Welcher Vater willst du sein?
Viele Väter wollen heute nicht mehr nur finanzielle Verantwortung übernehmen, sondern Familie und Erziehung gleichberechtigt leben. Doch in vielen Köpfen stecken alte Rollen! Auch wenn sich Paare Fairness im Familienleben wünschen: Die meisten geraten schnell in traditionelles Fahrwasser - zum Leidwesen der Mütter, der Beziehung, der Kinder und der Männer selbst.
Journalist, Vater und Elternblogger Fabian Soethof kennt die Widersprüche, Erwartungen und Fragen seiner Generation: Was macht einen guten Vater aus? Wie schafft man Familie, ohne sich beruflich zu zerreißen? Und warum ist »gleichberechtigt« im Alltag so schwer? Mit scharfem Blick, viel Humor und im Austausch mit Expert_innen zeigt er, was Vätern (noch) im Wege steht. Eine Inspiration für Männer, Gewohntes in Frage zu stellen und herauszufinden, welche Väter sie selbst sein möchten.
Viele Väter wollen heute nicht mehr nur finanzielle Verantwortung übernehmen, sondern Familie und Erziehung gleichberechtigt leben. Doch in vielen Köpfen stecken alte Rollen! Auch wenn sich Paare Fairness im Familienleben wünschen: Die meisten geraten schnell in traditionelles Fahrwasser - zum Leidwesen der Mütter, der Beziehung, der Kinder und der Männer selbst.
Journalist, Vater und Elternblogger Fabian Soethof kennt die Widersprüche, Erwartungen und Fragen seiner Generation: Was macht einen guten Vater aus? Wie schafft man Familie, ohne sich beruflich zu zerreißen? Und warum ist »gleichberechtigt« im Alltag so schwer? Mit scharfem Blick, viel Humor und im Austausch mit Expert_innen zeigt er, was Vätern (noch) im Wege steht. Eine Inspiration für Männer, Gewohntes in Frage zu stellen und herauszufinden, welche Väter sie selbst sein möchten.
»Dieses Buch ist ein Anstoß für Väter, Elternschaft ernsthaft 50/50 anzugehen - und herauszufinden, was sie bislang daran hindert.« Inke Hummel, Pädagogin, Elterncoachin und Autorin
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.04.2022Wenn Väter es ernst meinen mit der Vereinbarkeit, gibt es nur eins: Verzichten. Auf Karriere, Geld.
Von Philipp Krohn
Als vor etwa 15 Jahren die "neuen Väter" erfunden wurden, räumten ihnen Magazine und Zeitungen viel Platz ein. Diese bärtigen und doch sensiblen, starken und doch einfühlsamen, hippen und doch liebevollen Männer um die dreißig waren so etwas wie die Kinder einer Revolution. Eine wichtige Weichenstellung dieser Entwicklung, eine juristische Blaupause der Utopie sozusagen, war das Elterngeld, ausgerufen von Renate Schmidt, ausgeführt von Ursula von der Leyen, also den ehemaligen Familienministerinnen von SPD und CDU. Die beiden hatten dafür gesorgt, dass seit 2007 nach der Geburt eines Kindes bis zu 14 Monate lang ein einkommensabhängiger Sozialtransfer gezahlt wird, wenn beide Partner eine Auszeit nehmen.
Natürlich gab es auch vor den "neuen" längst auch bereits "alte Väter", die sich die Familienarbeit mit ihren Partnerinnen teilten. Die zurücksteckten, damit diese beruflich vorankamen und die vom Wickeln bis zum Pastinakenbrei ein breites Repertoire an Elternaufgaben beherrschten. Doch morgens um elf auf dem Spielplatz hatte man diese Vorgänger selten getroffen. Auch wenn der Anteil der Väter mit mehr als zwei Elterngeldmonaten anfangs gering war, erlebten bald immer mehr diesen Teil der Familienarbeit. Die Bilderstrecken in Magazinen verbreiteten den Eindruck, hier gehe es um eine Generationenerfahrung. Babyschwimmkurse als Gegenstand von Kneipengesprächen, Internetforen über die beste Fortbewegung mit Babys. Ja, daran war schon etwas neu.
