Wie wird Unternehmensethik praktisch? Nach der knapp gehaltenen Klärung der ethischen und strategischen Grundfragen wird von einer internationalen Autorenschaft aus Wissenschaft und Praxis der Stand der praktizierten Unternehmensethik in den USA, in Deutschland und in der Schweiz anhand aktueller Diskussionslinien, empirischer Befunde und exemplarischer Umsetzungen vorgestellt und erörtert. Der Band will Impulse für konkrete Schritte geben. Beiträger: Thomas Bauer, Dipl.-Kfm. W. Michael Hoffman, PhD Bettina Löhnert, M.A. York Lunau, Dipl.-Kfm. Thomas Olbrich, Dipl.-Kfm. Bruno Staffelbach, Prof. Dr. Horst Steinmann, Prof. Dr. Dr. h.c. Peter Ulrich, Prof. Dr. Josef Wieland, Prof. Dr. Theo Weber, Dipl.-Kfm. Ethikmanagement der Bauwirtschaft e.V.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.11.1998Unternehmensethik als praktische Aufgabe
Die Umsetzung in den Alltag der Unternehmensführung
Peter Ulrich/Josef Wieland (Herausgeber): Unternehmensethik in der Praxis. Impulse aus den USA, Deutschland und der Schweiz. Verlag Paul Haupt, Bern/Stuttgart/Wien 1998, 257 Seiten, 60 DM.
Nachdem die vielbeachtete "Integrative Wirtschaftsethik" von Peter Ulrich in relativ kurzer Zeit eine Neuauflage erforderlich gemacht hat, legt der Inhaber des St. Gallener Lehrstuhls für Wirtschaftsethik zusammen mit seinem Kollegen Josef Wieland aus Konstanz nun einen Sammelband vor. Er enthält insgesamt zehn Beiträge von sieben Wissenschaftlern und (immerhin) drei Praktikern zu der zentralen Frage: Wie wird Unternehmensethik praktisch?
Daß bei der Umsetzung ethischer Werte in den Alltag der Unternehmensführung ein erheblicher Nachholbedarf im Vergleich zu den Vereinigten Staaten besteht, machen die Herausgeber sowohl im Vorwort als auch in ihrem einführenden Beitrag deutlich. Begründet wird dieses Nachhinken unter anderem mit der sich ständig vergrößernden Erosion des moralischen Umfeldes der Unternehmen - beispielhaft belegt durch zahlreiche Korruptions- und Veruntreuungsaffären. In einer ethikbewußten Unternehmensführung kommt es nach Ulrich auf eine kritische Reflexion des traditionellen Unternehmensethos an, die jedes Sachzwangdenken ebenso in Frage stellt wie den angeblichen Gemeinwohlzweck des Marktes. Davon ausgehend, seien "innovative unternehmerische Synthesen" zu entwickeln, die einen Ausgleich zwischen ethischen und marktstrategischen Zielen bewirkten. Ergänzend macht Wieland deutlich, daß die Häufung unmoralischer Entscheidungen auch auf falsche moralische Anreiz- und Kontrollstrukturen wegen fehlender ordnungspolitischer Spielregeln zurückzuführen ist. Erforderlich ist folglich eine tragfähige Basis, welche die ökonomischen Voraussetzungen von Moral ebensowenig ausklammert wie die moralischen Auswirkungen wirtschaftlicher Entscheidungen. Eine kommunikative Unternehmensethik, schreibt Ulrich, müsse sich ergänzend der Verantwortungspflicht gegenüber einer kritischen Öffentlichkeit stellen.
Verständlicherweise möchte der interessierte Leser nicht nur erfahren, daß die amerikanischen Unternehmen in der praktischen Unternehmensethik schon weiter sind, sondern auch, warum das so ist und ob sich die Erfahrungen in den Vereinigten Staaten ohne Schwierigkeiten transferieren lassen. Seine Hoffnungen werden zunächst genährt, wenn er sich von Michael Hoffman vom Center of Business Ethics am Bentley College über das Instrumentarium zur Durchsetzung ethischer Reflexion (Verhaltensleitlinien, Ethikverantwortliche und -kommissionen, Ausbildungs- und Auditprogramme) sachkundig instruieren läßt. Sie reduzieren sich allerdings auf ein mittleres Niveau nach dem Studium des Beitrags von Horst Steinmann und Thomas Olbrich. Die beiden Autoren kritisieren auf der Basis einer empirischen Analyse der Motive von Ethikprogrammen zu Recht eine legalistische Orientierung der Business Ethics in den Vereinigten Staaten. Sie befürworten statt dessen einen integrativen Ansatz, der sich stärker am Geist der Gesetze ausrichtet und auf das aktive Mitwirken der Unternehmensangehörigen setzt. In einer kritischen Analyse der unterschiedlichen kulturellen Bedingungen kommt Bettina Löhnert zu dem Schluß, daß bei der Verwirklichung von Ethikprogrammen in Deutschland kulturbewußter, das heißt behutsam und partizipativ vorgegangen wird. Sie ebnet damit den Weg für die Darstellung von Befragungsergebnissen zur Institutionalisierung von Ethikmaßnahmen in deutschen und schweizerischen Unternehmen (Peter Ulrich/York Lunau/Theo Weber). Die Befunde liefern wichtige Erkenntnisse zum Stand des ethischen Wissens und Handelns sowie der Bewußtseinsbildung in den befragten Unternehmen und machen auf bestehende Schwachstellen aufmerksam. Als ein gangbarer Weg zu deren Beseitigung bietet sich die Ausgestaltung von Standesregeln für Manager an (Bruno Staffelbach).
