Nach der Finanzkrise sind die Modellwelten der Finanzierungstheorie, vor allem diejenigen, die auf vollkommenen Märkten spielen, nicht mehr zeitgemäß. Heute muss die Lehre zu Theorie und Praxis der Finanzierungspolitik beide Sphären miteinander verbinden - wie es das Konzept dieses neuen Lehrbuchs verfolgt: Aus der strategischen Sicht des Finanzleiters werden die zentralen Themen der unternehmerischen Finanzierungspolitik aufgezeigt:
InvestitionsrechnungNutzung von Finanzmärkten, -intermediären und -instrumentenFinanzielles RisikomanagementFinanzkommunikationGestaltung von Unternehmensstruktur und -kontrolle
Mit vielen Anwendungsbeispielen und Einblicken in die Praxis.
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Mit vielen Anwendungsbeispielen und Einblicken in die Praxis.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.01.2018Der Wert des Eigenkapitals
Ein gutes, aber nicht perfektes Buch zur Finanzierung
Irrtümer halten sich lange. Auch in der Wissenschaft werden entgegen ihrem rational-kritischen Anspruch viele Aussagen immer wieder neu aufgefrischt, auch wenn sie längst widerlegt oder unpraktikabel sind. Die akademische Betriebswirtschaftslehre kann sich nur ein Denken in Kapitalrenditen vorstellen. Das ist nicht ganz falsch, aber so denken eben nur Anleger - aber nicht Unternehmer. Anleger vergleichen ein Investment mit der Verzinsung einer Alternativanlage. In Deutschland sind von insgesamt 3 Millionen Unternehmen aber nur 100 000 Aktiengesellschaften. Dafür sind nur knapp 1000 an der Börse, also für Anleger von Interesse. Mehr als 99 Prozent aller Unternehmen werden von Inhaber-Unternehmern dominiert, deren Ziel meist die Weitergabe eines gesunden Unternehmens an ihre Kinder ist. Andere Ziele sind die Schaffung von Arbeitsplätzen, die Sicherung unternehmerischer Freiräume, die Eroberung von Marktanteilen oder die Entwicklung neuer Produkte. Eine hohe Eigenkapitalrendite zu erzielen ist in der Regel nicht ihr vorrangiges Ziel.
Kapitalrendite ist sogar das Erste, auf das ein Unternehmer verzichtet, wenn es seinem Unternehmen einmal schlechtgeht. Daher ist der zweite unausrottbare Irrtum der Gelehrten, dass Eigenkapital teurer sei als Fremdkapital. Der Fremdkapitalgeber - in der Regel Banken - lässt einen Kreditnehmer eher in die Insolvenz gehen, als dass er auf seinen Zins verzichtet. Daher ist es sinnvoll, möglichst viel Eigenkapital zu halten und wenig Fremdkapital. Auch diese praktische Erfahrung widerspricht der Theorie.
Die Autoren des Buches "Unternehmerische Finanzierung. Eine wertorientierte Einführung" weisen ganz zu Recht darauf hin, dass die einseitige Ausrichtung auf Kapitalrendite manches Unternehmen schon aus der Bahn geworfen hat. Daher ist es bedauerlich, dass gerade das Kapitel "Relevanz und Wertbeitrag der Kapitalstruktur" eher schwach ausgefallen ist. Es ist sehr modelltheoretisch und ausschließlich an den Kapitalkosten orientiert. Dass die Kapitalstruktur keinen Einfluss auf den Unternehmenswert hat, wenn man alle Einflüsse von "Steuern, Insolvenzkosten, Agency-Kosten und asymmetrisch verteilten Informationen" ausschließt (Modigliani-Miller-Theorem) und dazu noch einen vollkommenen Kapitalmarkt unterstellt, hat die Aussagekraft von "Vor allen Kosten ist das Unternehmen ertragreich" also gar keine Aussagekraft und Relevanz.
Eher am praktischen Leben vorbei gehen auch die Äußerungen zu den Ertragskennziffern eines Unternehmens. Dass in der Praxis der Jahresüberschuss durch "Störgrößen wie Zinsen, Steuern und Abschreibungen" bereinigt wird, um dann "orientiert an internationalen Usancen" die Ertragskraft am Ebitda zu messen, ist - gelinde gesagt - leider vielfach praktizierter Unsinn. Ein Unternehmen, das seine Abschreibungen nicht verdient, vernichtet jeden Tag Vermögen. Auch das gern praktizierte Sale-and-lease-back-Verfahren wird sehr kurz und zu positiv dargestellt. Zwar wird mit dem Verkauf viel Geld frei. Man handelt sich dabei aber auf alle Zeiten Fixkosten ein. Und ein Finanzmanagement sollte darauf drängen, die Fixkosten so niedrig wie möglich zu halten. In der Krise sind es die hohen Fixkosten, die ein Unternehmen in die Knie zwingen.