Und natürlich waren Regale der Buchhandlungen voll von Selbsterfahrungsberichten der "neuen Väter". Als hätten sie mit dem Fahrrad die Sahara durchquert oder beim Tauchgang das letzte Exemplar des legendären Glaskopffischs beobachtet. Was dabei selten erwähnt wurde: dass das Elterngeld zwar (bei richtiger Anwendung) mehr Gerechtigkeit in eine Partnerschaft bringen konnte, aber auch eine Umverteilung von unten nach oben bedeutete, dass sich nämlich Geringverdiener all die schönen Elterngeldreisen der oberen Mittelschicht gar nicht leisten können, weil es einkommensabhängig gezahlt wird. Auch dass es für einen Trend, der in der Gesellschaft latent ohnehin schon vorhanden war, viel Steuergeld kostete, kam nur am Rand zur Sprache. Und: dass der echte Beweis, ob gleichberechtigtere Beziehungen auf dem Arbeitsmarkt zu gleichberechtigteren Karrieren führen würden, noch nicht erbracht ist.
Die Kinder der ersten "neuen Väter" lösen sich inzwischen aus der Abhängigkeit von ihren Eltern: ein guter Moment für ein zerknirschtes, etwas verkatertes Zugeständnis, dass so ganz "neu" und "revolutionär" die Familienarbeit längst noch nicht aufgeteilt wird. Warum wechseln immer noch so wenige Männer in Teilzeit? Warum sammelt sich bei Müttern viel mehr Mental Load an als bei ihren Partnern? Wie intensiv reflektieren Väter ihre Rollen, wenn sie nach der Babypause wieder im beruflichen Alltag ankommen? Um Gleichberechtigung zu erreichen - und das heißt gleiche Chancen auf Verantwortung in Politik, Wirtschaft und Gesundheitswesen, eine als fair empfundene Aufteilung von Care-Arbeit, ein Abbau von Privilegien und Diskriminierung -, bedarf es mehr als einigermaßen glatt laufende Monate nach der Geburt, die das Elterngeld erleichtert hat. Es geht um den Alltag - in der Küche wie im Büro.
Diesen weiter bestehenden Widersprüchen haben sich jetzt zwei Journalisten gewidmet. "Väter können das auch!" von Fabian Soethof und "Wir schlechten guten Väter" von Tobias Moorstedt machen schon in ihren Titeln deutlich, dass es sich nicht um blauäugige Erfahrungsberichte des ersten Jahrs mit Kind, wie vor gut zehn Jahren üblich, handelt, sondern um selbstkritische Nabelschauen, inwieweit "neue Väter" wirklich Neuerung gebracht haben. "Frauen sollen nicht länger die Betroffenen sein. Dafür müssen auch Männer ihre Elternschaft mit- und überdenken", schreibt etwa Soethof, der für den "Musikexpress" arbeitet und eine bekannte Figur in der Debatte über die Vereinbarkeit ist. Damit die Gleichberechtigung vorankomme, brauche es eine private, gesellschaftliche und politische - und man ist geneigt hinzuzufügen: betriebswirtschaftliche - Veränderung von Familie, Arbeit, Vereinbarkeit und Rollenbildern.
Moorstedt derweil, der als freier Journalist für die "Süddeutsche Zeitung", "GQ" und Arte arbeitet, beschreibt die Ambivalenz der gesellschaftlichen Realität so: In vielen Partnerschaften übernehmen Männer aus unterschiedlichsten Gründen schon jetzt die Hälfte oder sogar mehr der Familienarbeit - auch wenn sie immer noch eine Minderheit sind. "Gleichzeitig ist der Übergang vom Alleinverdiener- zum Doppelverdienermodell, vom absenten zum präsenten Vater in Deutschland noch lange nicht abgeschlossen, sondern in vollem Gange. Das führt zu Widersprüchen und Paradoxien und merkwürdigen Rückkopplungsschleifen."
