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Produktdetails
  • Heyne Sachbuch
  • Verlag: Heyne
  • Seitenzahl: 448
  • ISBN-13: 9783453211766
  • Artikelnr.: 24401527
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.08.1997

Marsward ho!
Der neue Westen ist rot: Der Raumfahrtvisionär Robert Zubrin kann sich seinen Treibstoff selber basteln

Zur Zeit fällt in den Sachbuchregalen der Buchhandlungen ein Trend zu Werken in schwarzen Schutzumschlägen auf, die von der rostig roten Rundung des Mars geschmückt werden. Mit den jüngsten Meteoritenfunden, Raumfahrtmissionen und Spekulationen über Leben auf unserem Nachbarplaneten hat der Mars die Verlage mobil gemacht. Während jedoch die meisten Autoren sich auf bisherige Erkenntnisse konzentriert und Zusammenfassungen verfaßt haben, hat sich Robert Zubrin der Zukunft zugewandt. Er vertritt die Idee eines baldigen Aufbruchs zum Roten Planeten. Während andere den bemannten Marsflug irgendwann in den nächsten dreißig Jahren erwarten, verkündet er: "Wir können innerhalb eines Jahrzehntes vier Menschen zum Mars befördern und mit der Erkundung und Besiedlung des Roten Planeten beginnen."

1989 wurde unter Präsident Bush ein Plan für eine bemannte Marsmission entwickelt, der sogenannte "90-Tage-Report". Riesige Raumschiffe sollten in der Erdumlaufbahn auf einer noch zu errichtenden Raumstation montiert werden. Die geschätzten Kosten beliefen sich auf 450 Milliarden Dollar. Seitdem traut sich kaum noch jemand, eine bemannte Marsmission ernsthaft in Erwägung zu ziehen.

Robert Zubrin ist aus anderem Holz geschnitzt als die Beamtennaturen, die den "90-Tage-Report" fabriziert haben. Er besinnt sich darauf, daß die großen Entdeckungen nicht von hölzernen Männern in stählernen Schiffen, sondern von stählernen Männern in hölzernen Schiffen gemacht wurden. Er erinnert an die gescheiterte Nordwest-Passagen-Expedition von Sir John Franklin, der mit allen Annehmlichkeiten des Jahres 1845 aufgebrochen war und dennoch mit seiner Mannschaft im Packeis zugrunde ging. Erst sechzig Jahre später bezwang Roald Amundsen die nordwestliche Durchfahrt; nicht weil er die teurere Ausrüstung hatte, sondern weil er seine Ausrüstung an die örtlichen Gegebenheiten anzupassen verstand: Amundsen benutzte Geräte, Schlitten und Kleidung der Eskimos und ernährte sich von dem, was er an Ort und Stelle vorfand.

Zubrins Pläne für eine Marsexpedition sehen vor, wie Amundsen die Ressourcen vor Ort zu nutzen und somit Gewicht zu sparen. Weder neuartige Antriebe noch eine Raumstation zur Montage der Marsrakete werden benötigt. Zubrins Raumschiffe fliegen direkt von der Erdoberfläche zum Mars, wo die Besatzung fünfhundert Tage statt der im "90-Tage-Report" vorgesehenen dreißig Tage verbringt und intensive Forschung betreibt. Den für den Rückflug benötigten Treibstoff erzeugt man auf dem Planeten selbst. Das Unternehmen "Mars Direct", bestehend aus drei kompletten Marsmissionen, kostet schätzungsweise zwanzig bis dreißig Milliarden Dollar. Der erste Mensch könnte schon vor dem Jahr 2010 auf dem Mars stehen.

Zubrin erklärt in seinem Buch das Konzept und die damit verbundenen Techniken, die Flugbahn und die Ziele bei der Erforschung des Mars. Er diskutiert die Risiken durch Strahlung, Schwerelosigkeit, menschliche Psyche, Staubstürme und Kontamination durch außerirdische Keime. Der Leser erhält ausführliche Informationen über den Mars: Welches Klima vorherrscht, welche Rohstoffe vorhanden sind, wo Wasser vermutet wird, welche Energiequellen zur Verfügung stehen.

Auf die Begehung des Planeten kann die Menschheit laut Zubrin nicht verzichten, denn schließlich sollen Erzlagerstätten, Wasservorkommen und fossile Überreste eines möglicherweise früheren Lebens aufgespürt werden. Diese Aufgaben sind weit komplexer als das von dem ferngelenkten Marsfahrzeug Sojourner betriebene Beschnüffeln einzelner Steine. Menschliches Augenmaß soll schließlich die geeigneten Stellen für die künftige Besiedlung des Nachbarplaneten ausfindig machen.

Die Erschließung einer neuen Welt wird notwendig, argumentiert der Amerikaner Zubrin, weil die alte Welt immer näher zusammenrückt, die Gegensätze aufgehoben werden und sich bestehende Strukturen immer weiter verfestigen: "Auf ein durch Vereinheitlichung hervorgerufenes Goldenes Zeitalter folgen in der Regel Stagnation und Abstieg." In den letzten vierhundert Jahren war Amerika die Welt, die von Pionieren erschlossen wurde und neue Formen der Gesellschaft hervorbrachte. Heute sei die Erschließung Amerikas abgeschlossen und der Verfall der westlichen Kultur unausbleiblich, wenn die Menschheit nicht zu neuen Ufern aufbricht. Anzeichen für den beginnenden Verfall sieht Zubrin, wenn er den Fortschritt der Jahre 1906 bis 1936 und der Jahre 1936 bis 1966 mit den Veränderungen in den Jahren 1966 bis 1996 vergleicht. Magnetschwebebahnen, Fusionsreaktoren oder Interkontinentalflüge mit Überschallgeschwindigkeit, so Zubrin, wären bei anhaltendem Tempo des Fortschritts heute weit verbreitet. "Statt dessen erleben wir, daß wichtige technologische Entwicklungen wie Atomkraft und Biotechnologie blockiert oder in Kontroversen verstrickt werden. Wir werden immer langsamer."

Während Zubrins Planung für die Realisierung der Marsreise mit weniger Zeit auskommt als alle vergleichbaren Projekte, hat dem Heyne Verlag offenbar die Zeit für eine gründliche Endredaktion nicht gereicht. Der Umgang mit den physikalischen Einheiten für den Gasdruck - psi und mbar - scheint die deutsche Redaktion ebenso zu überfordern wie der Unterschied zwischen Längen- und Breitengraden. Doch gerade der interessierte Leser wird schnell selbst herausfinden, was gemeint ist, und sich nicht die Freude an den erfrischenden Visionen Zubrins verleiden lassen. HARTMUT HÄNSEL

Robert Zubrin, Richard Wagner: "Unternehmen Mars". Das "Mars Direct"-Projekt. Der Plan, den Roten Planeten zu besiedeln. Aus dem Amerikanischen von Elisabeth Parada und Bernhard Liesen. Wilhelm Heyne Verlag, München 1997. 448 S., geb., Abb., 38,- DM.

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