Im September 2012 sterben bei einem Brand in einer Textilfabrik im pakistanischen Karachi 260 Arbeiterinnen und Arbeiter. Dieser spektakuläre Fall ist nur ein Beispiel von unzähligen. Täglich werden Menschen und natürliche Ressourcen durch Unternehmen auf der ganzen Welt ausgebeutet, oft mit tödlichen Konsequenzen. Dieses Mal verstummt der Aufschrei nicht. Die Betroffenen wehren sich dagegen, dass westliche Unternehmen von den billigen Arbeitskräften in Südasien profitieren, aber keinerlei Sorge für deren Sicherheit tragen. Sie verklagen den deutschen Bekleidungsdiscounter KiK und werden dabei von Berliner Menschenrechtsanwälten unterstützt: Sie wollen, dass transnationale Firmen für die Arbeitsbedingungen in ihren Tochter- und Zulieferbetrieben im Ausland verantwortlich gemacht werden können. Dafür wird die pakistanische Delegation ihre Stimme beim Prozess im Frühjahr 2016 vor dem Landgericht Dortmund deutlich vernehmbar erheben. Das Autorenduo beschreibt anhand seiner Fälle - neben KiK auch gegen Pharmafirmen, gegen Nestlé, die Danzer Group und das Ingenieurunternehmen Lahmeyer - die Arbeit ihrer Menschenrechtsorganisation ECCHR, ihre Hoffnungen, Niederlagen, Erfolge und vor allem, was jeder vom Widerstand im globalen Süden lernen kann: Neben den juristischen Mitteln zwingen Boykotte, Streiks und Proteste die Firmen endlich zum Umdenken.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Wolfgang Janisch kann die Lücken im globalen Rechtssystem besser erkennen mit dem Buch von Wolfgang Kaleck und Miriam Saage-Maaß. Die Grundthese des Buches, wonach die Aufgabe des Rechts, die Schwachen zu schützen, immer mehr korrumpiert wird, können ihm die Autoren anhand von haarsträubenden Beispielen belegen. Wie transnationale Unternehmen sich Menschen- und Arbeitsrechtskonventionen entziehen und der internationale Kampf um Menschenrechte auf nationalen Rechtsnormen aufbaut, erfährt Janisch hier. Illusionen macht er sich nach der Lektüre kaum noch welche, aber dass bekannte Einzelfälle auf strukturelle menschenrechtliche Probleme hinweisen können, lehrt ihn das Buch auch.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 22.08.2016Lücken im Recht
der Schwachen
Wie transnationale Konzerne
Menschenrechte missachten
Die Globalisierung hat kein gutes Image, und wer das schmale Bändchen „Unternehmen vor Gericht“ zur Hand nimmt, der lernt einiges darüber, warum das so ist. Die Grundthese lautet: Die Aufgabe des Rechts, die Schwachen zu schützen, droht im internationalen Verkehr der Waren und Dienstleistungen auf der Strecke zu bleiben. Das hohe Niveau des Arbeitnehmerschutzes, wie es sich in der westlichen Welt etabliert hat, lässt sich eben nur schwer in die globale Sphäre transferieren. Weshalb viele transnationale Unternehmen in Ländern produzieren lassen, wo der Lohn niedrig und der Arbeiter rechtlos ist.
Es ist ein Phänomen, an dem sich studieren lässt, wie internationale Rechtssetzung funktioniert – oder eben auch nicht. Der weltweite Wirtschaftsverkehr hat längst seine Regeln zum Schutz eigener Bedürfnisse geschaffen, durch Freihandelsbestimmungen, Investitionsschutzabkommen, Zollvereinbarungen. Auch zur „möglichst umfangreichen Absicherung ihrer Profite“, schreiben die Autoren. Auf der anderen Seite die Menschenrechte: schwierig durchzusetzen, schon gar nicht gegen Unternehmen, weil sich Menschenrechts- und Arbeitsrechtskonventionen an Staaten richten, nicht an Betriebe. Die „wirkungsmächtigen Akteure der Weltwirtschaft“ entzögen sich dem Zugriff des Menschenrechtsregimes.
Was also tun? Wolfgang Kaleck (Anwalt von Edward Snowden) und Miriam Saage-Maaß, die der Menschenrechtsorganisation „European Center for Constitutional and Human Rights“ angehören, schildern, dass die „globalen Kämpfe für Menschenrechte“ meist an nationale Rechtsnormen anknüpfen; internationale Regeln wie etwa die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen erwiesen sich oft als stumpfes Schwert. In den 90er-Jahren erzwangen Anwälte in Großbritannien nach klassischem Deliktsrecht Entschädigungen für Betroffene, etwa wegen der Verklappung von Giftmüll vor der Elfenbeinküste oder einer Ölverseuchung in Nigeria.