Die Veröffentlichung der beiden Bücher kommt auch deshalb zu einem interessanten Zeitpunkt, weil mit Anne Spiegel gerade die zweite Bundesfamilienministerin innerhalb eines Jahres nach einem Skandal zurückgetreten ist. In ihrem als bizarr wahrgenommenen Statement am Tag vor ihrem Rücktritt berief sich die Grünen-Politikerin auf das Thema Vereinbarkeit. Doch als Beispiel dafür, dass Familie und Berufspolitik unmöglich sind, überzeugte sie viele nicht. Einen vierwöchigen Urlaub im vergangenen Sommer habe die Familie dringend nötig gehabt, argumentierte sie. Doch die Flutkatastrophe im Ahrtal, die das von ihr kommissarisch geleitete Umweltministerium nicht ausreichend antizipiert hatte, kam dazwischen. Gestolpert ist Spiegel schließlich, weil sie fälschlicherweise auf Medienanfragen angab, während ihres Urlaubs an Kabinettssitzungen zur Flut teilgenommen zu haben. Zudem war Spiegels Ämterhäufung ausgerechnet in die Zeit nach der Erkrankung ihres Mannes gefallen, die sie in ihrer Erklärung öffentlich machte.
An dieser Stelle ist es vielleicht passend, zwei Begriffe einzuführen, die zwei verschiedene Haltungen im Umgang mit dem Thema Gleichberechtigung beschreiben - Verzicht und Optimierung. Mit Optimierung versuchen viele Mütter und Väter, die drei Sphären ihres Lebens unter einen Hut zu bekommen. Familie, Beruf und Selbstfürsorge: Es scheint unmöglich, in allen drei Dimensionen das Maximum herauszuholen. Beruflicher Erfolg setzt voraus, viel Zeit zu investieren. Viele Eltern erleben aber die Rückkehr nach Hause als den Beginn der wahren Arbeit. Wenn dann noch ein Hobby oder Ehrenamt in den Alltag passen sollen, geht das nur auf Kosten der anderen Dimensionen. Sonst brauchten Eltern 300 Prozent an Kraft. Viele streben aber zumindest ein Optimum an. Sie strecken sich permanent und übertreten Grenzen. So muss es Anne Spiegel mit genesenem Partner und Kindern im Lockdown ergangen sein.
Das erinnert an unseren inkonsequenten Umgang mit der Nachhaltigkeit. Wir sind uns bewusst, dass wir mit unserem Konsumverhalten Grenzen überschreiten. Theoretisch haben wir Auto, Flugzeug und ungedämmte Wände als wichtige Verursacher des Klimawandels identifiziert. Aber statt unser Verhalten umzusteuern und auf Dinge zu verzichten, verschaffen wir uns Genugtuung im Supermarkt, indem wir Produkte kaufen, die als ökologisch gekennzeichnet sind. Statt uns auf weniger einzustellen, kleben wir Etiketten darauf. Nachhaltig. Biodynamisch. Neue Väter?
Hohe Ansprüche sind ein Grund dafür, dass die Vereinbarkeit als Ziel schleichend aufgegeben wird, obwohl sich das der Typus des "neuen Vaters" in Zeiten des Aufbruchs anders gedacht haben wird. Konsumwünsche erzeugen Druck. Setzen sie einen Karriereschritt voraus, scheint mehr Familienarbeit für die Partnerin vertretbar. Der Moment der Wahrheit ist nicht die Bitte an den Vorgesetzten, vier Monate Auszeit nehmen zu dürfen. Wer schlägt das Angebot zum nächsten Karriereschritt aus, weil es nicht zum Familienmodell passt - um dann womöglich für immer auf dem Abstellgleis zu stehen?
