Die Pilgerfahrt auf den Balkan soll zur Erleuchtung führen. Doch die bleibt aus. Thomas Glavinic und der Fotograf Ingo stehen kurz vor dem Nervenzusammenbruch: Die lange Busfahrt nach Bosnien mit den kauzigen Mitreisenden war schlimm genug. Im Pilgerort Medjugorje landen die beiden in einer Abfertigungsmaschinerie für Gläubige. Zermürbt von den endlosen Gebeten, versuchen sie zu fliehen, doch bald wünschen sie sich, sie wären bei den Predigern geblieben. Glavinic ist böse - vor allem sich selbst gegenüber.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.01.2014NEUE TASCHENBÜCHER
Auf der Fährte
der Madonna
Eine Wallfahrt per Bus, nach Medjugorje zur „Gospa“– der Madonna, die 1981 Hirtenkindern erschien – ist schon an sich nur etwas für Hard-core-Gläubige. Wenn sie aber ein Agnostiker, wie der Autor Thomas Glavinic unternimmt, als Selbstversuch, in der Hoffnung, dass sich etwas von der religiösen Gewissheit der Mitreisenden auf ihn übertragen möge, wird daraus ein absurdes Zerrbild christlichen Brauchtums und menschlicher Nöte. Zugedröhnt von Schmerzmitteln und Alkohol beobachtetet er minutiös die Gläubigen, ihr unermüdliches Beten und Kasteien, angetrieben von einem routiniert das religiöse Geschäft betreibenden Reiseleiter. Der Ort selbst, ein einziger Devotionalienladen, in dem geschäftige Menschen, ob als Priester oder Nonnen, in fundamentalistischen Glaubenstechniken geschult sind. „Die hier, die mögen überhaupt niemanden, das sind bl0ß verstörte und verängstigte, im Grunde ganz rohe Seelen.“ Schwankend zwischen Ekel und Mitleid, findet er in seinen Sprachblüten ein Mittel, sich mit absurder Komik aus diesem Selbstversuch zu retten. Auch als diese groteske Reise in einem Bacchanal der Mafia endet.
ROSWITHA BUDEUS-BUDDE
Thomas Glavinic: Unterwegs im Namen des Herrn. dtv, München 2014. 208 Seiten, 8,90 Euro.
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Auf der Fährte
der Madonna
Eine Wallfahrt per Bus, nach Medjugorje zur „Gospa“– der Madonna, die 1981 Hirtenkindern erschien – ist schon an sich nur etwas für Hard-core-Gläubige. Wenn sie aber ein Agnostiker, wie der Autor Thomas Glavinic unternimmt, als Selbstversuch, in der Hoffnung, dass sich etwas von der religiösen Gewissheit der Mitreisenden auf ihn übertragen möge, wird daraus ein absurdes Zerrbild christlichen Brauchtums und menschlicher Nöte. Zugedröhnt von Schmerzmitteln und Alkohol beobachtetet er minutiös die Gläubigen, ihr unermüdliches Beten und Kasteien, angetrieben von einem routiniert das religiöse Geschäft betreibenden Reiseleiter. Der Ort selbst, ein einziger Devotionalienladen, in dem geschäftige Menschen, ob als Priester oder Nonnen, in fundamentalistischen Glaubenstechniken geschult sind. „Die hier, die mögen überhaupt niemanden, das sind bl0ß verstörte und verängstigte, im Grunde ganz rohe Seelen.“ Schwankend zwischen Ekel und Mitleid, findet er in seinen Sprachblüten ein Mittel, sich mit absurder Komik aus diesem Selbstversuch zu retten. Auch als diese groteske Reise in einem Bacchanal der Mafia endet.
ROSWITHA BUDEUS-BUDDE
Thomas Glavinic: Unterwegs im Namen des Herrn. dtv, München 2014. 208 Seiten, 8,90 Euro.
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