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Auf dem Beifahrersitz sitzt der greise Pathologe von Albert Einstein, im Kofferraum schwappt das Gehirn des genialen Physikers in einer Tupperschüssel - so reist der junge Journalist Michael Paterniti in seinem Buick Skylark quer durch die USA. Hinter der skurrilen Geschichte steckt eine noch skurrilere Realität: Nach dem Tod von Albert Einstein im April 1955 landete dessen Leiche auf dem Obduktionstisch des Pathologen Dr. Thomas Harvey in Princeton. Harvey erkannte seine Chance, schnitt das Gehirn heraus und nahm es mit nach Hause, um dort dem stofflichen Geheimnis der Genialität auf die Spur…mehr

Produktbeschreibung
Auf dem Beifahrersitz sitzt der greise Pathologe von Albert Einstein, im Kofferraum schwappt das Gehirn des genialen Physikers in einer Tupperschüssel - so reist der junge Journalist Michael Paterniti in seinem Buick Skylark quer durch die USA. Hinter der skurrilen Geschichte steckt eine noch skurrilere Realität: Nach dem Tod von Albert Einstein im April 1955 landete dessen Leiche auf dem Obduktionstisch des Pathologen Dr. Thomas Harvey in Princeton. Harvey erkannte seine Chance, schnitt das Gehirn heraus und nahm es mit nach Hause, um dort dem stofflichen Geheimnis der Genialität auf die Spur zu kommen. 40 Jahre später - für Harvey ist der 2,7 Pfund schwere Klumpen Neuronenmasse längst zum alles beherrschenden Lebensinhalt geworden - will er das Gehirn des Entdeckers der Relativitätstheorie dessen Enkelin Evelyn vermachen. Doch dazu muss er von seinem Wohnort Maine nach Kalifornien fahren. Paterniti erbietet sich, für Harvey den Chauffeur zu spielen. In Harveys Leben hat Einsteins Gehirn mittlerweile die zentrale Rolle vor allen persönlichen Beziehungen eingenommen; seine Persönlichkeit und selbst sein Äußeres sind mit dem Bild des berühmten Forscherkollegen verschmolzen. Und auch Paterniti kann sich der Aura, die noch die in Formaldehyd konservierten Überreste des Jahrhundertgenies umgibt, nicht entziehen. Auf ihrer Fahrt in den Westen treffen die beiden ungleichen Reisegefährten Menschen, die Einstein kannten, solche, die ihn immer noch verehren, und Personen, die auf die eine oder andere Art durch das Schicksal mit ihm verbunden sind. Sie begegnen dem Mythos Einstein, der längst zum Mythos der modernenWissenschaft geworden ist. Ganz im Sinne von Einsteins Relativitätstheorie verschmelzen in diesem Roadmovie in Buchform Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft miteinander.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.06.2001

Per Anhalter durch Kofferraum und Zeit
Einsteins Geheimwaffe: Michael Paterniti fährt das Gehirn des Physikers zu schnell von New Jersey nach Kalifornien

Im kollektiven Unterbewußtsein ist Albert Einstein so etwas wie der prototypische Mathematiker. Wenn jemand erfährt, daß man Mathematik studiert hat, nennt er (oder leider auch sie) einen gerne "Einstein". Solche Ignoranten sollten vielleicht einmal ein Buch über Einstein lesen und eines über Hilbert.

Die Flucht des Physikers Einstein vor den Nationalsozialisten endete in Princeton, New Jersey, am Institute for Advanced Studies. Er betrieb dort sehr wohl fortgeschrittene Studien, nur kam nichts dabei heraus. Er suchte wie ein Gralsritter nach der einheitlichen Feldtheorie und fand sie nicht. Die Amerikaner hatten ihm mehr zugetraut. In einer FBI-Notiz wird kolportiert, daß er heimlich zusammen mit zehn Ex-Nazis im Asbestanzug eine Laserkanone ausprobierte. "Diese neue Geheimwaffe könnte vom Flugzeug aus zum Einsatz gebracht werden und ganze Städte zerstören." J. Edgar Hoover wollte ihm daraufhin gleich seine amerikanische Staatsangehörigkeit wieder aberkennen lassen.

Einstein liebte gutes fettes Essen. Er wußte wohl, daß das sein Leben verkürzen könnte, aber es war ihm schnuppe. Als 1950 ein Aneurysma, eine erweiterte Arterie, diagnostiziert wurde, sagte er nur: "Laßt es platzen." 1955 platzte es. Der Pathologe, der ihn obduzierte, war Dr. Thomas Stoltz Harvey. Er brachte dabei - legal, illegal, wer weiß das schon so genau - Einsteins Gehirn in seinen Besitz.

