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Wie sich die eigene Stimme finden lässt, wenn die Gesellschaft Schweigen befiehlt
Mit diesem Buch steigt Rebecca Solnit endgültig aufs Podest zu Joan Didion und Susan Sontag: Ihre Geschichte ist die Geschichte einer jungen Frau, die ihre Stimme fand, während sie schweigen sollte. Im San Francisco der achtziger Jahre herrscht eine harsche Atmosphäre der Misogynie, Gewalt gegen Frauen ist an der Tagesordnung, wird hingenommen, nicht hinterfragt. Hier zieht eine junge Frau in ihre erste eigene Wohnung, schafft sich einen Freiraum zum Denken, Schreiben, Formulieren. Hier wird Rebecca Solnit…mehr

Produktbeschreibung
Wie sich die eigene Stimme finden lässt, wenn die Gesellschaft Schweigen befiehlt

Mit diesem Buch steigt Rebecca Solnit endgültig aufs Podest zu Joan Didion und Susan Sontag: Ihre Geschichte ist die Geschichte einer jungen Frau, die ihre Stimme fand, während sie schweigen sollte. Im San Francisco der achtziger Jahre herrscht eine harsche Atmosphäre der Misogynie, Gewalt gegen Frauen ist an der Tagesordnung, wird hingenommen, nicht hinterfragt. Hier zieht eine junge Frau in ihre erste eigene Wohnung, schafft sich einen Freiraum zum Denken, Schreiben, Formulieren. Hier wird Rebecca Solnit eine andere, überwindet ihr Schweigen, die eigene Unsichtbarkeit. Vor dem Hintergrund von Punk, Gay Pride und der zweiten Welle des Feminismus wagt sie, ihre Stimme zu erheben gegen Unterdrückung und Unrecht. Sie wird zur Aktivistin, zur öffentlichen Person und zur wichtigen Intellektuellen.
Unziemliches Verhalten ist ein elektrisierender Bericht über vierzig Jahre gelebten Feminismus, über Rückschläge, Meilensteine und den Triumph des eigenen Ichs.
Autorenporträt
Rebecca Solnit, Jahrgang 1961, ist eine der bedeutendsten Essayistinnen und Aktivistinnen der USA. Sie ist Herausgeberin des Magazins Harper's und schreibt regelmäßig Kolumnen für den Guardian. Für ihre Werke erhielt sie zahlreiche Preise und Auszeichnungen. Bei Hoffmann und Campe erschienen unter anderem ihre Bände Wenn Männer mir die Welt erklären (2015) und Die Dinge beim Namen nennen (2019). Rebecca Solnit lebt in San Francisco.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.12.2020

Immer weiter gehen

Wer sich als Frau durch die Welt bewegt, muss zwangsläufig Umwege nehmen: Rebecca Solnits Buch "Unziemliches Verhalten - Wie ich Feministin wurde"

Eigentlich wollte Rebecca Solnit nie über Feminismus schreiben. Sie beschäftigte sich mit der Kunstszene im San Francisco der 1970er Jahre, mit Öko-Aktivismus, mit den Rechten Indigener in Nevada. Sobald sie sich aber an ihren Schreibtisch setzt, ist der Gedanke an Gewalt gegen Frauen da. Denn das filigrane Möbelstück ist das Geschenk einer Freundin, die von ihrem Freund beinahe erstochen wurde, als sie die Beziehung beenden wollte. Solnit sieht in dieser Schreibtischsituation eine Verantwortung: "Jemand versuchte, sie zum Schweigen zu bringen. Und dann schenkte sie mir ein Sprungbrett für meine Stimme."

Das neue autobiographische Buch, das an diesem Schreibtisch entstand, heißt "Unziemliches Verhalten - Wie ich Feministin wurde". Wer auf eine Erzählung hofft, in der Solnit ihren Weg hin zum Feminismus beschreibt, wird auf den ersten Blick enttäuscht. Die Autorin streift in Gedanken durch ihre erste eigene Wohnung, schildert Anekdoten und Erfahrungen, die nichts mit Feminismus zu tun haben. Jedenfalls nicht auf den ersten Blick. Nach mehreren Kapiteln merkt man: Hier spiegelt die Form den Inhalt. Wer sich als Frau durch die Welt bewegt, muss zwangsläufig Umwege nehmen. Entweder im übertragenen Sinn, weil männlich dominierte Machtstrukturen das berufliche Fortkommen immer noch erschweren. Oder ganz direkt, wenn man durch die Stadt geht, gerade nachts, gerade allein.

