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Der Kommunismus des 20. Jahrhunderts ist Geschichte geworden. Gerd Koenen zeigt, daß das kommunistische Experiment auf den reaktionär-utopischen Versuch hinauslief, von einem einzigen Zentrum her Staat, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur einer totalen "Säuberung" und Umwandlung zu unterwerfen. Dieses Projekt war in seiner Radikalität ohne Beispiel. Es mußte scheitern. Aber worin lag seine jahrzehntelange Attraktivität und Dynamik, und was waren seine realen historischen Wurzeln und Bedingungen?

Produktbeschreibung
Der Kommunismus des 20. Jahrhunderts ist Geschichte geworden. Gerd Koenen zeigt, daß das kommunistische Experiment auf den reaktionär-utopischen Versuch hinauslief, von einem einzigen Zentrum her Staat, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur einer totalen "Säuberung" und Umwandlung zu unterwerfen. Dieses Projekt war in seiner Radikalität ohne Beispiel. Es mußte scheitern. Aber worin lag seine jahrzehntelange Attraktivität und Dynamik, und was waren seine realen historischen Wurzeln und Bedingungen?
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.09.2010

Verortet
Kommunismusfolgen

Was war der Kommunismus? Niemand weiß es genau. Denn die kommunistischen Regime und kommunistischen Bewegungen waren so verschieden wie die Länder und Kulturen, aus denen sie sich hervorbrachten. Deshalb schlägt Gerd Koenen vor, man solle den Kommunismus als ideen- und ortsgebundene Erscheinung historisieren und nicht - wie es immer wieder geschieht - als Verwirklichung einer universalen Idee verstehen. Diesem Vorschlag folgt auch seine eigene Darstellung, die den Kommunismus als Idee und Praxis an den historischen Ort bindet. So war der bolschewistische Kommunismus ein Versuch, über dessen Möglichkeiten man mehr erfährt, wenn man ihn in seinem russischen Kontext zu verstehen versucht. Und auch das maoistische Experiment, dem Millionen Menschen zum Opfer fielen, war nicht einfach nur ein Reflex der Ideen, die einst aus Europa nach China gekommen waren. Es müsse, sagt Koenen, auch als ein Projekt der Nations- und Staatswerdung in einem Bauernland verstanden werden, das an der emanzipatorischen Kraft des Marxismus nur wenig Gefallen fand. Im Westen Europas wurde das kommunistische Projekt in den sechziger und siebziger Jahren von den studentischen Protestbewegungen aufgegriffen, die zwar das Establishment herausforderten, sich von den konservativen kommunistischen Staatsparteien in Osteuropa aber nicht mehr angesprochen fühlten.

Die kommunistischen Regime in Osteuropa und in China zerfielen, so Koenen, weil sie auf die Herausforderung des Wohlstandes, den es in den kapitalistischen Ländern des Westens gab, keine zufriedenstellenden Antworten zu geben hatten. Mao musste erst sterben, damit sich das Modernisierungspotential Chinas überhaupt erst entfalten konnte. Deshalb - und für diesen Hinweis muss man dem Autor dankbar sein - ist die Behauptung des britischen Historikers Eric Hobsbawm, es sei die Herausforderung des Kommunismus gewesen, die den Kapitalismus eingehegt und sein Überleben gesichert habe, Unfug. Es waren im Gegenteil die kommunistischen Regime, die in den sechziger und siebziger Jahren vergeblich versuchten, eine Antwort auf die überlegene Ordnung des Kapitalismus zu finden. Die Historisierung des Kommunismus, die Koenen in seinem klugen und schön geschriebenen Essay den Historikern empfiehlt, hat jedoch einen Preis. Sie bringt den Kommunismus zum Verschwinden. Durch eine Historisierung des Geschehens lässt sich die Frage, was der Kommunismus als Weltbewegung war, offensichtlich nicht beantworten, weil sie nur noch auf Verschiedenes, aber nicht mehr auf Verbindendes hinweist. Deshalb müsste eine Geschichte, die den Kommunismus als kulturelle Praxis von Millionen beschreibt, nach Gemeinsamkeiten, nicht aber nach Unterschieden suchen.