In Deutschland hat jüngst die Schadenersatzklage beim Landgericht Dortmund gegen das Textilunternehmen Kik Furore gemacht. 2012 waren beim verheerenden Brand in der Fabrik eines Kik-Zulieferers in Karatschi 259 Menschen ums Leben gekommen. Über die Erfolgsaussichten darf man sich keine Illusionen machen – allerdings dienen solche Verfahren zugleich einem diskursiven Zweck: Wenn Ansprüche von Arbeitern abgewiesen werden, die im fernen Pakistan unter lebensgefährlichen Bedingungen im Dienste der europäischen Billigproduktion gearbeitet haben, dann lässt sich „ein strukturelles menschenrechtliches Problem in Form eines Einzelfalls“ thematisieren, schreiben die Autoren. Anders gesagt: Die Lücken im Recht der Schwachen lassen sich immer schwerer übersehen.
WOLFGANG JANISCH
Wolfgang Kaleck,
Miriam Saage-Maaß:
Unternehmen vor Gericht – Globale Kämpfe für
Menschenrechte.
Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2016. 126 Seiten,
9,90 Euro.
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Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
der Schwachen
Wie transnationale Konzerne
Menschenrechte missachten
Die Globalisierung hat kein gutes Image, und wer das schmale Bändchen „Unternehmen vor Gericht“ zur Hand nimmt, der lernt einiges darüber, warum das so ist. Die Grundthese lautet: Die Aufgabe des Rechts, die Schwachen zu schützen, droht im internationalen Verkehr der Waren und Dienstleistungen auf der Strecke zu bleiben. Das hohe Niveau des Arbeitnehmerschutzes, wie es sich in der westlichen Welt etabliert hat, lässt sich eben nur schwer in die globale Sphäre transferieren. Weshalb viele transnationale Unternehmen in Ländern produzieren lassen, wo der Lohn niedrig und der Arbeiter rechtlos ist.
Es ist ein Phänomen, an dem sich studieren lässt, wie internationale Rechtssetzung funktioniert – oder eben auch nicht. Der weltweite Wirtschaftsverkehr hat längst seine Regeln zum Schutz eigener Bedürfnisse geschaffen, durch Freihandelsbestimmungen, Investitionsschutzabkommen, Zollvereinbarungen. Auch zur „möglichst umfangreichen Absicherung ihrer Profite“, schreiben die Autoren. Auf der anderen Seite die Menschenrechte: schwierig durchzusetzen, schon gar nicht gegen Unternehmen, weil sich Menschenrechts- und Arbeitsrechtskonventionen an Staaten richten, nicht an Betriebe. Die „wirkungsmächtigen Akteure der Weltwirtschaft“ entzögen sich dem Zugriff des Menschenrechtsregimes.
Was also tun? Wolfgang Kaleck (Anwalt von Edward Snowden) und Miriam Saage-Maaß, die der Menschenrechtsorganisation „European Center for Constitutional and Human Rights“ angehören, schildern, dass die „globalen Kämpfe für Menschenrechte“ meist an nationale Rechtsnormen anknüpfen; internationale Regeln wie etwa die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen erwiesen sich oft als stumpfes Schwert. In den 90er-Jahren erzwangen Anwälte in Großbritannien nach klassischem Deliktsrecht Entschädigungen für Betroffene, etwa wegen der Verklappung von Giftmüll vor der Elfenbeinküste oder einer Ölverseuchung in Nigeria.
In Deutschland hat jüngst die Schadenersatzklage beim Landgericht Dortmund gegen das Textilunternehmen Kik Furore gemacht. 2012 waren beim verheerenden Brand in der Fabrik eines Kik-Zulieferers in Karatschi 259 Menschen ums Leben gekommen. Über die Erfolgsaussichten darf man sich keine Illusionen machen – allerdings dienen solche Verfahren zugleich einem diskursiven Zweck: Wenn Ansprüche von Arbeitern abgewiesen werden, die im fernen Pakistan unter lebensgefährlichen Bedingungen im Dienste der europäischen Billigproduktion gearbeitet haben, dann lässt sich „ein strukturelles menschenrechtliches Problem in Form eines Einzelfalls“ thematisieren, schreiben die Autoren. Anders gesagt: Die Lücken im Recht der Schwachen lassen sich immer schwerer übersehen.
WOLFGANG JANISCH
Wolfgang Kaleck,
Miriam Saage-Maaß:
Unternehmen vor Gericht – Globale Kämpfe für
Menschenrechte.
Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2016. 126 Seiten,
9,90 Euro.
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