Kluge Ideen in verständlicher Sprache
Da staunt ihr deutschen Professoren! Ein Niederländer, 1988 geboren, zeigt, dass ein Sachbuch keine Fachsprache benötigt. Gut verständlich beschreibt der Autor, dass der Kapitalismus uns immer reicher gemacht hat. Selbst in Afrika ist die Lebenserwartung
heute höher als in Europa um 1800. Auch die Zahl der Kriege und die Gefahr Opfer eines Verbrechens zu…mehrKluge Ideen in verständlicher Sprache
Da staunt ihr deutschen Professoren! Ein Niederländer, 1988 geboren, zeigt, dass ein Sachbuch keine Fachsprache benötigt. Gut verständlich beschreibt der Autor, dass der Kapitalismus uns immer reicher gemacht hat. Selbst in Afrika ist die Lebenserwartung heute höher als in Europa um 1800. Auch die Zahl der Kriege und die Gefahr Opfer eines Verbrechens zu werden nimmt prozentual ab (wobei der Autor nicht auf die gestiegene Weltbevölkerung eingeht).
Dank dieses Reichtums gebe es genug Geld für ein Grundeinkommen. Der Autor führt Beispiele aus den USA an, wo Präsident Nixon dieses in den 60er Jahren fast eingeführt hätte. Auch in Kanada und im englischen Speenhamland gab es schon im 20.Jahrhundert Modellversuche, die aber falsch ausgewertet wurden.
Zur Bekämpfung von Kinderarmut sei es am besten, den Familien einfach mehr Geld zu geben. Armut macht nämlich dümmer. Auch gegen Obdachlosigkeit würde mehr Geld am besten helfen. Unser Reichtum ist immer ungleicher verteilt (das hat aber schon Piketty gezeigt).
Unsere Gesellschaft beruht auf der „falsche[n] Vorstellung, die wir vor 40 Jahren beinahe überwunden hätten: auf den Trugschluss, ein Leben ohne Armut sei kein Recht, auf das alle Menschen Anspruch hätten, sondern ein Privileg, für das man arbeiten müsse.“ (S.100)
Überhaupt scheint es schwierig, wie man den Fortschritt ermitteln kann. Die wichtigsten Indikatoren BSP und BIP messen nämlich nicht den Wohlstand. Eigentlich müssten wir weniger arbeiten, dank unserem Wohlstand, aber eine 15-Studen-Woche scheitert am wachsenden Konsum, der uns eingeredet wird. Z.B. die Banken: „Anstatt Wohlstand zu schaffen, dienen diese Tätigkeiten im Wesentlichen dazu ihn zu verschieben.“ (S.155) Der Autor folgert zurecht: „Wenn wir wollen, dass in diesem Jahrhundert alle Menschen reicher werden, müssen wir das Dogma über Bord werfen, jede Arbeit sei sinnvoll.“ (S.171)
Natürlich verändert auch der Computer und die Digitalisierung die Arbeitswelt. Gut gefallen hat mir folgender Witz: „Auf die Frage, welche Strategie er in einer Partie gegen einen Computer verfolgen würde, antwortete [der niederländische Großmeister Hein Donner] ohne zu zögern: "Ich würde einen Hammer mitnehmen." (S.195) Ein PC braucht 30 Jahre bis sich seine Wirkung voll entfaltet. Deswegen wird die Wirkung der Digitalisierung heute noch unterschätzt.
Ein wenig zu einfach fand ich das Kapitel über die offenen Grenzen. „Offene Grenzen würden Wohlstand verdoppeln“ meint der Autor und versucht auf 30 Seiten das Flüchtlingsproblem zu lösen, für das z.B. Boris Palmer ein ganzes Buch gebraucht hat.
Im Nachwort gefällt mir der Gedanke, dass Krise ein entscheidender Augenblick ist und von griechisch trennen, scheiden kommt. Auf die Gegenwart passt besser das Wort Koma, was so viel wie tiefer traumloser Schlaf bedeutet.
Ein sehr gut zu lesendes Buch, was manchmal etwas zu stark vereinfacht. Daher 4 Sterne.