Eine Gegenstrategie dazu wäre Verzicht - ein Alternativkonzept, das sowohl Vereinbarkeit ermöglicht als auch tatsächlich der Umwelt dient. Nicht eine Ausweitung des nur vermeintlich nachhaltigen Konsums bringt uns weiter, nicht drei Flugreisen im Jahr und das Haus im Grünen. Manchmal ist weniger mehr. Die Soziologin Jutta Allmendinger schlägt 32 Arbeitswochenstunden für Väter und Mütter vor. Im Schnitt müssen Väter verzichten, wenn Frauen etwas mehr bekommen sollen. Ein Nullsummenspiel. Und wenn Arbeitgeber nicht wollen, dass sich ihre Mitarbeiter total aufreiben, dann dürfte Führen in Teilzeit für sie und für die Gesellschaft ein guter Deal sein.
Dass nicht immer Gutes herauskommt, wenn überwiegend Kinderlose führen, hat sich im ersten Jahr der Corona-Pandemie gezeigt, als im Bundeskabinett vor allem Politiker ohne Kinder über das Wohl von Familien entschieden, die neben den ohnehin schon schwer zu vereinbarenden drei genannten Dimensionen (Familie, Beruf, Selbstfürsorge) auch noch die Dimension Schule berücksichtigen mussten. Was für eine gesellschaftliche Leistung!
Das Ehrliche an den beiden Väter-Büchern von Tobias Moorstedt und Fabian Soethof ist, dass sie nicht nur das System oder die Umstände für die noch nicht erreichte Gleichberechtigung verantwortlich machen. Dass Mütter selbst in Beziehungen mit einer gleichgewichtigeren Aufgabenverteilung mehr Mental Load ansammeln, habe auch viel mit den Vätern und den Rollen, die sie einnehmen, zu tun, schreibt Soethof: "Die gesellschaftlichen Erwartungen an Väter sind, was die Care-Arbeit betrifft, so viel geringer als die an Mütter. Sie müssen dringend überholt werden."
In einem Kapitel testet er sein über Jahre gewachsenes Selbstverständnis als aktiver Vater an einem befreundeten Vollzeitarbeitnehmer. Sein Vorschlag, für mehr Glück auf ein bisschen Geld zu verzichten, um sich stärker den Kindern widmen zu können, wird abgetan. Für Soethof der erste Schritt in Richtung finanzieller Abhängigkeit der Partnerin.
Moorstedts Ehrlichkeit ist schon an seinen sechs Kapitelüberschriften abzulesen, die jeweils eine gängige Väter-Lüge ausdrücken: "Ich mache ja schon mehr als alle anderen", "Sie kann das einfach viel besser als ich", "Ich habe es nicht besser gelernt", "Sie lässt mich ja nicht", "Wir haben das doch gemeinsam so entschieden" und "Ich kann mir das einfach nicht leisten". Es geht ihm um: "eine Welt, in der weder Frauen noch Männer von inneren und äußeren Erwartungen in eine Rolle gepresst werden und die ihren Wünschen und Bedürfnissen entspricht". Soethof wünscht sich für seine Söhne, dass sie verinnerlichen, dass Geschlechterrollen nicht pauschal und unumstößlich sind.
Von der Autorin Patricia Cammarata, die durch ihre Belastung als Mutter und Berufstätige das Konzept des Mental Load entdeckt und hierzulande bekannt gemacht hat, stammt der schöne Satz: "Ein hinreichend guter Vater/eine hinreichend gute Mutter ist man, wenn man da ist, wenn man präsent ist, wenn man eine Stütze ist, wenn man einen Hafen bietet und im Notfall ein verlässlicher Kämpfer an der Seite des Kindes ist."