Warum wird an dieser Stelle ein Buch trotz dieser Mängel beschrieben? Weil es ein insgesamt gutes Buch ist, zudem sich fünf Hochschullehrer aus den Hochschulen in Freiberg, Paderborn, Bochum, Iserlohn und Leipzig zusammengetan haben. Ein Grundlagen- oder Einführungswerk zu schreiben ist sehr aufwendig und der Karriere als Forscher in der Regel nicht förderlich. Der Leser, der Einsteiger, der Student oder der Praktiker brauchen aber solche Einführungen, die mit der Darstellung der gesamten Breite eines Faches Orientierung geben, zumal in Zeiten der Veränderung.
Ein solches Werk, das mehrere ausführliche Bücher ersetzt, hat immer auch Mängel, und diese sollten auch nicht verschwiegen werden - nicht zuletzt, um sie in einer weiteren Auflage ausmerzen zu können. Aber diese Mängel ändern nichts daran, dass das Buch mit seinen 760 Seiten äußerst empfehlenswert ist für jeden, der sich mit der Unternehmensfinanzierung beschäftigt.
Das Thema "Unternehmerische Finanzierungspolitik" wird bewusst als prozessorientiert verstanden und erschöpfend behandelt wie kaum anderswo. Es geht um die laufende Finanzierung, die Finanzierung von Investitionen und auch um den Kauf von Unternehmen. Es werden alle Formen der Kapitalbeschaffung von der Kapitalerhöhung über Anleihe, Kredite oder Leasing bis zu Factoring und Mezzaninkapital dargestellt und diskutiert, also jeweils auch durchaus kritisch beleuchtet.
Es wird hervorgehoben, dass die internationale Expansion eines Unternehmens über Eigenkapital finanziert werden sollte. Die Schwierigkeiten der Forderungsverbriefung und die Mitschuld gerade dieser Finanzierungsform an der Finanzkrise wird durchaus angesprochen, wenn auch mit einem Seitenhieb auf die Praxis: "Mit einem grundsätzlich sinnvollen Instrument der Risikoteilung (nämlich der Verbriefung) wurde so durch die Übertreibungen der Praxis aus (beherrschbarer) Komplexität eine (unbeherrschbare) Undurchsichtigkeit."
Diese Kritik ist erstens sehr allgemein. Zweitens muss man sich fragen, ob ein Instrument theoretisch sinnvoll sein kann, wenn es in der Praxis so versagt. Aber leider ist der Teil "Treiber der Entwicklung von Finanzsystemen" eh etwas hölzern und wenig elegant formuliert ausgefallen. Dennoch bleibt das Fazit: Dem gut strukturierten und vollständigen Buch sind viele Auflagen zu wünschen, in denen vielleicht etwas weniger der Modelltheorie gefrönt und mehr an den Eigentümer statt an den Anleger gedacht wird.
GEORG GIERSBERG
Stephan Paul/Andreas Horsch/Daniel Kaltofen/ André Uhde/Gregor Weiß: Unternehmerische Finanzierungspolitik. Eine wertorientierte Einführung. Verlag Schäffer-Pöschel. Stuttgart 2017. 760 Seiten. 30 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ein gutes, aber nicht perfektes Buch zur Finanzierung
Irrtümer halten sich lange. Auch in der Wissenschaft werden entgegen ihrem rational-kritischen Anspruch viele Aussagen immer wieder neu aufgefrischt, auch wenn sie längst widerlegt oder unpraktikabel sind. Die akademische Betriebswirtschaftslehre kann sich nur ein Denken in Kapitalrenditen vorstellen. Das ist nicht ganz falsch, aber so denken eben nur Anleger - aber nicht Unternehmer. Anleger vergleichen ein Investment mit der Verzinsung einer Alternativanlage. In Deutschland sind von insgesamt 3 Millionen Unternehmen aber nur 100 000 Aktiengesellschaften. Dafür sind nur knapp 1000 an der Börse, also für Anleger von Interesse. Mehr als 99 Prozent aller Unternehmen werden von Inhaber-Unternehmern dominiert, deren Ziel meist die Weitergabe eines gesunden Unternehmens an ihre Kinder ist. Andere Ziele sind die Schaffung von Arbeitsplätzen, die Sicherung unternehmerischer Freiräume, die Eroberung von Marktanteilen oder die Entwicklung neuer Produkte. Eine hohe Eigenkapitalrendite zu erzielen ist in der Regel nicht ihr vorrangiges Ziel.
Kapitalrendite ist sogar das Erste, auf das ein Unternehmer verzichtet, wenn es seinem Unternehmen einmal schlechtgeht. Daher ist der zweite unausrottbare Irrtum der Gelehrten, dass Eigenkapital teurer sei als Fremdkapital. Der Fremdkapitalgeber - in der Regel Banken - lässt einen Kreditnehmer eher in die Insolvenz gehen, als dass er auf seinen Zins verzichtet. Daher ist es sinnvoll, möglichst viel Eigenkapital zu halten und wenig Fremdkapital. Auch diese praktische Erfahrung widerspricht der Theorie.