JÖRG BABEROWSKI

Gerd Koenen: Was war der Kommunismus? Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2010. 143 S., 12,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.07.2010

Der Kommunismus
ist tot
Gerd Koenen seziert die Leiche,
vom Kapitalismus redet er nicht
Die Kommunistischen Bewegungen, Gesellschaften und Staaten, ihre Dynamik und ihr rascher Zerfall: eines der großen Themen des 20. Jahrhunderts.“ So wird auf der Rückseite des schmalen Bändchens angekündigt, was Gerd Koenen auf 127 instruktiven Seiten komprimiert hat. Dabei spürt man, wie viel er von dem, was er weiß, weggelassen hat: Er wollte eine Art Summa schreiben.
Für Jüngere, die nach 1990 anfingen, Zeitung zu lesen, ist dies ein hilfreiches Buch. Es stimmt schon, dass die „berufsrevolutionären Entrepreneurs“ um Lenin wenig zu tun hatten mit der europäischen Arbeiterbewegung, ihren Gewerkschaften, Arbeiterbildungsvereinen und Konsumgenossenschaften. Es stimmt wohl auch, dass dieser winzige Zirkel von Revolutionären aus dem Untergrund ohne die Urkatastrophe des Ersten Weltkriegs eine Randerscheinung der russischen Geschichte geblieben wäre. Dass Koenen vor allem die düsteren Seiten zeigt, die brutale Rücksichtslosigkeit, mit der die Berufsrevolutionäre ihren geheiligten Zweck verfolgten, die unzähligen Opfer, die sie ungerührt in Kauf nahmen, auch wenn der Terror schließlich nirgendwo gründlicher aufräumte als unter den Revolutionären selbst – all das gehört nun einmal zur Geschichte des Kommunismus.
Für Ältere, die vier Jahrzehnte ihres Lebens im Kalten Krieg verbrachten, in dem der Antikommunismus fast zur Staatsreligion wurde, ist da nicht viel Neues. Wenn sie politische Menschen sind, fragen sie sich, was Koenen zu diesem Büchlein motiviert haben könnte. Er ist doch kein Besserwisser, dem es darum geht, das ultimative, ganz und gar richtige Bild des Kommunismus zu entwerfen? Er will uns doch wohl sagen, wie wir heute und in Zukunft am besten mit einer der bestimmenden Kräfte des 20. Jahrhunderts umgehen können und wohl auch sollen?
„Der Kommunismus gehört der Vergangenheit an, die Frage des Kommunismus jedoch bleibt zentral für unsere Zeit“, zitiert er Claude Lefort. Und er legt nach: „Nichts ist erledigt, nichts ist gelöst.“ Schließlich leben wir nun alle im „Weltinnenraum des Kapitals“. Und das wird doch nicht das Ende der Geschichte sein.
Ist der Kommunismus tot? Oder nur scheintot? Koenen beobachtet genau: „Dem Zeuskopf der Kommunistischen Parteien“ seien die gegensätzlichsten Tendenzen entsprungen: „linke oder rechte Sozialdemokraten, ideologiefreie Autokraten oder Technokraten, neugetaufte Liberale oder bekennende Nationalkonservative, manische Chauvinisten und schäumende Antisemiten …, Fundamentalisten jeder Konfession und Nation, Pazifisten oder Terroristen“. Nur „kommunistische Parteien und Kader alten Schlages gibt es so gut wie keine mehr“.
So what? Und weiter?
Wenn das stimmt – und es stimmt –, so what? Wie lautet „die Frage des Kommunismus für unsere Zeit“? Bis zum Schluss definierten Kommunisten ihre Ziele so: Nur wo die wichtigsten Produktionsmittel sozialisiert sind und die Diktatur des Proletariats – durch die Partei des Proletariats – erkämpft ist, wird Fortschritt hin zur klassenlosen Gesellschaft möglich. Wer glaubt dies heute noch?
Es stimmt: „Nichts ist erledigt, nichts ist gelöst.“ Wir haben es wieder mit einem Kapitalismus zu tun, der eher dem von 1890 als dem von 1970 ähnelt. Das kann nicht so bleiben, er wird es auch nicht. Aber der Kommunismus, den Koenen kompetent und prägnant schildert, ist tot und kommt nicht wieder. Der Antikommunismus hat ihn überlebt. Irgendwann stirbt auch er. ERHARD EPPLER
GERD KOENEN: Was war der Kommunismus? Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2010. 143 Seiten, 12,90 Euro.
Erhard Eppler war von 1970 bis 1991 Mitglied des Bundesvorstands der SPD. Von 1968 bis 1974 war er Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit.
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