Dieses Gehirn war Dr. Harveys Geheimwaffe, ein Leben lang. Eigentlich wollte er es untersuchen und die Ergebnisse veröffentlichen. Er kam aber irgendwie nie dazu. Er zog von einem Ort zum anderen, heiratete, bekam Kinder, ließ sich scheiden und reiste weiter. Am Schluß verlor er seine Approbation und wurde schließlich Hilfsstrangpresser in einer Kunststoffabrik. Aber immer hatte er das Gehirn im Gepäck, in einem Bonbonglas oder einer Plastikschüssel. Reporter interviewten ihn, Wissenschaftler bettelten um kleine Stücke für ihre Untersuchungen, und Nachbarn wie der Schriftsteller William Burroughs, die ihn sonst vielleicht ignoriert hätten, waren glücklich, wenn sie mit ihm verkehren konnten.

Und dann, nach vielen Jahren, betrat Michael Paterniti die Bühne. Er erfuhr von Dr. Harvey und dem Inhalt seiner Tupperware-Dose und bemühte sich hartnäckig, die beiden kennenzulernen. Irgendwie war Einstein auch Paternitis Geheimwaffe, und er sollte ihm schließlich Ruhm, Ehre und häusliches Glück verschaffen. Der Doktor lebte jetzt wieder in der Nähe von Princeton, und schließlich faßte man den Entschluß, selbdritt mit dem Auto quer durch Nordamerika nach Berkeley in Kalifornien zu fahren und dort Evelyn Einstein, Alberts Enkelin, zu besuchen. Über diese Reise schrieb Paterniti einen Artikel für Harper's Magazine, der 1998 mit dem National Magazine Award ausgezeichnet wurde. Daraus entstand dann das Buch "Unterwegs mit Mr. Einstein", das jetzt auf deutsch erschienen ist.

Hält der Zug in Zürich oder hält Zürich am Zug? In Einsteins relativistischer Welt macht die eine Beschreibung so viel Sinn wie die andere. Mit der geschilderten Autofahrt ist es ähnlich. Der Arzt und der Reporter sitzen vorne in dem grünblauen Skylark, der Professor oder zumindest das, was von ihm übriggeblieben ist, muß mit dem Kofferraum vorliebnehmen. Trotzdem ist er mindestens genauso präsent wie die beiden anderen. Die Sonne umkreist regelmäßig die Erde, und wenn sie hinter dem Horizont verschwunden ist, bremst die Straße ab und Los Alamos oder Las Vegas hält neben dem Auto. Einmal bewegt sich die Straße sogar so schnell nach hinten, daß ein empörter Cop sie anhält und einen teuren Strafzettel ausstellt.

Glaubwürdige Helden sind sie alle drei nicht. Und sie leben jeweils in ihrem eigenen Inertialsystem. Einstein wird seiner beiden Frauen schnell überdrüssig und behandelt sie dann wie Hausangestellte. In der Öffentlichkeit gibt er den Pazifisten, während er gleichzeitig das Waffenamt der US-Navy in Fragen von Wissenschaft, Technik und Sprengstoffen berät. Harvey hält in San Jose an einer High School einen Vortrag über das Gehirn, in dem er sich zu dem Wissenschaftler hochstilisiert, der er nicht ist und nie war. Und Paterniti, nun ja, Paterniti ist eigentlich ganz sympathisch, aber man hat das Gefühl, daß er hauptsächlich dabei ist, weil er seiner Bücher schreibenden Freundin imponieren will, damit sie ihm nicht davonläuft.

Am Schluß erfährt man, daß Dr. Harvey schließlich das Gehirn an einen jüngeren Pathologen weitergegeben hat. Dieser will sich alle Optionen offenhalten. Seit Doktor Frankenstein hat die Wissenschaft schließlich entscheidende Fortschritte gemacht. Amerika hat es manchmal wirklich besser. In den Vereinigten Staaten entstehen bisweilen Bücher, die genauso verrückt sind wie die Phänomene in dem Land, das sie beschreiben.

ERNST HORST

Michael Paterniti: "Unterwegs mit Mr. Einstein". Aus dem Amerikanischen von Hainer Kober. Rowohlt Verlag, Reinbek 2001. 287 S., geb., 39,90 DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Ernst Horst hält sich mit einem Urteil über dieses Buch sehr zurück und merkt lediglich an, dass in den USA bisweilen Bücher entstehen, die "genauso verrückt sind wie die Phänomene, die sie beschreiben". Zu diesen Büchern zählt er ohne Zweifel auch das vorliegende, dessen Entstehungsgeschichte Horst dem Leser näher erläutert. So erfährt man, dass sich diese Geschichte tatsächlich ereignet hat, und dass das Buch aus einem Artikel über diese Reise entstanden ist, den Paterniti für Harper's Magazin verfasst hat und für den er 1998 mit dem National Magazine Award ausgezeichnet wurde. Doch "glaubwürdige Helden sind sie alle drei nicht", findet Horst und schließt dabei neben Paterniti und den Pathologen Harvey Einsteins Gehirn mit ein. Paterniti findet er "eigentlich ganz sympathisch", doch wird der Rezensent den Eindruck nicht los, dass dieser das Buch eigentlich nur verfasst hat, um seine Freundin zu beeindrucken.

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