Wie das gelingt? Mein eigener Versuch, in den sozialen Medien am freien Nachmittag der Woche regelmäßig für Teilzeit zu werben, scheitert daran, dass man eben nicht immer Schlittschuhlaufen geht und mit schönen Bildern andere Väter erreicht. Wenn es mal vorkommt, ist das ein großes Geschenk. Manchmal geht es aber einfach darum, den Alltag zu bewältigen, Kinder von A nach B zu fahren, zum Arzt zu bringen oder die 60 Aufgaben im schriftlichen Dividieren für die Klassenarbeit fertig zu machen. Ob aus dem "neuen Vater" 15 Jahre nach seiner Erfindung etwas geworden ist, zeigt sich nicht an den Bildern bärtiger Väter auf Lastenfahrrädern. Es zeigt sich über die lange Strecke.
Fabian Soethof, "Väter können das auch! Es ist Zeit, Familie endlich gleichberechtigt zu leben", Kösel-Verlag, 240 Seiten, 18 Euro; Tobias Moorstedt, "Wir schlechten guten Väter: Warum Männer sich erfolgreich gegen Familienarbeit wehren - und warum wir das dringend ändern müssen", DuMont, 224 Seiten, 22 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Von Philipp Krohn
Als vor etwa 15 Jahren die "neuen Väter" erfunden wurden, räumten ihnen Magazine und Zeitungen viel Platz ein. Diese bärtigen und doch sensiblen, starken und doch einfühlsamen, hippen und doch liebevollen Männer um die dreißig waren so etwas wie die Kinder einer Revolution. Eine wichtige Weichenstellung dieser Entwicklung, eine juristische Blaupause der Utopie sozusagen, war das Elterngeld, ausgerufen von Renate Schmidt, ausgeführt von Ursula von der Leyen, also den ehemaligen Familienministerinnen von SPD und CDU. Die beiden hatten dafür gesorgt, dass seit 2007 nach der Geburt eines Kindes bis zu 14 Monate lang ein einkommensabhängiger Sozialtransfer gezahlt wird, wenn beide Partner eine Auszeit nehmen.
Natürlich gab es auch vor den "neuen" längst auch bereits "alte Väter", die sich die Familienarbeit mit ihren Partnerinnen teilten. Die zurücksteckten, damit diese beruflich vorankamen und die vom Wickeln bis zum Pastinakenbrei ein breites Repertoire an Elternaufgaben beherrschten. Doch morgens um elf auf dem Spielplatz hatte man diese Vorgänger selten getroffen. Auch wenn der Anteil der Väter mit mehr als zwei Elterngeldmonaten anfangs gering war, erlebten bald immer mehr diesen Teil der Familienarbeit. Die Bilderstrecken in Magazinen verbreiteten den Eindruck, hier gehe es um eine Generationenerfahrung. Babyschwimmkurse als Gegenstand von Kneipengesprächen, Internetforen über die beste Fortbewegung mit Babys. Ja, daran war schon etwas neu.
Und natürlich waren Regale der Buchhandlungen voll von Selbsterfahrungsberichten der "neuen Väter". Als hätten sie mit dem Fahrrad die Sahara durchquert oder beim Tauchgang das letzte Exemplar des legendären Glaskopffischs beobachtet. Was dabei selten erwähnt wurde: dass das Elterngeld zwar (bei richtiger Anwendung) mehr Gerechtigkeit in eine Partnerschaft bringen konnte, aber auch eine Umverteilung von unten nach oben bedeutete, dass sich nämlich Geringverdiener all die schönen Elterngeldreisen der oberen Mittelschicht gar nicht leisten können, weil es einkommensabhängig gezahlt wird. Auch dass es für einen Trend, der in der Gesellschaft latent ohnehin schon vorhanden war, viel Steuergeld kostete, kam nur am Rand zur Sprache. Und: dass der echte Beweis, ob gleichberechtigtere Beziehungen auf dem Arbeitsmarkt zu gleichberechtigteren Karrieren führen würden, noch nicht erbracht ist.
