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Uwe Johnson, aufgebrochen aus einer deutschen Provinz, der man chronisches Zuspätkommen nachsagt, heimisch in der "Gruppe 47", zu Hause in den Metropolen Berlins und New York, war weltläufig wie kaum einer seiner Zunft. Nach seinen ersten drei Romanen zum "Dichter der deutschen Teilung" erklärt, strafte er das Klischee Lügen durch die monumentalen "Jahrestage": Die Saga der Familie Cresspahl gibt Auskunft über Verrat, Schuld und Vertreibung in fünfzig Jahren deutscher Geschichte, über den Eingriff der Politik in jedes Leben und den Zustand Gesamtdeutschlands vor der Einigung.

Produktbeschreibung
Uwe Johnson, aufgebrochen aus einer deutschen Provinz, der man chronisches Zuspätkommen nachsagt, heimisch in der "Gruppe 47", zu Hause in den Metropolen Berlins und New York, war weltläufig wie kaum einer seiner Zunft. Nach seinen ersten drei Romanen zum "Dichter der deutschen Teilung" erklärt, strafte er das Klischee Lügen durch die monumentalen "Jahrestage": Die Saga der Familie Cresspahl gibt Auskunft über Verrat, Schuld und Vertreibung in fünfzig Jahren deutscher Geschichte, über den Eingriff der Politik in jedes Leben und den Zustand Gesamtdeutschlands vor der Einigung.
Autorenporträt
Jürgen Grambow, geb. 1941 in Rostock. Zeitungs- und Verlagsarbeit bis 1988, Tätigkeit am Zentralinstitut für Literaturgeschichte zu Berlin bis zur Abwicklung der Akademie der Wissenschaften, danach wissenschaftlicher Mitarbeiter am "Pommerschen Wörterbuch", Greifswald. Promotion 1991 in Bremen. Im Schriftstellerverband seit 1986, 1993 in den P.E.N. gewählt. Johannes-Gillhoff-Preis 1994 für Herausgaben und kritische Begleitung niederdeutscher Texte. Jürgen Grambow starb 2004 in Altefähr/Rügen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.01.1998

Die Pflaume beim Völkerball
Wie Uwe Johnson einmal Handke verfehlte: Jürgen Grambow erzählt

Eine der üblichen Rowohlt-Monographien über einen Schriftsteller wie Uwe Johnson zu schreiben dürfte derzeit schwer und leicht zugleich sein: leicht, weil sich viel Schiefes und Überflüssiges, das die Mammutbiographie Bernd Neumanns von 1994 so anfechtbar macht, absehbar vermeiden läßt; schwer freilich, weil Gewißheiten über den großen Schweiger Johnson schwer zu haben und noch weniger herzustellen sind. Der Mutmaßungsstilist wird deshalb immer auch ein Objekt von Mutmaßungen bleiben; denn Johnson hat über Privates so gut wie nichts außer in literarischer Transformation hinterlassen.

Das läßt auch Jürgen Grambows kleines Buch in vielen Sätzen spüren, ja, es macht aus dem Biographen ein Erzählerchen, das Sätze hinschreibt wie: "Der Junge muß ein stilles, sich selbst genügendes Kind gewesen sein; ein Klassenkamerad aus Grundschuljahren bezeichnete ihn noch mehr als vierzig Jahre später gesprächsweise als ,Pflaume', die sich beim Völkerball frühzeitig abwerfen und an den Spielfeldrand verbannen ließ." Von ähnlicher Erkenntniskraft ist der Satz: "1940 wurde den Johnsons eine Tochter, Elke, geboren; schon dadurch war der Sohn nicht mehr Mittelpunkt." Peinlicher schon die Mitteilung, daß Johnson 1974 aus Berlin nach Sheerness-on-Sea in der Themsemündung auch deshalb umzog, weil "Berlin geballte Öffentlichkeit (war), nicht gut für das Ansehen eines mittlerweile Alkoholkranken". Es sind Sätze, die nicht das Büchlein, aber einen Strang seiner Darstellungsart bezeichnen.

Ein anderer Strang ist die erheblich ausschweifende Darstellung von Hintergrundgeschichte. Das führt zu ausführlichen Erörterungen der DDR-Geschichte, auch wenn sie, liest man genauer, einem immer ungenauer, vager vorkommt; zu Tiefenbohrungen bis ins Jahr 1160, da nämlich ruhte die Herkunftsregion Johnsons, "Mecklenburg, . . . von einem Herrschergeschlecht regiert, wenn auch ärmlich, autark in festen Grenzen"; und zu vielen Ausstattungen mit eher randständigem Wissen, das oft merkwürdig interpretiert wird.

So wird an einer Stelle die "allwissende Erzählsituation" dem "Sendungsbewußtsein der Emigranten" zugeschrieben, weil die sich bei ihrer Rückkehr nach Deutschland "als Erzieher einer verführten Nation begriffen" - wohingegen die Position "des ratlos Fragenden" einen Erzähler ausmache, "der nicht klüger sein will als seine Lehrer".

Zuweilen etwas zu geschwätzig, weil zu selbstverliebt ins Eigene, deckt Grambow Johnson und sein Werk mit Stoffresten seines nicht immer gewissen Wissens zu und mutmaßt sich wörtlichkeitsgläubig ins spekulative Abseits, nur um den Popanz, den er da aufbaut, wieder abreißen zu können - ein Nullsummenspiel: "Die Gruppenschelte, die ein Tagesneuling, Peter Handke, (bei der Tagung der Gruppe 47) in Princeton wegen vermeintlicher Beschreibungsimpotenz an die mittlere deutsche Autorengeneration richtete, hätte Johnson sehr wohl wegen der ,Beschreibung einer Beschreibung' auf sich beziehen können, aber dies berührte ihn" nicht; denn er war in New York "mit Behördengängen und Wohnungssuche befaßt".

Allerlei solches, das die Monographie durchzieht, lädt nicht dazu ein, dem Monographen in anderem sonderlich zu vertrauen. Zumal eben der sich brüstende Stil dieses Bändchens einen literarischen Ehrgeiz verrät, der besser einer mehr auf Objektivität zielenden Durchleuchtung des Gegenstandes gegolten hätte. Vielleicht wird dieses zum Vagen neigende, sich seinem Gegenstand falsch assimilierende Darstellungsverfahren aber eben auch nur durch die Schwierigkeit verursacht, die derzeit die Beschäftigung mit Werk und Person Uwe Johnsons ausmacht.

In diesem Fall ist das besonders schade, weil Grambows Monographie, gerade aus der Perspektive des in der DDR aufgewachsenen Lesers und Literaturwissenschaftlers, diesen großen Schriftsteller des gesamten Deutschlands (den Begriff "Autor des geteilten Deutschlands" lehnte Johnson für sich ab) aus einer Perspektive hätte darstellen können, die interessant und auf neue Weise aufschlußreich gewesen wäre. HEINZ LUDWIG ARNOLD

Jürgen Grambow: "Uwe Johnson". Rowohlt Verlag, Reinbek 1997. 160 S., br., 12,90 DM.

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