Das lange Zeit vernachlässigte oder als Fehler gewertete Phänomen der Varianz, das als Forschungsgegenstand erst in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewinnt, steht im Zentrum dieser Arbeit. Die Untersuchung begibt sich auf eine Suche nach verschiedenen der mittelalterlichen Kultur entstammenden Ursachen dieses Phänomens, die über den Prozess der handschriftlichen Überlieferung hinausgehen. Dabei spielt die mediale Zwischen- bzw. Übergangsstellung dieser Kultur, ihre Bestimmtheit durch mündliche und direkte Kommunikations- und Interaktionsformen, aber auch die aufkommende und zunehmende Verschriftlichung der Volkssprachen, eine besondere Rolle für Produktion und Rezeption von Dichtung und damit für das Auftreten von Varianz. Neben einer interdisziplinär ausgerichteten Ursachenforschung im kulturellen Kontext des Mittelalters suchen vier Fallstudien zu reich überlieferten Texten Walthers Spuren eben dieser speziellen Kultur in den erhaltenen Textzeugen, bevor abschließend Fragen nach einem spezifisch mittelalterlichen Textbegriff, nach der Bestimmung der Kategorien Autor und Werk sowie nach einer dieser spezifischen Textualität gerecht werdenden Editionspraxis diskutiert werden.