Die Kinder der ersten "neuen Väter" lösen sich inzwischen aus der Abhängigkeit von ihren Eltern: ein guter Moment für ein zerknirschtes, etwas verkatertes Zugeständnis, dass so ganz "neu" und "revolutionär" die Familienarbeit längst noch nicht aufgeteilt wird. Warum wechseln immer noch so wenige Männer in Teilzeit? Warum sammelt sich bei Müttern viel mehr Mental Load an als bei ihren Partnern? Wie intensiv reflektieren Väter ihre Rollen, wenn sie nach der Babypause wieder im beruflichen Alltag ankommen? Um Gleichberechtigung zu erreichen - und das heißt gleiche Chancen auf Verantwortung in Politik, Wirtschaft und Gesundheitswesen, eine als fair empfundene Aufteilung von Care-Arbeit, ein Abbau von Privilegien und Diskriminierung -, bedarf es mehr als einigermaßen glatt laufende Monate nach der Geburt, die das Elterngeld erleichtert hat. Es geht um den Alltag - in der Küche wie im Büro.
Diesen weiter bestehenden Widersprüchen haben sich jetzt zwei Journalisten gewidmet. "Väter können das auch!" von Fabian Soethof und "Wir schlechten guten Väter" von Tobias Moorstedt machen schon in ihren Titeln deutlich, dass es sich nicht um blauäugige Erfahrungsberichte des ersten Jahrs mit Kind, wie vor gut zehn Jahren üblich, handelt, sondern um selbstkritische Nabelschauen, inwieweit "neue Väter" wirklich Neuerung gebracht haben. "Frauen sollen nicht länger die Betroffenen sein. Dafür müssen auch Männer ihre Elternschaft mit- und überdenken", schreibt etwa Soethof, der für den "Musikexpress" arbeitet und eine bekannte Figur in der Debatte über die Vereinbarkeit ist. Damit die Gleichberechtigung vorankomme, brauche es eine private, gesellschaftliche und politische - und man ist geneigt hinzuzufügen: betriebswirtschaftliche - Veränderung von Familie, Arbeit, Vereinbarkeit und Rollenbildern.
Moorstedt derweil, der als freier Journalist für die "Süddeutsche Zeitung", "GQ" und Arte arbeitet, beschreibt die Ambivalenz der gesellschaftlichen Realität so: In vielen Partnerschaften übernehmen Männer aus unterschiedlichsten Gründen schon jetzt die Hälfte oder sogar mehr der Familienarbeit - auch wenn sie immer noch eine Minderheit sind. "Gleichzeitig ist der Übergang vom Alleinverdiener- zum Doppelverdienermodell, vom absenten zum präsenten Vater in Deutschland noch lange nicht abgeschlossen, sondern in vollem Gange. Das führt zu Widersprüchen und Paradoxien und merkwürdigen Rückkopplungsschleifen."
Die Veröffentlichung der beiden Bücher kommt auch deshalb zu einem interessanten Zeitpunkt, weil mit Anne Spiegel gerade die zweite Bundesfamilienministerin innerhalb eines Jahres nach einem Skandal zurückgetreten ist. In ihrem als bizarr wahrgenommenen Statement am Tag vor ihrem Rücktritt berief sich die Grünen-Politikerin auf das Thema Vereinbarkeit. Doch als Beispiel dafür, dass Familie und Berufspolitik unmöglich sind, überzeugte sie viele nicht. Einen vierwöchigen Urlaub im vergangenen Sommer habe die Familie dringend nötig gehabt, argumentierte sie. Doch die Flutkatastrophe im Ahrtal, die das von ihr kommissarisch geleitete Umweltministerium nicht ausreichend antizipiert hatte, kam dazwischen. Gestolpert ist Spiegel schließlich, weil sie fälschlicherweise auf Medienanfragen angab, während ihres Urlaubs an Kabinettssitzungen zur Flut teilgenommen zu haben. Zudem war Spiegels Ämterhäufung ausgerechnet in die Zeit nach der Erkrankung ihres Mannes gefallen, die sie in ihrer Erklärung öffentlich machte.