Abgeschlossen wird die ohne Vorbehalte empfehlenswerte Veröffentlichung mit Überlegungen zum Preisbildungsmechanismus und zur Einführung eines Ethikmanagementsystems in der deutschen Bauwirtschaft (Thomas Bauer). Man möchte diesem Pilotprojekt wünschen, daß es auch in den Unternehmen anderer Branchen verwirklicht wird.
HARTMUT KREIKEBAUM
(Professor für Industriebetriebslehre an der Universität Frankfurt am Main)
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Die Umsetzung in den Alltag der Unternehmensführung
Peter Ulrich/Josef Wieland (Herausgeber): Unternehmensethik in der Praxis. Impulse aus den USA, Deutschland und der Schweiz. Verlag Paul Haupt, Bern/Stuttgart/Wien 1998, 257 Seiten, 60 DM.
Nachdem die vielbeachtete "Integrative Wirtschaftsethik" von Peter Ulrich in relativ kurzer Zeit eine Neuauflage erforderlich gemacht hat, legt der Inhaber des St. Gallener Lehrstuhls für Wirtschaftsethik zusammen mit seinem Kollegen Josef Wieland aus Konstanz nun einen Sammelband vor. Er enthält insgesamt zehn Beiträge von sieben Wissenschaftlern und (immerhin) drei Praktikern zu der zentralen Frage: Wie wird Unternehmensethik praktisch?
Daß bei der Umsetzung ethischer Werte in den Alltag der Unternehmensführung ein erheblicher Nachholbedarf im Vergleich zu den Vereinigten Staaten besteht, machen die Herausgeber sowohl im Vorwort als auch in ihrem einführenden Beitrag deutlich. Begründet wird dieses Nachhinken unter anderem mit der sich ständig vergrößernden Erosion des moralischen Umfeldes der Unternehmen - beispielhaft belegt durch zahlreiche Korruptions- und Veruntreuungsaffären. In einer ethikbewußten Unternehmensführung kommt es nach Ulrich auf eine kritische Reflexion des traditionellen Unternehmensethos an, die jedes Sachzwangdenken ebenso in Frage stellt wie den angeblichen Gemeinwohlzweck des Marktes. Davon ausgehend, seien "innovative unternehmerische Synthesen" zu entwickeln, die einen Ausgleich zwischen ethischen und marktstrategischen Zielen bewirkten. Ergänzend macht Wieland deutlich, daß die Häufung unmoralischer Entscheidungen auch auf falsche moralische Anreiz- und Kontrollstrukturen wegen fehlender ordnungspolitischer Spielregeln zurückzuführen ist. Erforderlich ist folglich eine tragfähige Basis, welche die ökonomischen Voraussetzungen von Moral ebensowenig ausklammert wie die moralischen Auswirkungen wirtschaftlicher Entscheidungen. Eine kommunikative Unternehmensethik, schreibt Ulrich, müsse sich ergänzend der Verantwortungspflicht gegenüber einer kritischen Öffentlichkeit stellen.
Verständlicherweise möchte der interessierte Leser nicht nur erfahren, daß die amerikanischen Unternehmen in der praktischen Unternehmensethik schon weiter sind, sondern auch, warum das so ist und ob sich die Erfahrungen in den Vereinigten Staaten ohne Schwierigkeiten transferieren lassen. Seine Hoffnungen werden zunächst genährt, wenn er sich von Michael Hoffman vom Center of Business Ethics am Bentley College über das Instrumentarium zur Durchsetzung ethischer Reflexion (Verhaltensleitlinien, Ethikverantwortliche und -kommissionen, Ausbildungs- und Auditprogramme) sachkundig instruieren läßt. Sie reduzieren sich allerdings auf ein mittleres Niveau nach dem Studium des Beitrags von Horst Steinmann und Thomas Olbrich. Die beiden Autoren kritisieren auf der Basis einer empirischen Analyse der Motive von Ethikprogrammen zu Recht eine legalistische Orientierung der Business Ethics in den Vereinigten Staaten. Sie befürworten statt dessen einen integrativen Ansatz, der sich stärker am Geist der Gesetze ausrichtet und auf das aktive Mitwirken der Unternehmensangehörigen setzt. In einer kritischen Analyse der unterschiedlichen kulturellen Bedingungen kommt Bettina Löhnert zu dem Schluß, daß bei der Verwirklichung von Ethikprogrammen in Deutschland kulturbewußter, das heißt behutsam und partizipativ vorgegangen wird. Sie ebnet damit den Weg für die Darstellung von Befragungsergebnissen zur Institutionalisierung von Ethikmaßnahmen in deutschen und schweizerischen Unternehmen (Peter Ulrich/York Lunau/Theo Weber). Die Befunde liefern wichtige Erkenntnisse zum Stand des ethischen Wissens und Handelns sowie der Bewußtseinsbildung in den befragten Unternehmen und machen auf bestehende Schwachstellen aufmerksam. Als ein gangbarer Weg zu deren Beseitigung bietet sich die Ausgestaltung von Standesregeln für Manager an (Bruno Staffelbach).
Abgeschlossen wird die ohne Vorbehalte empfehlenswerte Veröffentlichung mit Überlegungen zum Preisbildungsmechanismus und zur Einführung eines Ethikmanagementsystems in der deutschen Bauwirtschaft (Thomas Bauer). Man möchte diesem Pilotprojekt wünschen, daß es auch in den Unternehmen anderer Branchen verwirklicht wird.
HARTMUT KREIKEBAUM
(Professor für Industriebetriebslehre an der Universität Frankfurt am Main)
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main