Solnit schont ihre Leser nicht. In nüchternem Ton erzählt sie von Frauen, die von Bekannten und Unbekannten auf offener Straße verletzt, verschleppt, getötet werden - und davon, wie die Gewalt fortgeschrieben und reproduziert wird. "Mord beendet Lotterleben eines Playgirls" oder "Seemann wollte Liebe: Beatnik-Mädchen ermordet" sind nur einige der Überschriften, mit denen die Straftaten in den Medien aufgegriffen wurden. Solche Titel - und die dazugehörigen Artikel - präsentieren eine Sicht, die von Täter-Opfer-Umkehr geprägt ist: Wenn eine Frau feiert, trinkt und Sex hat, sich die Stadt zu jeder Tages- und Nachtzeit zu eigen machen möchte, sprich: der Welt begegnet wie ein Mann, müsse sie sich über Hass und Gewalt nicht wundern.

Anders als die Autoren jener Artikel interessiert Solnit sich nicht für die Mörder, Vergewaltiger und deren Motive. Sie lenkt den Blick vielmehr auf die strukturelle Ebene, auf ein gesellschaftliches System, "das ihnen freie Hand ließ, wegschaute, erotisierte, entschuldigte, ignorierte, abtat und trivialisierte". Anhand zahlreicher Beispiele zeigt Solnit: Permanent werden Frauen mit Szenarien konfrontiert, die ihre Misshandlung und Auslöschung behandeln; polemisch in den Boulevardmedien, kunstvoll in Ovids Metamorphosen oder Hitchcock-Filmen. Es scheint, als stimmten allerlei Kulturschaffende Edgar Allen Poes Ausspruch zu: "Der Tod einer schönen Frau ist wahrlich das poetischste Thema der Welt."

Präzise schildert Solnit das Dilemma zwischen Gesehen- und Nichtgesehen- werden. Feministinnen kämpfen seit Jahrhunderten darum, wahrgenommen zu werden, mit- und aufzumischen, um die herrschenden Verhältnisse zu ändern. Und doch, so scheint es, ist keine Sichtbarkeit manchmal besser als die falsche. In gewaltvollen Beziehungen oder allein unterwegs ist der Versuch, möglichst wenig Raum einzunehmen, oft der einzige Weg, sich sicher(er) zu fühlen. In jedem Fall aber steht der Frau ihr Körper allzu oft im Weg, ist Projektionsfläche für Hass und Lust, ist Pappkamerad und Allegorie. Ganz selten, so Solnit, lasse er ihr in einer männlich geprägten Gesellschaft Raum dafür, was sie wirklich sagen will.

Wie schön kann es da sein, den Körper einmal hinter sich zu lassen! Solnit schreibt, es sei ihre liebste "Form der Nichtexistenz", in Romane einzutauchen, die aus einer männlichen Perspektive geschrieben sind und in denen weibliche Charaktere höchstens eine marginale Rolle einnehmen. Auf diese Art könne sie sich von der "aufreibenden Aufgabe erholen, eine Frau zu sein", durch fremde Welten streifen, die sicherer scheinen als die Straßenzüge vor der eigenen Haustür. Was klingt wie blanker Zynismus, beschreibt Solnit tatsächlich als eine Art Ressource. Sich zumindest in Klassikern der Literaturgeschichte in andere Identitäten hineinzuversetzen trainierte bei Solnit eine Art von Empathie, wie sie die meisten heterosexuellen, weißen Männer nie erlernen mussten. Oder durften, würde sie vermutlich sagen. Denn auch wenn Solnit in ihrem Buch oft persönliche Kämpfe und die einsamen Aspekte von Weiblichkeit hervorhebt, verknüpft sie diese Beobachtungen immer wieder mit dem Appell, Bündnisse zu schmieden, zu protestieren. In ihrem Fall heißt das: mit Afroamerikanern, für die jede Polizeikontrolle tödlich enden könnte, mit ihren Freunden in der LGBT-Community, die der Staat während der AIDS-Epidemie im Stich ließ, mit Indigenen, für die der Klimawandel heute schon die Zerstörung ihrer Lebensgrundlage bedeutet. Es heißt auch: gegen Unrecht anschreiben, sprechen, weitergehen, wenn auch mit Umwegen. Das tut sie so klug und zugänglich, dass man lesend gern ein Stück mitkommt.

SUSANNE ROMANOWSKI

Rebecca Solnit: "Unziemliches Verhalten. Wie ich Feministin wurde". Aus dem Englischen von Kathrin Razum. Verlag Hoffmann & Campe, 272 Seiten, 23 Euro

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Perlentaucher-Notiz zur FAS-Rezension

Rezensentin Susanne Romanowski warnt vor starkem Tobak in Rebecca Solnit scheinbar beiläufigen Anekdoten und Erfahrungsberichten. Dahinter verbirgt sich eine durchaus glasklare feministische Sicht auf männlich dominierte Machtstrukturen und Gewalt gegen Frauen, handfeste wie medial reproduzierte. Dass Solnit sich für die Opfer interessiert und für die strukturelle Ebene, findet Romanowski sinnvoll. Für die Rezensentin ein "kluger und zugänglicher" Aufruf zum Protest.

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»Solnits Beobachtungen stehen meistens nicht einfach so für sich. Im Kleinen erzählt sie gerne etwas Größeres.« Elena Witzeck FAZ 20200902