An dieser Stelle ist es vielleicht passend, zwei Begriffe einzuführen, die zwei verschiedene Haltungen im Umgang mit dem Thema Gleichberechtigung beschreiben - Verzicht und Optimierung. Mit Optimierung versuchen viele Mütter und Väter, die drei Sphären ihres Lebens unter einen Hut zu bekommen. Familie, Beruf und Selbstfürsorge: Es scheint unmöglich, in allen drei Dimensionen das Maximum herauszuholen. Beruflicher Erfolg setzt voraus, viel Zeit zu investieren. Viele Eltern erleben aber die Rückkehr nach Hause als den Beginn der wahren Arbeit. Wenn dann noch ein Hobby oder Ehrenamt in den Alltag passen sollen, geht das nur auf Kosten der anderen Dimensionen. Sonst brauchten Eltern 300 Prozent an Kraft. Viele streben aber zumindest ein Optimum an. Sie strecken sich permanent und übertreten Grenzen. So muss es Anne Spiegel mit genesenem Partner und Kindern im Lockdown ergangen sein.
Das erinnert an unseren inkonsequenten Umgang mit der Nachhaltigkeit. Wir sind uns bewusst, dass wir mit unserem Konsumverhalten Grenzen überschreiten. Theoretisch haben wir Auto, Flugzeug und ungedämmte Wände als wichtige Verursacher des Klimawandels identifiziert. Aber statt unser Verhalten umzusteuern und auf Dinge zu verzichten, verschaffen wir uns Genugtuung im Supermarkt, indem wir Produkte kaufen, die als ökologisch gekennzeichnet sind. Statt uns auf weniger einzustellen, kleben wir Etiketten darauf. Nachhaltig. Biodynamisch. Neue Väter?
Hohe Ansprüche sind ein Grund dafür, dass die Vereinbarkeit als Ziel schleichend aufgegeben wird, obwohl sich das der Typus des "neuen Vaters" in Zeiten des Aufbruchs anders gedacht haben wird. Konsumwünsche erzeugen Druck. Setzen sie einen Karriereschritt voraus, scheint mehr Familienarbeit für die Partnerin vertretbar. Der Moment der Wahrheit ist nicht die Bitte an den Vorgesetzten, vier Monate Auszeit nehmen zu dürfen. Wer schlägt das Angebot zum nächsten Karriereschritt aus, weil es nicht zum Familienmodell passt - um dann womöglich für immer auf dem Abstellgleis zu stehen?
Eine Gegenstrategie dazu wäre Verzicht - ein Alternativkonzept, das sowohl Vereinbarkeit ermöglicht als auch tatsächlich der Umwelt dient. Nicht eine Ausweitung des nur vermeintlich nachhaltigen Konsums bringt uns weiter, nicht drei Flugreisen im Jahr und das Haus im Grünen. Manchmal ist weniger mehr. Die Soziologin Jutta Allmendinger schlägt 32 Arbeitswochenstunden für Väter und Mütter vor. Im Schnitt müssen Väter verzichten, wenn Frauen etwas mehr bekommen sollen. Ein Nullsummenspiel. Und wenn Arbeitgeber nicht wollen, dass sich ihre Mitarbeiter total aufreiben, dann dürfte Führen in Teilzeit für sie und für die Gesellschaft ein guter Deal sein.
