, unter anderem aus Deutschland und der Schweiz, fest. Theodor hatte die Europäer festsetzen lassen, weil er über die Nichtbeantwortung seines Briefes an Queen Victoria höchst verärgert war. Die Militäraktion sollte die Gefangenen befreien, vor allem aber das beschädigte Image Großbritanniens als führender Weltmacht wiederherstellen und ein Exempel statuieren. Mit Erfolg: Die Armee des Kaisers wurde vernichtend geschlagen, Magdala ohne nennenswerte eigene Verluste gestürmt. Theodor beging Selbstmord, die Geiseln kamen frei. Dieses in Deutschland bislang relativ unbekannte Kapitel schildert Volker Matthies in seiner detailreichen, chronologisch angelegten Studie. Er beschreibt das mit immensem logistischen Aufwand betriebene "Unternehmen Magdala" als frühes Beispiel für die Industrialisierung des Krieges, die "Einbettung" von Journalisten und die Rechtfertigung militärischer Aktionen in einem fremden Land als "humanitäre Intervention". Ein "Nebeneffekt" der Expedition bestand im Raub zahlreicher äthiopischer Kulturgüter, von denen viele den Weg in öffentliche britische Museen und Bibliotheken fanden. Der äthiopische Kaiser, zum Zeitpunkt der britischen Intervention im eigenen Land eigentlich sehr umstritten, wurde rasch zum Nationalhelden. Sein Kampf gegen die Briten gilt in Äthiopien bis heute als heldenhafter Akt antikolonialen Widerstands. (Volker Matthies: "Unternehmen Magdala". Strafexpedition in Äthiopien. Christoph Links Verlag, Berlin 2010. 195 S., Abb., br., 24,90 [Euro].)
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Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
In den letzten Monaten des Jahres 1867 zog eine schwerbewaffnete Expedition der britisch-indischen Armee von der Küstenebene des Roten Meeres in das äthiopische Hochland. Ziel dieses Marsches war die Bergfestung Magdala. Dort hielt der äthiopische Kaiser Theodor II. einige britische Diplomaten und andere europäische Geiseln, unter anderem aus Deutschland und der Schweiz, fest. Theodor hatte die Europäer festsetzen lassen, weil er über die Nichtbeantwortung seines Briefes an Queen Victoria höchst verärgert war. Die Militäraktion sollte die Gefangenen befreien, vor allem aber das beschädigte Image Großbritanniens als führender Weltmacht wiederherstellen und ein Exempel statuieren. Mit Erfolg: Die Armee des Kaisers wurde vernichtend geschlagen, Magdala ohne nennenswerte eigene Verluste gestürmt. Theodor beging Selbstmord, die Geiseln kamen frei. Dieses in Deutschland bislang relativ unbekannte Kapitel schildert Volker Matthies in seiner detailreichen, chronologisch angelegten Studie. Er beschreibt das mit immensem logistischen Aufwand betriebene "Unternehmen Magdala" als frühes Beispiel für die Industrialisierung des Krieges, die "Einbettung" von Journalisten und die Rechtfertigung militärischer Aktionen in einem fremden Land als "humanitäre Intervention". Ein "Nebeneffekt" der Expedition bestand im Raub zahlreicher äthiopischer Kulturgüter, von denen viele den Weg in öffentliche britische Museen und Bibliotheken fanden. Der äthiopische Kaiser, zum Zeitpunkt der britischen Intervention im eigenen Land eigentlich sehr umstritten, wurde rasch zum Nationalhelden. Sein Kampf gegen die Briten gilt in Äthiopien bis heute als heldenhafter Akt antikolonialen Widerstands. (Volker Matthies: "Unternehmen Magdala". Strafexpedition in Äthiopien. Christoph Links Verlag, Berlin 2010. 195 S., Abb., br., 24,90 [Euro].)
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