Zürich, 1916. Mitten im ersten Weltkrieg tummeln sich in der "kleinen Stadt am See" neben Emigranten jeder Couleur und Künstlern, die aus der Absurdität des Krieges den Dadaismus destillieren, auch Spione und andere undurchsichtige Gestalten. Der Lausanner Polizeibeamte Charles Vallat hat sich aus Liebe zu einer Zürcherin hierher versetzen lassen, arbeitet als Spitzel und gerät in dubiose und mörderische Machenschaften. Obschon die Handlung fiktiv ist, gelingt es den Autoren - die Geschichte stammt von Bruno Moser, das Szenario von Reto Gloor und gezeichnet hat Massimo Milano - mit diesem Comicroman vorzüglich, Stimmungsbilder aus dem damaligen Zürich heraufzubeschwören!
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 03.04.2013GRAPHIC NOVELS
KRIMI (2)
Finstere Stadt
„Vallat“ von Milano/Gloor/Moser
DEFGH Bibliothek
Könnte in Chicago sein, Dreißigerjahre, oder in Berlin, in den Zwanzigern: Es wird geballert, gekokst und gevögelt. Die Geschichte spielt aber in Zürich, im netten, beschaulichen, gepflegten Zürich. Mitten im Ersten Weltkrieg, 1916. Doch der Krieg findet woanders statt, die neutrale Schweiz muss nicht mitmachen. Hier stranden Feiglinge, Pazifisten, Renegaten, Künstler, Geheimagenten. Wäre „Vallat“ ein Roman, hätte man ein paar Fragen: Warum muss der Polizeichef zum Beispiel ausgerechnet Charles Vallat auf diesen Fall ansetzen? Gibt es keinen Schlechteren? Und ist ein Mann wirklich nicht wiederzuerkennen, wenn er sich einen Bart wachsen lässt? Aber ein Comic muss sich Gott sei Dank nicht mit Nebensächlichkeiten aufhalten, er braucht: Tempo. Keine Frage, Tempo hat diese Geschichte von Bruno Moser, Massimo Milano und Reto Gloor.
„Vallat“ ist ein Schweizer History-Thriller. Moser hat seine Story entworfen, Gloor entwickelte sein Szenario und Milano zeichnete ihn. Historisch authentisch an diesem Comic ist der Schauplatz. Zürich war dieses Sammelbecken, als das es hier dargestellt ist. Die dichten Schwarzweiß-Bilder vermitteln diese Atmosphäre. In den Moloch, der hier zu „die kleine Stadt am See“ verniedlicht wird, ist eine Agentenstory gepflanzt. Ein Filmemacher würde die Figuren mit jüngeren Leuten besetzen, als Milano sie zeichnet. Er stellt lieber Charakterköpfe dar, mit Falten, Bärten, müden Augen. Es ist schon ziemlich finster in Zürich.
Vallat soll einen verdächtigen Deutschen beschatten, einen umstürzlerischen Schauspieler aus Berlin. Für diesen Job bekommt der Polizist sogar eine neue Identität. Tagelang tut sich nichts, der Schauspieler bleibt unauffällig. Aber in der ganzen Stadt tauchen Plakate auf, die kein Mensch versteht. Und der See spült alle paar Wochen nackte Frauenleichen ans Ufer. Vallat gewinnt allmählich das Vertrauen des Schauspielers und gelangt in die Exilkünstlerszene. Ja, der verdeckte Ermittler findet sich in einem Dada-Zirkel wieder. Einen Action-Comic, in dem Dadaisten mitspielen – diese Genre-Tangente muss man erst mal hinbekommen. Mittendrin führt Hugo Ball in seinem Ritualornat seine Nummer „Karawane“ auf, Vallat packt das alles nur noch mit Alkohol. Beim Showdown bleibt er aber nüchtern. Vallat findet mit seinen Dada-Freunden die dekadenten Frauenmörder. Das Böse geht unter in der Flammenhölle. Vallat lebt unter seinem Decknamen weiter, er verlässt Zürich.
RUDOLF NEUMAIER
Action mit Dada: Massimo Milano (links) und Bruno Moser.
FOTOS: PR
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KRIMI (2)
Finstere Stadt
„Vallat“ von Milano/Gloor/Moser
DEFGH Bibliothek
Könnte in Chicago sein, Dreißigerjahre, oder in Berlin, in den Zwanzigern: Es wird geballert, gekokst und gevögelt. Die Geschichte spielt aber in Zürich, im netten, beschaulichen, gepflegten Zürich. Mitten im Ersten Weltkrieg, 1916. Doch der Krieg findet woanders statt, die neutrale Schweiz muss nicht mitmachen. Hier stranden Feiglinge, Pazifisten, Renegaten, Künstler, Geheimagenten. Wäre „Vallat“ ein Roman, hätte man ein paar Fragen: Warum muss der Polizeichef zum Beispiel ausgerechnet Charles Vallat auf diesen Fall ansetzen? Gibt es keinen Schlechteren? Und ist ein Mann wirklich nicht wiederzuerkennen, wenn er sich einen Bart wachsen lässt? Aber ein Comic muss sich Gott sei Dank nicht mit Nebensächlichkeiten aufhalten, er braucht: Tempo. Keine Frage, Tempo hat diese Geschichte von Bruno Moser, Massimo Milano und Reto Gloor.
„Vallat“ ist ein Schweizer History-Thriller. Moser hat seine Story entworfen, Gloor entwickelte sein Szenario und Milano zeichnete ihn. Historisch authentisch an diesem Comic ist der Schauplatz. Zürich war dieses Sammelbecken, als das es hier dargestellt ist. Die dichten Schwarzweiß-Bilder vermitteln diese Atmosphäre. In den Moloch, der hier zu „die kleine Stadt am See“ verniedlicht wird, ist eine Agentenstory gepflanzt. Ein Filmemacher würde die Figuren mit jüngeren Leuten besetzen, als Milano sie zeichnet. Er stellt lieber Charakterköpfe dar, mit Falten, Bärten, müden Augen. Es ist schon ziemlich finster in Zürich.
Vallat soll einen verdächtigen Deutschen beschatten, einen umstürzlerischen Schauspieler aus Berlin. Für diesen Job bekommt der Polizist sogar eine neue Identität. Tagelang tut sich nichts, der Schauspieler bleibt unauffällig. Aber in der ganzen Stadt tauchen Plakate auf, die kein Mensch versteht. Und der See spült alle paar Wochen nackte Frauenleichen ans Ufer. Vallat gewinnt allmählich das Vertrauen des Schauspielers und gelangt in die Exilkünstlerszene. Ja, der verdeckte Ermittler findet sich in einem Dada-Zirkel wieder. Einen Action-Comic, in dem Dadaisten mitspielen – diese Genre-Tangente muss man erst mal hinbekommen. Mittendrin führt Hugo Ball in seinem Ritualornat seine Nummer „Karawane“ auf, Vallat packt das alles nur noch mit Alkohol. Beim Showdown bleibt er aber nüchtern. Vallat findet mit seinen Dada-Freunden die dekadenten Frauenmörder. Das Böse geht unter in der Flammenhölle. Vallat lebt unter seinem Decknamen weiter, er verlässt Zürich.
RUDOLF NEUMAIER
Action mit Dada: Massimo Milano (links) und Bruno Moser.
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