Dass nicht immer Gutes herauskommt, wenn überwiegend Kinderlose führen, hat sich im ersten Jahr der Corona-Pandemie gezeigt, als im Bundeskabinett vor allem Politiker ohne Kinder über das Wohl von Familien entschieden, die neben den ohnehin schon schwer zu vereinbarenden drei genannten Dimensionen (Familie, Beruf, Selbstfürsorge) auch noch die Dimension Schule berücksichtigen mussten. Was für eine gesellschaftliche Leistung!
Das Ehrliche an den beiden Väter-Büchern von Tobias Moorstedt und Fabian Soethof ist, dass sie nicht nur das System oder die Umstände für die noch nicht erreichte Gleichberechtigung verantwortlich machen. Dass Mütter selbst in Beziehungen mit einer gleichgewichtigeren Aufgabenverteilung mehr Mental Load ansammeln, habe auch viel mit den Vätern und den Rollen, die sie einnehmen, zu tun, schreibt Soethof: "Die gesellschaftlichen Erwartungen an Väter sind, was die Care-Arbeit betrifft, so viel geringer als die an Mütter. Sie müssen dringend überholt werden."
In einem Kapitel testet er sein über Jahre gewachsenes Selbstverständnis als aktiver Vater an einem befreundeten Vollzeitarbeitnehmer. Sein Vorschlag, für mehr Glück auf ein bisschen Geld zu verzichten, um sich stärker den Kindern widmen zu können, wird abgetan. Für Soethof der erste Schritt in Richtung finanzieller Abhängigkeit der Partnerin.
Moorstedts Ehrlichkeit ist schon an seinen sechs Kapitelüberschriften abzulesen, die jeweils eine gängige Väter-Lüge ausdrücken: "Ich mache ja schon mehr als alle anderen", "Sie kann das einfach viel besser als ich", "Ich habe es nicht besser gelernt", "Sie lässt mich ja nicht", "Wir haben das doch gemeinsam so entschieden" und "Ich kann mir das einfach nicht leisten". Es geht ihm um: "eine Welt, in der weder Frauen noch Männer von inneren und äußeren Erwartungen in eine Rolle gepresst werden und die ihren Wünschen und Bedürfnissen entspricht". Soethof wünscht sich für seine Söhne, dass sie verinnerlichen, dass Geschlechterrollen nicht pauschal und unumstößlich sind.
Von der Autorin Patricia Cammarata, die durch ihre Belastung als Mutter und Berufstätige das Konzept des Mental Load entdeckt und hierzulande bekannt gemacht hat, stammt der schöne Satz: "Ein hinreichend guter Vater/eine hinreichend gute Mutter ist man, wenn man da ist, wenn man präsent ist, wenn man eine Stütze ist, wenn man einen Hafen bietet und im Notfall ein verlässlicher Kämpfer an der Seite des Kindes ist."
Wie das gelingt? Mein eigener Versuch, in den sozialen Medien am freien Nachmittag der Woche regelmäßig für Teilzeit zu werben, scheitert daran, dass man eben nicht immer Schlittschuhlaufen geht und mit schönen Bildern andere Väter erreicht. Wenn es mal vorkommt, ist das ein großes Geschenk. Manchmal geht es aber einfach darum, den Alltag zu bewältigen, Kinder von A nach B zu fahren, zum Arzt zu bringen oder die 60 Aufgaben im schriftlichen Dividieren für die Klassenarbeit fertig zu machen. Ob aus dem "neuen Vater" 15 Jahre nach seiner Erfindung etwas geworden ist, zeigt sich nicht an den Bildern bärtiger Väter auf Lastenfahrrädern. Es zeigt sich über die lange Strecke.
Fabian Soethof, "Väter können das auch! Es ist Zeit, Familie endlich gleichberechtigt zu leben", Kösel-Verlag, 240 Seiten, 18 Euro; Tobias Moorstedt, "Wir schlechten guten Väter: Warum Männer sich erfolgreich gegen Familienarbeit wehren - und warum wir das dringend ändern müssen", DuMont, 224 Seiten, 22 Euro
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