Die Autoren des Buches "Unternehmerische Finanzierung. Eine wertorientierte Einführung" weisen ganz zu Recht darauf hin, dass die einseitige Ausrichtung auf Kapitalrendite manches Unternehmen schon aus der Bahn geworfen hat. Daher ist es bedauerlich, dass gerade das Kapitel "Relevanz und Wertbeitrag der Kapitalstruktur" eher schwach ausgefallen ist. Es ist sehr modelltheoretisch und ausschließlich an den Kapitalkosten orientiert. Dass die Kapitalstruktur keinen Einfluss auf den Unternehmenswert hat, wenn man alle Einflüsse von "Steuern, Insolvenzkosten, Agency-Kosten und asymmetrisch verteilten Informationen" ausschließt (Modigliani-Miller-Theorem) und dazu noch einen vollkommenen Kapitalmarkt unterstellt, hat die Aussagekraft von "Vor allen Kosten ist das Unternehmen ertragreich" also gar keine Aussagekraft und Relevanz.
Eher am praktischen Leben vorbei gehen auch die Äußerungen zu den Ertragskennziffern eines Unternehmens. Dass in der Praxis der Jahresüberschuss durch "Störgrößen wie Zinsen, Steuern und Abschreibungen" bereinigt wird, um dann "orientiert an internationalen Usancen" die Ertragskraft am Ebitda zu messen, ist - gelinde gesagt - leider vielfach praktizierter Unsinn. Ein Unternehmen, das seine Abschreibungen nicht verdient, vernichtet jeden Tag Vermögen. Auch das gern praktizierte Sale-and-lease-back-Verfahren wird sehr kurz und zu positiv dargestellt. Zwar wird mit dem Verkauf viel Geld frei. Man handelt sich dabei aber auf alle Zeiten Fixkosten ein. Und ein Finanzmanagement sollte darauf drängen, die Fixkosten so niedrig wie möglich zu halten. In der Krise sind es die hohen Fixkosten, die ein Unternehmen in die Knie zwingen.
Warum wird an dieser Stelle ein Buch trotz dieser Mängel beschrieben? Weil es ein insgesamt gutes Buch ist, zudem sich fünf Hochschullehrer aus den Hochschulen in Freiberg, Paderborn, Bochum, Iserlohn und Leipzig zusammengetan haben. Ein Grundlagen- oder Einführungswerk zu schreiben ist sehr aufwendig und der Karriere als Forscher in der Regel nicht förderlich. Der Leser, der Einsteiger, der Student oder der Praktiker brauchen aber solche Einführungen, die mit der Darstellung der gesamten Breite eines Faches Orientierung geben, zumal in Zeiten der Veränderung.
Ein solches Werk, das mehrere ausführliche Bücher ersetzt, hat immer auch Mängel, und diese sollten auch nicht verschwiegen werden - nicht zuletzt, um sie in einer weiteren Auflage ausmerzen zu können. Aber diese Mängel ändern nichts daran, dass das Buch mit seinen 760 Seiten äußerst empfehlenswert ist für jeden, der sich mit der Unternehmensfinanzierung beschäftigt.
Das Thema "Unternehmerische Finanzierungspolitik" wird bewusst als prozessorientiert verstanden und erschöpfend behandelt wie kaum anderswo. Es geht um die laufende Finanzierung, die Finanzierung von Investitionen und auch um den Kauf von Unternehmen. Es werden alle Formen der Kapitalbeschaffung von der Kapitalerhöhung über Anleihe, Kredite oder Leasing bis zu Factoring und Mezzaninkapital dargestellt und diskutiert, also jeweils auch durchaus kritisch beleuchtet.
Es wird hervorgehoben, dass die internationale Expansion eines Unternehmens über Eigenkapital finanziert werden sollte. Die Schwierigkeiten der Forderungsverbriefung und die Mitschuld gerade dieser Finanzierungsform an der Finanzkrise wird durchaus angesprochen, wenn auch mit einem Seitenhieb auf die Praxis: "Mit einem grundsätzlich sinnvollen Instrument der Risikoteilung (nämlich der Verbriefung) wurde so durch die Übertreibungen der Praxis aus (beherrschbarer) Komplexität eine (unbeherrschbare) Undurchsichtigkeit."
Diese Kritik ist erstens sehr allgemein. Zweitens muss man sich fragen, ob ein Instrument theoretisch sinnvoll sein kann, wenn es in der Praxis so versagt. Aber leider ist der Teil "Treiber der Entwicklung von Finanzsystemen" eh etwas hölzern und wenig elegant formuliert ausgefallen. Dennoch bleibt das Fazit: Dem gut strukturierten und vollständigen Buch sind viele Auflagen zu wünschen, in denen vielleicht etwas weniger der Modelltheorie gefrönt und mehr an den Eigentümer statt an den Anleger gedacht wird.
GEORG GIERSBERG
Stephan Paul/Andreas Horsch/Daniel Kaltofen/ André Uhde/Gregor Weiß: Unternehmerische Finanzierungspolitik. Eine wertorientierte Einführung. Verlag Schäffer-Pöschel. Stuttgart 2017. 760 Seiten. 30 Euro
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